Warum Arbeiten in der Agentur sinnlos ist

Gerade aus der Agenturbranche schallt der Ruf nach Work-Life-Balance und progressiven Arbeitsmodellen besonders laut. Dabei gehören Angestellte in Agenturen tatsächlich zu den Unglücklichsten. Was wir dagegen tun können.
Wie bringt man Mitarbeitenden den Sinn in ihren Job? (© Imago)

54 Prozent der Angestellten von Agenturen denken eher häufig bis sehr häufig darüber nach, zu kündigen. Das ist nur eine Zahl aus dem Agency Happiness Report von Awork, Appinio und den Agentur Boomern, die zeigt, wie wenig zufrieden die Mitarbeitenden in Agenturen sind. Doch sie müsste die Führungskräfte und Personalverantwortlichen eigentlich besonders schockieren. Warum?

Agenturen gelten als Hort der Progressivität. In den Agenturen wird KI entdeckt wie sonst an kaum einem Ort. Man kann experimentell sein und kreative Konzepte verkaufen. Und trotzdem sind die Agenturmenschen im Schnitt deutlich unglücklicher als Angestellte in vermeintlich langweiligeren Bürojobs. Tobias Hagenau, CEO von Awork, dem Hersteller der gleichnamigen Workmanagement-Software, sieht drei zentrale Kriterien für Zufriedenheit und Glück bei der Arbeit. Bei einem davon stinken Agenturen besonders ab.

Ein Aspekt: Kann ich als Mitarbeitender eigene Ideen umsetzen. Branchenübergreifend berichtet Hagenau davon, dass die Hälfte aller Befragten nie die Möglichkeit hat, eigene Ideen umzusetzen. Befragt werden vor allem Menschen aus dem Dienstleistungsbereich. Dass es in diesem Bereich so wenig Entfaltungsmöglichkeiten gibt, ist schon fast unglaublich. Die Agenturen sind in diesem Bereich allerdings nicht deutlich schlechter als die anderen Branchen. Aber alleine, dass es hier viele Menschen ohne kreative Freiheit gibt, bricht mit jedem Agenturklischee – und wäre alleine eine ziemlich naheliegende Erklärung für Unzufriedenheit.

Menschen in Agenturen finden ihre Arbeit nicht sinnvoll

Auch bei einem weiteren der drei Aspekte sind die Agenturen leicht unterdurchschnittlich. Dabei geht es um die Gemeinschaft und Unternehmenskultur, in der man arbeitet. Die relevanten Fragen hier laut Hagenau: „Gibt es psychologische Sicherheit, eine Lernkultur, Work-Life-Balance?“ Tatsächlich, so stellt Hagenau fest, ist Geld hierfür kein zentraler Faktor. Doch auch wenn die Agenturen hier schlecht abschneiden, so ist auch dieser Bereich nicht entscheidend für das fehlende Arbeitsglück im Agenturbereich.

Der zentrale Aspekt, bei denen Agenturen deutlich abfallen, ist ein anderer: Menschen in Agenturen empfinden ihre Arbeit nicht als sinnvoll. Klar, mag man sich da denken, wer Werbung für die Tabak-Industrie oder geldgierige Großkonzerne macht, der findet das nicht wahnsinnig sinnvoll. Darum aber geht es tatsächlich nicht primär. Hier gebe es die meisten Missverständnisse, hält Hagenau fest: „Nicht jeder Mensch muss die Welt retten. Sondern es geht darum zu verstehen, warum mein persönlicher Beitrag relevant für ein größeres Ganzes ist.” Man muss also mit seinem Agenturprojekt nicht die Welt retten. Auch wenn es für das Sinnempfinden sicherlich nicht schadet, an einem Projekt zu arbeiten, dass in irgendeiner Form einen positiven Beitrag für die Gesellschaft leistet. Nein: „Es geht darum, dass Mitarbeitende in der Agentur verstehen, dass sie für das Team oder die Projekte relevante Arbeit leisten. Dazu muss nicht das Produkt selbst relevant sein”, so Hagenau. Das kann über ganz unterschiedliche Dinge passieren. Zum Beispiel, weil man für gute Stimmung im Team sorgt oder weil man im Projekt selbst etwas umsetzt.

Auch in der Tabak-Industrie kann man glücklich werden

„Ich kann auch glücklich werden, wenn ich für die Tabak- oder Erdöl-Industrie Werbung mache. Wer nicht ganz verblendet ist, weiß dann zwar, dass er mit seinem Job nicht die Welt verändert.” Glücklich wird man aber natürlich nur, wenn die Arbeit dann auch zum persönlichen Wertekonstrukt passt, so Hagenau weiter: „Wer da natürlich eine starke Abneigung hat, wird damit nicht glücklich. Dann sollte man das nicht tun. Aber wenn das Teamgefühl und der eigene Impact gut sind, kann man damit trotzdem glücklich werden. Das geht in jedem Job.”

Und gerade dieses Sinnempfinden ist auch notwendig, um im Job glücklich zu werden. Denn im Schnitt verbringen Menschen laut Hagenau 72.000 Stunden im Leben mit Arbeit. Deswegen muss die eigene Arbeit nicht gleich zur großen Leidenschaft werden. „Aber diese unglaublich große Zeit, die man mit Arbeit verbringt, sollte einen wenigstens ein Stück weit erfüllen können. Ohne Arbeitsglück werden die Menschen insgesamt nicht glücklich.” Das ist dann auch ein Problem für die Unternehmen: „Unglückliche Menschen muss man sich auch ökonomisch leisten können: Wer glücklich ist, bleibt länger und hat bessere Ideen. Unglückliche Mitarbeitende kosten also Geld.”

Was können Agenturen für mehr Sinn tun?

Bleibt die Frage: Was können Agenturen tun, damit sich die Lage ändert? Wie bringt man Mitarbeitenden den Sinn in ihren Job? Hagenau selbst nennt da vor allem einen Aspekt: die intere Kommunikation durch Führungskräfte. Die selbst, das zeigt der Report, verstehen denn Sinn der Arbeit durchaus. Nur in den Teams kommt das oft nicht an: „Der Durchlauferhitzer mit vielen juniorigen Mitarbeitenden ist da mit schuld: Die alten Hasen machen sich oft nicht die Mühe, allen immer wieder den Sinn zu erklären.”

Weitere Aspekte für das Glück bei der Arbeit liefert die International Workplace Group. Sie setzt den Fokus auf Trends, wie 2025 die Arbeitszufriedenheit verbessert werden kann. Ein zentraler Punkt: Ergebnisse in den Fokus stellen und nicht Arbeitszeiten oder -orte. Sprich: KPIs in den Fokus stellen und nicht – wie bei LinkedIn aktuell heiß diskutiert – darüber reden, wie lange der private Termin nun gehen darf. Die Gruppe stellt fest, dass mehr als 80 Prozent der Führungskräfte durch hybrides Arbeiten eine höhere Produktivität sehen.

Generell ist aber auch Mark Dixon, CEO der International Workplace Group der Meinung, dass ein Fokus auf Führungskräfte und ihren Einfluss gelegt werden muss: „Im Jahr 2025 werden Unternehmen und Führungskräfte immer mehr Zeit und Aufmerksamkeit darauf verwenden, die Produktivität, Zufriedenheit und Loyalität ihrer Mitarbeiter zu verbessern.” Es scheint so, als hätten Führungskräfte in Agenturen gar keine andere Wahl, als genau das zu tun. 

Auf eine sinnerfüllte Woche!

(fms, Jahrgang 1993) ist UX-Berater, Medien- und Wirtschaftsjournalist und Medien-Junkie. Er arbeitet als Content-Stratege für den Public Sector bei der Digitalagentur Digitas. Als freier Autor schreibt er über Medien und Marken und sehr unregelmäßig auch in seinem Blog weicher-tobak.de. Er hat Wirtschafts- und Technikjournalismus studiert, seinen dualen Bachelor im Verlag der F.A.Z. absolviert und seit mindestens 2011 keine 20-Uhr-Tagesschau verpasst.