War’s das mit dem Cookiegeddon?

Die OMR-Party ist vorbei, der Marketingalltag wieder präsent – doch eventuell bald mit einem Problem weniger. Europäische Telko-Schwergewichte bauen gemeinsam eine reichweitenstarke Alternative zu den aussterbenden Drittanbieter-Cookies auf.
Auf der OMR hätte die Fülle von Marketing-Tech-Neuheiten kaum größer sein können. (© Imago)

Haben Sie das OMR-Festival schon Revue passieren lassen? Konnten Sie sich von den großen Bühnen Inspiration für ihr Tagesgeschäft holen? Hoffentlich. Denn es war wieder eine sehr große Sause mit hunderten Optionen, viel Prominenz und für ein „Klassentreffen“ fast schon eine Nummer zu groß. Doch ein emotionales und kommunikatives Erlebnis war es allemal. Nicht zuletzt gab es eine potenziell bahnbrechende Ankündigung für das Online-Marketing, die im Glamour und Glitter leider etwas unterging: Der offizielle Geschäftsstart von Utiq in Deutschland. 

Bereits im März wurde das neue Adtech-Unternehmen in Brüssel gegründet, an dem die Telko-Giganten Deutsche Telekom, Orange, Telefónica und Vodafone zu gleichen Teilen beteiligt sind. Schon allein die Tatsache, dass vier der größten Telekommunikationsbetreiber Europas – allesamt im beinharten Wettbewerb untereinander – jetzt zusammenarbeiten, zeigt, dass man gewillt und in der Lage ist, den Walled Gardens aus Übersee die Stirn zu bieten. Ihr Ziel: Eine reichweitenstarke Identifikations- und Consent-Lösung soll eine datenschutzkonforme Alternative zu den Drittanbieter-Cookies schaffen und der digitalen Werbebranche auch künftig eine genaue Zielgruppenansprache ermöglichen.

Miteinander statt gegeneinander

Auf der OMR verkündete Utiq CEO Marc Bresseel die Ziele und Visionen von Utiq. Das europäische Adtech-Unternehmen wird künftig einen Consent-Service für das digitale Ökosystem betreiben, bei dem die Privatsphäre und die Datensouveränität der Verbraucher*innen geschützt werden soll. Nur die ausdrückliche Zustimmung der Nutzer*innen soll es Marken ermöglichen, über Verlage und Medienhäuser mit ihnen zu kommunizieren. Die einzigen Daten, die dann weitergegeben werden, sind ein pseudonymisierter digitaler Token, der nicht zurückverfolgt werden kann. Verbraucher*innen können mit einem einzigen Klick ihre Einwilligung erteilen, verweigern oder widerrufen. Zum Start wird der Consent-Service über ID Fusion verfügbar sein – das ist die universelle Identitätslösung des Adtech-Anbieters Adform, der von Utiq als exklusiver Buy-Side-Partner für den deutschen Markt ausgewählt wurde. Weitere Partner beim Start sind IQ Digital Media Marketing und die Pilot Agenturgruppe. Damit hat sich eine starke Initiative formiert, die das Zeug dazu hat, dem Ende der Drittanbieter-Cookies endgültig den Schrecken zu nehmen.

Schon gehört?

Influencer Marketing – früher eine klassische Agenturdisziplin – wird inzwischen überwiegend von den Unternehmen selbst betrieben. Das ist ein Ergebnis der ersten Auflage der Marktstudie des Software-Spezialisten IROIN. Außerdem zeigt die Studie, dass im Schnitt bis zu zehn Influencer*innen an einer Influencer Marketing Kampagne beteiligt sind. Sowohl für Influencer-Tech-Anbieter als auch für die Unternehmen liegt hier noch viel Potenzial brach, denn die Mehrheit (61 Prozent) nutzt noch keine Software für die automatisierte Influencer-Suche.  

Automatisieren lassen sich auch direkte Werbedeals. Auf der programmatischen Plattform des Adtech-Anbieters Pubmatic können sich Einkäufer und Verkäufer digitaler Medien über eine neue Lösung direkt miteinander verbinden, was die Lieferkette deutlich transparenter macht. Sowohl für Connected TV- als auch für Video-Inventare sind diese automatisierten Transaktionen möglich. Zu den ersten Partnern von „Activate“ zählen unter anderem große Player wie Dentsu, Group M, Havas und die Omnicom Media Group Germany. 

Künstliche Intelligenz verbreitet sich ebenfalls im großen Stil: So hat Google seinen KI-Chatbot Bard nun für Nutzer in 180 Ländern zugänglich gemacht, allerdings ist Deutschland bisher nicht darunter. Parallel wird KI in die Google-Suche integriert, was zu einer „Search Generative Experience“ führen soll. Mit KI-Unterstützung kann Google künftig komplexe Nutzeranfragen ausführlich beantworten, ebenso werden Folgefragen zum Thema vorgeschlagen. Das Feature ist bisher nur für die Suche in den USA verfügbar. 

Übrigens: Im KI-Wettlauf hat Microsoft weiterhin die Nase vorn. Ein KI-Chat ist schon seit Februar in der Bing-Suche integriert und wurde seitdem mehr als eine halbe Milliarde Mal (!)  genutzt. Mit einer neuen Werbelösung für die Monetarisierung solcher KI-Chats greift Microsoft Platzhirsch Google jetzt auch im Anzeigengeschäft an: Die „Ads for Chat-API“ kann Anzeigen auf Chat-Plattformen von Microsoft oder anderen Unternehmen schalten. Die Anzeigenlösung richtet sich an Online-Dienste, Apps und Publisher. Ich persönlich bin auf die ersten KI-Ads-Kampagnen bereits sehr gespannt. 

In diesem Sinne. Bleiben Sie inspiriert!

(kaz) ist Fachjournalist für digitales Marketing. Seit Mitte der Nullerjahre begleitet er mit seinen Artikeln die rasanten Entwicklungen der Online-Werbebranche. Der Maschinenraum der Marketing-Technologien fasziniert ihn dabei ebenso wie kreativ umgesetzte Kampagnen. Der freie Autor lebt und arbeitet in Berlin.