Vom Regen verschont: So schaffte Knirps die Rettung für den Schirm

Dreimal stand die Traditionsmarke Knirps kurz vor der Pleite. Die Billigkonkurrenz und Qualitätsprobleme machten dem Schirm mit dem roten Punkt immer mehr zu schaffen. Unter neuem Eigentümer besann sich die Marke auf ihre eigentlichen Stärken. Nun geht es stetig bergauf.

Die Ziele: Marke wiederbeleben, Umsatz steigern

Die Rettung der Marke begann mit einem gründlichen Produktcheck: Lackner baute ein internes Forschungs- und Entwicklungsteam auf, das sich mit jedem Einzelteil des Schirms befasste und zugleich die gesamte Kollektion hinsichtlich Funktion, Design, Qualität genau unter die Lupe nahm. Wichtigstes Ziel war, die Marke zu beleben und ihren Premiumcharakter zu stärken. Parallel sollte der Umsatz in den folgenden Jahren deutlich steigen – sowohl im deutschsprachigen Kernmarkt als auch international. Die Expansion in wachstumsstarke Auslandsmärkte hat sich die Geschäftsführung ins Pflichtenheft geschrieben. Und ebenso auszuloten, in welche Produktkategorien die Marke Knirps diversifizieren kann. Wobei Lackner von Beginn an darauf achtete, den Bogen nicht zu überspannen. „Wir sind Experten für Wetterschutz, da kennen wir uns aus, und daran orientieren sich sämtliche Knirps-Produkte. Man darf einer Marke nicht zu viel aufladen, sonst wird sie überladen.“ 

Die Umsetzung: Fertigung verbessern, Angebot und Märkte ausbauen

Ein Schirm besteht aus bis zu 300 Einzelteilen, die per Hand zusammengesetzt werden. Komplett in Deutschland oder dem westeuropäischen Ausland zu produzieren wäre zu teuer. Ähnlich wie die Textilindustrie sind auch hier die Fertigungsstätten abgewandert, erst nach Osteuropa, dann weiter nach Fernost. Wozu das führt, lässt sich in Österreich besichtigen: Dort gab es zu den Hochzeiten rund ein Dutzend Schirmmanufakturen, heute ist nur ein Betrieb übrig, nämlich Doppler. Die Marke Doppler selbst, angesiedelt im mittleren Preissegment zwischen rund 25 und 40 Euro, trägt den größeren Teil zum Unternehmensumsatz bei. Sie gilt intern als der VW unter den Schirmen und der Knirps, dessen Produkte mehrheitlich zwischen 40 und 60 Euro kosten, als Audi. Ganz oben auf der Prioritätenliste stand für Michael Lackner, die Lieferanten genau zu prüfen – und sie zu wechseln, wenn sie den Anforderungen nicht genügen. Das hat er getan. Auch heute werden die Schirme überwiegend in China hergestellt, aber „auf einem Qualitätsniveau, das uns zufriedenstellt“, betont der Geschäftsführer. Hier macht er keine Abstriche, deshalb werden Einzelteile und Produkte ebenso wie Werkzeuge von Knirps selbst entwickelt, manche bis zur Patentreife. „German Engineering“, sagt Lackner, „ist für uns die Basis und gegenüber dem Handel und Konsumenten ein starkes Argument.“

Das im Sommer 2015 eingeführte Schirmkonzept „T.Series“ – T wie Technik – steht dafür beispielhaft. Die sechs neuen Modelle, unterschiedlich groß und schwer, wurden allesamt im Windkanal getestet, die Griffe ergonomisch geformt und der rote Punkt nicht nur als Knirps-Logo stylisch betont, sondern der Komfort der einfachen, mit minimaler Kraft zu bedienenden Drucktaste gesteigert. In den vergangenen Jahren hat die Marke ihre Schwerpunkte und ihr Produktspektrum erweitert. Trends wurden erkannt und Knirps-like umgesetzt, zum Beispiel das steigende Interesse von Männern an Accessoires. Das Team um Brand Manager Franziska Eschetshuber recherchierte weltweit – mit dem Ergebnis, dass es sich lohnen würde, eine eigene Männerkollektion einzuführen. Folglich gibt es seit eineinhalb Jahren die neue Kollektion „Men’s Fashion World“, die Hüte, Jacken und Parkas, Ponchos und Schals umfasst und vom eigenen, sechsköpfigen Designteam entwickelt wurde. Design ist für Knirps ein wichtiges Differenzierungsmerkmal, wie etwa die Ende 2016 eingegangene Kooperation mit dem renommierten Designstudio Nuno in Japan unterstreicht. Gemeinsam wurde eine limitierte Kollektion entwickelt, „die internationalen Anforderungen an Trends und Looks auf eigene Weise begegnet und trotzdem den weltweit unterschiedlichen Geschmäckern Rechnung trägt“, so Eschetshuber. Dabei ist es kein Zufall, dass Knirps seinen Aktionsradius auf Japan ausweitet. Von dort stammen inzwischen rund 15 Prozent des Markenumsatzes, mehr wird nur in Deutschland (35 Prozent) erwirtschaftet. „Der Regenschirm ist in Japan ein fast unverzichtbares Accessoire“, erklärt Michael Lackner. Mittlerweile haben die handlich-mobilen Knirpse einen großen Bruder bekommen – den „Knirps Sonnenschirm“ für den Garten, der seit mehr als vier Jahren im ausgewählten Fachhandel erhältlich ist. „Der Markentransfer ist uns gelungen. Im Homing-Markt haben wir es, anders als bei den klassischen Regenschirmen, mit High-Interest-Produkten zu tun. Da passt Knirps hin“, erläutert Lackner. 

Die Hürden: Markenreturn braucht Ausdauer   

Wenn eine Marke an Ansehen eingebüßt hat und sogar wirtschaftlich vor dem Aus stand, ist die wichtigste und zugleich schwierigste Aufgabe, ihr Renommee wiederherzustellen. Michael Lackner weiß das aus Erfahrung. „Die ersten Jahre waren sehr davon geprägt, Aufbauarbeit zu leisten mit dem Ziel, das Vertrauen des Handels, aber auch des Konsumenten wieder zu gewinnen“, sagt der Geschäftsführer.

Die Qualitätsoffensive ist ein Teil der Erfolgsgeschichte. Sie um- und durchzusetzen klingt jedoch einfacher, als es war. „Hochwertige Produkte zu vertretbaren Kosten herzustellen ist gerade im Schirmmarkt eine besondere Herausforderung“, so Lackner. Das gilt auch für den Anspruch, einen Schirm als Premiumprodukt zu positionieren, denn „hier bewegen wir uns eindeutig im Low-Interest-Sektor“.

Technisch war und ist Knirps gut gerüstet, dennoch: Um das Produktprogramm sinnvoll auszubauen, braucht es einen überlegten Marketingplan. Weil Knirps zudem rasch in Auslandsmärkte expandieren wollte, türmten sich die Aufgaben für Lackner und sein Team. Manche Erfolge stellten sich bald ein, doch ein stabiler Markenreturn braucht eine durchdachte Strategie, gute Ideen und Ausdauer.

Die Erfolge: Umsatz mehr als verdoppelt, Wachstum hält an 

Knirps wird aktuell in rund 40 Ländern vertrieben und liefert jährlich rund 600 000 Schirme aus. Seit der Übernahme durch Doppler 2005 haben sich die Jahreserlöse auf 10,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt. 2016 wurde erstmals ein zweistelliger Millionenumsatz erzielt, bei kräftigem Zuwachs um 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Wachstumstempo hat sich somit weiter beschleunigt. Der Geschäftsführer sieht sich darin bestätigt, besonderen Wert auf Qualität zu legen. „Wir haben sie auf das bisher höchste Niveau gehoben“, sagt er. Ein sichtbares Qualitätssiegel gibt es auch – den roten Punkt, der nicht nur ein prägnantes Zeichen, sondern wichtigste Funktionstaste des Schirms ist.

Der Name Knirps ist trotz des wirtschaftlichen Auf und Abs im Markt verankert. Eine aktuelle Untersuchung der GfK bescheinigt eine gestützte Markenbekanntheit von 87 Prozent, Knirps ist mit Abstand die Nummer eins unter den Schirmmarken in Deutschland. Selbst ungestützt erreicht Knirps noch eine Bekanntheitsquote von 57 Prozent. „Ein fantastisches Ergebnis, das uns in unserer Positionierung der Marke bestätigt“, sagt Michael Lackner. Aus der Marktforschung geht zudem hervor, dass jeder vierte Deutsche einen Knirps-Regenschirm besitzt. Der typische Knirps-Kunde, etwa zu gleichen Teilen männlich und weiblich, präferiert sportliche, alltagstaugliche und mittelteure Kleidung, gibt jedoch, im Vergleich zur Gesamtbevölkerung, mehr Geld für hochpreisige Marken aus. Wenig überraschend loben Käufer den Knirps als praktisch und handlich, attestieren aber auch Zuverlässigkeit. Darüber freut sich der Geschäftsführer besonders, weil „uns der Verbraucher damit in unserem Bemühen um hohe Qualität bestätigt. Daran werden wir festhalten, denn Qualität ist für uns einer der wichtigsten Markenbestandteile überhaupt“, so Lackner.

Der Ausblick: Expansions- und Exportkurs beibehalten

Der Geschäftsführer geht davon aus, dass bis 2020 „ein weiterer Zuwachs auf 13 bis 14 Millionen Euro möglich ist“. Der internationale Expansionskurs zahlt sich aus. Aktuell ist Japan der Exportmarkt mit den stärksten Wachstumsraten. „Da sehen wir für uns noch richtig viel Potenzial“, so Michael Lackner. Auch in China, wo Knirps seit drei Jahren richtig präsent ist, gehe es gut voran. „Hier steigt die Nachfrage nach höherpreisigen Markenartikeln, wobei unsere Schirme von den Chinesen etwa zu 90 Prozent online gekauft werden.“ Für den Knirps-Chef ein klarer Hinweis, dass Premiumprodukte auch über digitale Kanäle immer stärker nachgefragt werden. Lackner: „E-Commerce bleibt für uns ein großes Thema.“

Das gilt auch für die Gartenlinie (Sonnenschirme), „hier wollen wir den Ausbau forcieren“, sagt der Geschäftsführer. So wird im Frühjahr/Sommer ein Knirps-Pendelschirm für den Garten auf den Markt kommen. Und bei den Taschenschirmen wird ebenso an Neuheiten gearbeitet: Im Herbst bringt Knirps den extrem leichten und sehr stabilen T.050 heraus – mit Karbonanteil in den Schienen. Das soll den Schirm flexibler machen und die Bruchgefahr bei Wind noch weiter reduzieren. Kurzum: Sich auf Produkten von gestern ausruhen ist bei Knirps nicht vorgesehen.

Roland Karle (rk, Jahrgang 1966) schreibt über Marken & Medien, Beruf & Sport. Hat BWL/Marketing an der Uni Mannheim studiert, bei einer Tageszeitung volontiert und arbeitet seit 1995 freiberuflich. Er porträtiert gerne Menschen in Zeilen und Märkte durch Zahlen. Hang zum Naschkater und Volltischler. Im früheren Leben ein fröhlicher Libero.