Vier Thesen zur Zukunft des Marketings

In letzter Zeit hört und liest man immer öfter, dass das Marketing in der Krise steckt und dadurch auch an Einfluss in den Unternehmen verliert. So schrieb erst kürzlich Christian Thunig genau an dieser Stelle: „Was man im ersten Schritt auf jeden Fall festhalten kann, ist, dass der Begriff „Marketing“ in einer Krise steckt, denn er ist leider negativ belegt. Wenn das Wort „Marketing“ fällt, assoziieren viele unmittelbar „Marketing-Gag“, „geheime Verführer“ oder Manipulation. Also nichts wirklich Seriöses.“ Das war aber nicht immer so.

Ich kann mich noch sehr gut an mein Studium Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre an der Johannes-Kepler-Universität in Linz erinnern, an der Professor Ernest Kulhavy uns lehrte, dass wir Marketing im Sinne einer ganzheitlichen, marktorientierten Unternehmensführung verstehen müssen. Wie aber sehen die Realität und die Zukunft des Marketings aus? Dazu sollten wir uns folgende vier Thesen ansehen:

These 1: Marketing als ganzheitliche Disziplin ist tot

Wenn man sich heute ein Marketingstandwerk zu Gemüte führt, egal ob einen „Kotler“ oder einen „Meffert“, dann umfasst Marketing quasi das gesamte Unternehmen von der Planung über die Ziele, die Strategien bis hin zur Umsetzung und Kontrolle. Dies entspricht im Wesentlichen dem, was uns Studenten damals in Linz gelehrt wurde.
Wenn man sich aber den Aufgabenbereich vieler Marketingleiter oder auch – moderner ausgedrückt – vieler CMOs ansieht, muss man sich eingestehen, dass diese heute in der Regel „bessere“ Kommunikationsleiter sind, die die Verantwortung über die Werbung, Budgets und die Zusammenarbeit mit diversen Dienstleistern haben. Aus dieser Perspektive kann man sagen, dass Marketing als ganzheitliche Disziplin tot ist.

These 2: Marketing als Funktion bleibt bestehen

Auch wenn Marketing so als Disziplin immer mehr in Richtung nur dem vierten P (Promotion) gedrängt wird, so wird die Funktion Marketingleiter oder CMO natürlich erhalten bleiben. Denn diese Kommunikationsaufgabe wird heute generell immer komplexer und komplizierter. Dazu tragen wesentlich zwei Entwicklungen bei: Erstens werden die Medien und damit auch die Kommunikationsmöglichkeiten vor allem auch durch das Internet immer mehr. Zweitens wird auch die Anzahl der Spezialdienstleister immer größer. So wird der Marketingleiter im Unternehmen auch immer mehr zur Integrationsfigur, um in dieser Komplexität die optimale Ordnung für das Unternehmen zu schaffen. Marketing als (auch mitbestimmende) Funktion bleibt so sicher bestehen.

These 3: Branding wird die neue übergeordnete Integrationsdisziplin

Im Gegensatz zum Marketing erhebt das Branding nicht den Anspruch alle Unternehmensbereiche erfassen zu wollen. Branding ist mehr eine Art „Leitgedanke“ beziehungsweise„Leitbild“. Es gilt die Marke zu definieren und daraus die Markenpositionierung abzuleiten. Es gilt quasi eine verbindliche Richtlinie für das Unternehmen und dessen Bereiche festzulegen und vorzugeben.
Wenn die Marke BMW für „Fahrfreude“ steht, dann hat dies zwar sehr wohl Auswirkungen auf die Produktpolitik, die Preispolitik, die Kommunikationspolitik und die Vertriebspolitik, aber deshalb müssen diese Bereiche nicht im Sinne einer Brandingabteilung integrierter Bestandteil des Brandings sein. Denn genau das war und ist das Problem vom Marketing. Man wollte beides sein: Richtlinie über alles und gleichzeitig als Marketingabteilung die operative Teilverantwortung über alle vier Ps haben. (Was bleibt dann für die anderen Funktionen im Unternehmen übrig?)

These 4: Branding ist Aufgabe, nicht unbedingt Funktion

Damit braucht ein Unternehmen aber auch nicht zwingend eine Brandingabteilung. Vielmehr muss man Branding als eine notwendige strategische Aufgabe sehen, die auf Geschäftsführungsebene verankert sein muss. Denn nur eine Verankerung auf höchster Managementebene kann sicherstellen, dass die Marke und die Markenpositionierung ganzheitlich im Unternehmen von allen Bereichen gelebt werden.
Dies wird noch dadurch begünstigt, dass immer mehr Entscheider in Unternehmen um die Vorteile einer starken Marke wissen beziehungsweise Studien die Bedeutung einer starken Marke für den dauerhaften Unternehmenserfolg untermauern. So zeigte erst kürzlich eine Studie von Simon-Kucher & Partners, dass eine starke Marke einen wesentlichen Beitrag dazu leistet, dass Unternehmen Pricing-Power besitzen, also die Kraft haben, am Markt ihre Preise durchzusetzen. So gesehen könnte es für das Branding sogar enorm schädlich sein, wenn Marketingabteilungen in Brandingabteilungen umbenannt werden würden. Denn sonst droht auch dem Branding das Schicksal nur in Richtung Kommunikation abzudriften.

Von der Teildisziplin zur Leitdisziplin

Fazit: Wenn man Marketingbücher aus den 1960er oder auch noch aus den 1970er Jahren liest, dann findet man dort den Begriff Branding als eine Unterdisziplin der Produktpolitik. Damals verstand man unter Branding hauptsächlich Namensfindung, Logo und Design. Heute in unseren überfüllten Märkten wird aus dieser Teildisziplin immer mehr eine echte Leitdisziplin, um Unternehmen und Marken ganzheitlich auszurichten. Und das Marketing wird so eine Teildisziplin des Brandings. Die Zukunft des Marketings heißt als Branding.

Über den Autoren: Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Markenpositionierung und Associate im Beraternetzwerk von Al Ries. Er ist zudem Autor des Buches „Brandtner on Branding“ und Mitautor des eBooks „Visueller Hammer“, das im April dieses Jahres erschienen ist. Sein Markenblog: www.brandtneronbranding.com.