Vier Strategien gegen den Relevanzverlust von Marken

Viele Marken laufen in dynamischen Märkten Gefahr, ihre Relevanz zu verlieren, weil die Kategorie oder Subkategorie, die sie bedienen, schrumpft. Die Kunden kaufen nicht mehr, was die Marke ihrer Wahrnehmung nach anbietet. Es entstehen neue Kategorien oder Subkategorien, weil Wettbewerber mit Innovationen "Must-haves" auf den Markt bringen. Bemerkenswert ist, dass diese Dynamik auch starke Marken treffen kann – solche mit loyalen Kunden und einem Angebot, das nie besser war, weil es von kleinschrittigen Innovationen profitiert.

Relevanz ist von entscheidender Bedeutung. Wenn die Kunden ein batteriebetriebenes Auto wünschen, spielt es keine Rolle, wie gut ihnen Ihre Hybridmarke gefällt; sie ist einfach nicht relevant. Eine Zeitung kann die besten Artikel bringen und das beste Redaktionsteam haben – wenn die Leser zum Fernsehen oder ins Internet abwandern, sinkt die Relevanz. Besonders schlimm ist es, wenn es gelingt, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und eine präferierte Marke aufzubauen, am Ende aber alle Mühe vergeblich war, weil das Angebot nicht mehr relevant ist.

Wie bleibt eine Marke relevant? Wie lässt sich die Entscheidung verhindern, eine Marke aufzugeben oder zu melken. Vier Strategien bieten sich an:

1. Mit Wettbewerbern gleichziehen

Ziel dieser Strategie ist es, eine annähernd gleichwertige Alternative zum „Must-have“-Angebot der Konkurrenz zu schaffen, sodass die Marke nicht länger vom Wettbewerb ausgeschlossen ist und als nicht relevant gilt. Mehrere Fast-Food-Ketten bieten jetzt auch Salate und Frucht-Smoothies an, die zumindest so gut sein sollen, dass die Gesund-Esser keinen Bogen mehr um die Marke machen. McDonald’s reagierte mit der Einführung von McCafe auf die Bedrohung durch Starbucks, was das Frühstücksangebot und das Geschäft mit Zwischenmahlzeiten angeht. Mit McCafe konnte McDonald’s bei der Kaffeequalität für viele Kunden mit Starbucks gleichziehen oder zumindest eine Alternative bieten, um im Rennen zu bleiben.

Eine Schwierigkeit bei dieser Strategie ist die Frage, ob die Marke auf dem neuen Terrain glaubwürdig ist. Eine weitere liegt in der Umsetzung des Leistungsversprechens, wenn man davon ausgeht, dass die Kultur, die Produktionsanlagen und die Kompetenzen des Unternehmens nicht auf das neue Angebot ausgerichtet sind.

2. Die Innovation übertreffen

Statt sich mit einem gleichwertigen Angebot zufrieden zu geben, können Sie auch versuchen, die neue Kategorie oder Subkategorie zu übernehmen oder zumindest zu einem wichtigen Akteur zu werden, indem Sie mit einer substanziellen oder revolutionären Innovation Wettbewerber ausbremsen. Nike bietet mit seinen Nike+-Schuhen und dem iPod Sensor die Möglichkeit, beim Laufen Musik zu hören und gleichzeitig jedes Training aufzuzeichnen. adidas micoach bietet ebenfalls die Möglichkeit der Trainingskontrolle und Übertragung auf den Computer, darüber hinaus aber auch ein aktives Forum, die Möglichkeit, das Programm an die jeweilige Sportart und die persönlichen Ziele anzupassen, und sogar Kontakt zu Trainern, um maßgeschneiderte Trainingsprogramme zu erstellen. Cisco hat mehrfach eine Lücke in seiner Produktlinie mit Übernahmen geschlossen. Ergänzt um die Synergieeffekte und Systemvorteile von Cisco entstanden daraus Produkte, die neue Maßstäbe setzten.

Diese Strategie stellt Unternehmen vor eine gewaltige Herausforderung, weil sie substanzielle oder gar revolutionäre Innovationen erfordert. Zudem ist es schwierig, sich in Märkten mit starken, dynamisch wachsenden Wettbewerbern zu etablieren.

3. Sich neu positionieren

Modifizieren Sie die Marke oder positionieren Sie sie neu, sodass ihr Leistungsversprechen im sich verändernden Markt wieder relevanter wird. GE hat sich unter der Dachmarke „ecomagination“ im Energiesektor neu positioniert, um vom Trend zu grünen Technologien zu profitieren; mit der Marke „healthymagination“ reagiert das Unternehmen zudem auf Veränderungen im Gesundheitssektor. L. L. Bean, eine etablierte Marke für Jäger-, Angler- und Camping-Bekleidung sowie -zubehör hat sich neu als Outdoor-Anbieter positioniert, um auch für Liebhaber anderer Freiluftaktivitäten wie Wandern, Mountainbiking, Langlauf und Wassersport relevant zu werden. Geblieben ist das Gefühl der Ehrfurcht, des Respekts vor der Natur und die Abenteuerlust, die die Marke ausstrahlen will – nur die Perspektive hat sich verändert.

Diese Strategie funktioniert allerdings nur dann, wenn die Substanz ausreicht, um die neue Positionierung glaubwürdig zu vertreten und die Rebranding-Strategie überzeugend umzusetzen. GE und L.L. Bean mussten die Neupositionierung leben und relevante Vorteile bieten.

4. Die bisherige Strategie beibehalten

Statt sich anzupassen, verfolgen Sie die gleiche Strategie wie bisher, nur dass Sie Ihre Produkte immer weiter verbessern und Ihre Marke mit Energie aufladen. Der Nassrasierer beispielsweise lief in den 1930er Jahren Gefahr, durch den Elektrorasierer mit seinen überzeugenden Vorteilen verdrängt zu werden. Gillette konterte jedoch mit immer neuen Innovationen und schaffte es, die neue Kategorie in ihre Schranken zu verweisen und selbst ein solides Wachstum zu erzielen. In-N-Out Burger, eine Fast-Food-Kette im Westen der Vereinigten Staaten mit einem sehr treuen Kundenstamm, hat keinerlei Anstrengungen unternommen, sich an den Gesundheitstrend anzupassen. Die Kette bietet einfach weiterhin Burger, Pommes Frites und Shakes in gleichbleibender Qualität bei entsprechendem Service – sie geht davon aus, dass ein hinreichend großer Kundenkreis den Gesundheitstrend ignoriert oder zumindest regelmäßig sündigt.

Das Risiko dieser Strategie liegt darin, dass die neue Kategorie oder Subkategorie auf einem so starken Trend basiert oder so überzeugende Vorteile bietet, dass es zwecklos oder gar fatal wäre, sie zu ignorieren.

Welche Reaktion die beste ist, hängt vom Kontext ab. Zwei Fragen sollten Sie sich stellen: Wie stark ist die Bedrohung und der Trend, auf den sie sich stützt? Und wie schätzen wir realistisch unsere Fähigkeit ein, innovativ zu bleiben, notwendige neue Kompetenzen zu entwickeln und erfolgreich am Markt zu bestehen? Beide Fragen sind nicht leicht zu beantworten, weil sie komplex sind, einzelne Faktoren voneinander abhängen und die künftige Entwicklung ungewiss ist.

Über den Autor: David Aaker gilt als der Guru der Markenstrategie – Er hat das Markenwertmodell „Aaker Model“ erfunden und über 100 Artikel und 15 Bücher veröffentlicht. Als Vice Chairman berät David Aaker zudem exklusiv die Kunden von Prophet. Als Ehrenprofessor an der Haas School of Business, University of California, Berkeley, bekam er vier Karriere-Auszeichnungen, einschließlich des Paul D. Converse-Preises im Jahre 1996 für seine herausragende Arbeit zur Weiterentwicklung des Marketing.