Verzweifelt gesucht – Top-Vertriebspartner

Während viele Personalchefs in der Wirtschafts- und Finanzkrise vor der schmerzhaften Aufgabe stehen, sich von Mitarbeitern zu trennen, suchen die Verantwortlichen anderer Firmen händeringend nach Mitarbeitern, die das Team verstärken.

Es gibt sie – die Firmen, die Fahndungsplakate nach kompetenten Mitarbeitern ausstellen. Gesucht werden High Performer mit hohem Gestaltungsfaktor und engagierter Leistungsbereitschaft. Dabei steht zumeist der Vertrieb im Mittelpunkt – und dabei wiederum der Außendienst: Hier werden die Gehälter verdient, hier entscheidet sich oft das Schicksal des Unternehmens.

Mittelprächtiger Vertrieb heißt mittelprächtiger Erfolg, qualifizierte Leute bedeuten hohe Umsätze und Gewinne, bedeuten Marktanteile und Wettbewerbsvorteile. Dabei ist es zunächst einmal gleichgültig, ob ein Unternehmen nach festangestellten Außendienstlern sucht oder nach freien Vertriebspartnern.

Unternehmen als Headhunter: Auf der Suche nach den Besten
Die Situation führt dazu, dass die Umsatzbringer heiß begehrt und am Markt umkämpft sind. Loyale Mitarbeiter, die sich mit Leidenschaft und Kompetenz einsetzen, stellen in vielen Firmen den bedrückendsten Engpassfaktor dar: Top-Mitarbeiter, verzweifelt gesucht.
Die Herausforderung besteht darin, jetzt Top-Leute ans Unternehmen zu binden und gute Vertriebspartner – seien es angestellte Berater oder auf freiberuflicher Basis tätige Top Performer – zu akquirieren. Zum anderen muss das Unternehmen ein Interesse daran haben, einen Pool an High Performern aufzubauen, auf den es bei Bedarf zurückgreifen kann.

Nehmen wir an, die Personalabteilung erhält den Auftrag, einen Mitarbeiter mit einem spezifischen Qualifikationsprofil zu suchen, natürlich mit einer Erfolgsmeldung, die besser gestern als heute erfolgt. Jetzt erst die Anzeige zu erstellen und zu schalten und Stellengesuche zu wälzen oder sich am Markt umzuhören – dazu ist es zu spät. Die Konkurrenz schläft nicht.

Effektiver ist es, wenn der Personaler über einen Adress-Pool mit Menschen verfügt, deren Qualifikationen genau umrissen sind und zu denen bereits zumindest ein loser Kontakt geknüpft, mithin eine Beziehung aufgebaut worden ist, die nun ohne größeren Aufwand aktiviert und vertieft werden kann.

Erstaunlich ist, dass viele Unternehmen bei der Suche nach den Besten den Zufall als feste Komponente einplanen: Sie vertrauen darauf, dass just in dem Moment, in dem eine Stelle frei wird, vielleicht sogar der „Star“ der Abteilung den Verein wechselt, ein adäquater Ersatz am Markt zu finden sein wird. Natürlich: Zuweilen gelingt dies, etwa mit Hilfe der Netzwerkkontakte: „Ich kenne jemanden, der Kontakt zur Firma XY hat, da sitzt genau der Richtige für uns, ich frag mal nach.“ Trotzdem: Häufig wird mit der angeblich wertvollsten Ressource, dem so genannten Human Kapital, recht sorglos umgegangen.

Ist es nicht sinnvoller, statt hektischer Aktivitäten permanent und systematisch Ausschau zu halten nach geeigneten Top Performern, die die Firma voranbringen?

Vertrieb mit System und Strategie aufbauen
Unternehmen sollten ein System etablieren, das eine kontinuierliche Suche nach High Performern erlaubt und sie aus der Abhängigkeit von zufälligen Schnellschüssen befreit. Allzu häufig stellt man nach der aufwändigen Probe- und Einarbeitszeit fest, dass Unternehmen, Arbeitsstelle, Vorgesetzter, Team und neuer Vertriebspartner nicht zueinander passen: Die Chemie stimmt nicht, zwischen Anforderungs- und Qualifikationsprofil klafft eine nicht zu schließende Lücke.

Strategischer Vertriebsaufbau heißt, die Personalsuche mit Weitsicht und Nachhaltigkeit zu betreiben. Bei den Beteiligten sollte ein Bewusstsein entstehen, das mit dem vergleichbar ist, welches in der Beziehung zum Kunden Gültigkeit hat: Der potentielle High Performer ist König, es geht darum, mit ihm einen persönlichen Kontakt aufzubauen und sich als sympathischen Gesprächspartner bekannt zu machen, der ihm einen Nutzen bringt.

Wenn seitens des Unternehmens akuter Bedarf besteht, wird der Kontakt intensiviert. Noch besser: Sobald sich beim Vertriebspartner Unzufriedenheit im bestehenden Arbeitsverhältnis breit macht, fällt ihm sofort der „nette Vertriebsleiter Müller ein, der mir vor einiger Zeit die doch sehr attraktiven Möglichkeiten einer Zusammenarbeit vorgestellt hat“.

Und selbstverständlich ist es erlaubt, jene Unzufriedenheit ein wenig zu schüren, um den High Performer zu einem Wechsel zu motivieren. Wichtig: Das muss nicht immer nur der Top-Verkäufer sein. Das kann auch der „geniale Einkäufer“ sein, bei dem der Vertriebsleiter sicher ist, dass er die Fähigkeit hat, die Schreibtischseite zu wechseln und sich zum kongenialen Vertriebler zu entwickeln.

Schritt 1: Akquisitionsliste zusammen stellen
Wichtigstes Akquisitionswerkzeug bei der aktiven und gestaltenden Suche nach dem idealen Vertriebspartner ist das Telefon. Der Vertriebsleiter – oder eben die Person, die mit der Akquise der High Performer beschäftigt ist – stellt eine Liste mit potentiellen Interessenten zusammen. Nahe liegend ist es, bei den Konkurrenzfirmen auf Mitarbeiterfang zu gehen. Aber auch unter den Kunden, Lieferanten und Einkäufern kann sich das Gold Nugget befinden.

Eine Möglichkeit, beim Konkurrenzunternehmen die Namen der High Performer zu erfragen, um so an neue Ansprechpartner zu gelangen, ist, dort als Kunde anzurufen, der vor kurzem bei diesem Unternehmen sehr gut beraten wurde. Dann fragt der Vertriebsleiter: „Wer könnte das denn gewesen sein? Der Herr kannte sich ganz hervorragend aus, leider habe ich die Visitenkarte verlegt … Danke für den Namen. Aber der Namen hörte sich anders an, kommt vielleicht noch jemand anders in Frage?“

Schritt 2: Zum Telefonhörer greifen
Entscheidend beim Erstkontakt ist es, die Neugierde des High Performers zu wecken. Dies gelingt, indem der Vertriebsleiter die Reputation und die Marktstellung des eigenen Unternehmens in den Vordergrund rückt sowie die Entwicklungs- und die Entfaltungsmöglichkeiten betont: „Wir suchen den Vertriebsprofi, der mit seiner Power und seinen Kompetenzen noch bessere Erfolge erzielen möchte/der eigenständig und trotzdem in einem funktionierenden Team arbeiten will/der als Selbstständiger seine Vision von absoluter Kundenorientierung verwirklichen möchte.“

Der Vertriebsleiter kann mögliche „gemeinsame Bekannte“ aus dem beruflichen Umfeld nutzen, um sich den Einstieg in das Erstgespräch zu erleichtern, oder auch Fakten ansprechen, die für einen Wechsel sprechen, etwa die eher düsteren Aussichten in der Branche des potentiellen Vertriebspartners.

Es gilt: Immer stehen der Nutzen, die Vorteile und die Entwicklungschancen des Vertriebspartners im Fokus. Der Vertriebsleiter achtet darauf, den derzeitigen Arbeitgeber nicht zu verunglimpfen – das kann kontraproduktiv wirken. Wichtiger ist die Betonung, dass der High Performer im potentiell neuen Unternehmen „noch erfolgreicher“, „noch selbstständiger“ oder „noch effektiver“ arbeiten kann.

Schritt 3: Stetig Kontakt halten und ausbauen
Ist es erst einmal gelungen, den Funken des Interesses zu entfachen, schickt der Vertriebsleiter dem Vertriebspartner in spe per Post oder Mail Informationsunterlagen zu. Nun darf er den Kontakt nicht mehr abreißen lassen: Immer wieder lässt er ihn überprüfen, ob ein Wechsel – unter gewissen Umständen – nicht attraktiv für ihn sein könnte, schickt ihm weitere Materialien zu, hält ihn auf dem Laufenden, bekundet sein ehrliches Interesse, umwirbt ihn, betont die Wichtigkeit des High Performers – aber auch die Attraktivität der eigenen Firma –, stellt ihm Nutzen und Vorteile vors geistige Auge, macht ihm Appetit auf Wechsel und Veränderung. So bereitet er sukzessive das erste Kennenlerngespräch vor.

Durch die stetige Ansprache, die in der Regel alle drei bis vier Tage, zumindest aber nach Ablauf einer Woche erneuert wird, verankert der Vertriebsleiter sich, sein Unternehmen und die Vorteilsargumentation in der Denkstruktur des Vertriebspartners. Wenn dieser dann mit seiner Situation unzufrieden ist, wird er sich mit einiger Wahrscheinlichkeit mit dem Vertriebsleiter in Verbindung setzen, der ihn seit einiger Zeit so professionell und hartnäckig umwirbt.

Der Vertriebsleiter wiederum forciert die Kontaktaufnahme, indem er vorsichtig auf Problembereiche aufmerksam macht, mit denen der High Performer konfrontiert sein könnte: „Bei uns haben Sie derzeit folgende Weiterbildungschancen und damit Aufstiegsmöglichkeiten …“

Schritt 4: Professionelle Gesprächsgestaltung
Der Fisch hängt an der Angel – der Vertriebsleiter hat anscheinend den Köder gefunden, der dem Fisch schmeckt, der Termin ist vereinbart. Spätestens jetzt muss der Vertriebsleiter die Motivationsstruktur des High Performers kennen und genau wissen, was ihm am wichtigsten ist: materielle Werte, Status, Macht, Verantwortung.

Unverständlicherweise stellen viele Unternehmen just zu diesem Zeitpunkt ihre professionellen Bemühungen ein. Der Grund: Sie glauben, die Vertragsunterschrift sei nur noch eine Formalität. Doch das ist ein Irrtum: Die beim High Performer geweckten Erwartungen müssen weiterhin erfüllt, ja übertroffen werden.

Das reicht von eher unscheinbaren Dingen – so sollte die Terminbestätigung per Brief erfolgen, um die Wertigkeit des Kontaktes zu unterstreichen – bis hin zur Gestaltung des Treffens: Dabei bringt der Vertriebsleiter durch das Ambiente, die hierarchische Position der Gesprächsteilnehmer und die Präsentation des Unternehmens die Wertschätzung zum Ausdruck, die man dem Vertriebspartner entgegenbringt.

Schritt 5: Kleine Geschenke erhalten den Kontakt
Entscheidend ist, dass durch das persönliche Gespräch eine Beziehung personalisiert, ein Vertrauensverhältnis aufgebaut und ein Kontakt gefestigt wurde, der nun nicht mehr so schnell abreißen kann. Trotzdem wird der Kontakt vom Vertriebsleiter intensiv gepflegt: Er schickt dem Vertriebspartner eine Mail – oder wiederum einen persönlichen Brief – zu und lässt ihm nutzenrelevante Informationen und kleinere Aufmerksamkeiten zukommen. Hat er im Gespräch von Hobbys oder von Themen erfahren, die dem High Performer besonders am Herzen liegen, kann er mit den kleinen Geschenken, die die Freundschaft aufbauen und erhalten, darauf eingehen.

Und vielleicht klingelt dann eines Tages beim Vertriebsleiter das Telefon: „Hallo, Herr Müller, ich komme auf Ihr Angebot zurück …“

Das Image des Unternehmens
„Employer Branding“ heißt das Konzept, nach dem sich Unternehmen als „Arbeitgebermarke“ profilieren und ihre Qualität und Einzigartigkeit artikulieren, um ein Sogwirkung auf die High Performer auszuüben. Dazu erhöhen sie ihren Bekanntheitsgrad und bauen ein positives Image auf. Außerdem beantworten sie die Frage: „Was können wir tun, damit das Unternehmen attraktiv für den High Performer ist?“

Gerade für hoch qualifizierte Mitarbeiter sind nicht allein die materiellen Vorteile anziehend, sondern die Werte des „neuen“ Unternehmens. Arbeitsklima, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten, mitarbeiterorientierter Führungsstil: Stimmen die Werte des Vertriebspartners mit denen des Unternehmens weitgehend überein, wächst die Wahrscheinlichkeit einer Partnerschaft.

Lothar Stempfle ist Diplom-Betriebswirt und leitet seit 1993 die „Stempfle Unternehmensentwicklung durch Training“ in Erlenbach. Er ist Experte für Neukundenakquisition, Verkauf und ganzheitliche Vertriebssteuerung.

www.stempfle-training.de