von Stefan Müller
Viele Firmen haben daher begonnen, Controlling-Instrumente für den Vertrieb einzuführen. Dabei handelt es sich meistens um Software, die auf Business Intelligence-Technologien (BI) basiert, also alle vertriebsrelevanten Daten sammeln kann und Analysen und Berichte ermöglicht. Auf Basis finanzieller Kennzahlen wie Umsatz oder Deckungsbeitrag, aber auch qualitativer Messgrößen wie beispielsweise der Kundenzufriedenheit werden Entscheidungen zur Steuerung des Unternehmens getroffen. Zum Beispiel kann der Deckungsbeitrag einer Produkt- oder einer Kundengruppe in Kombination mit weiteren Informationen aus dem Kennzahlensystem eine Indikation für Investition oder Desinvestition sein.
Der Markt für BI-Software ist groß. Neben bekannten Anbietern, die ihre Produkte auf Basis von konventionellen Lizenzen vertreiben, gibt es seit einiger Zeit auch alternative Ansätze im Open Source-Bereich. Wie wir in einer für Kunden durchgeführten Studie festgestellt haben, lohnt sich der Einsatz quelloffener Software nicht nur wegen der teils deutlich niedrigeren Kosten. Der größte Vorteil für Unternehmen liegt darin, dass sie eine hohe Flexibilität erhalten, wo es um die Anpassung an neue oder geänderte Bedingungen oder die Umsetzung von ganz speziellen Anforderungen geht. Ein weiterer Pluspunkt: Es gibt kein Risiko, eine weitere Insellösung eingeführt zu haben, weil Open Source-Software – das technische Know-how vorausgesetzt – an vorhandene Anwendungen schnell und kostengünstig angebunden werden kann.
Was wird aber von einem effizienten Vertriebscontrolling gefordert? Führen wir uns die Ist-Situation vor Augen: Um ihre Kennzahlen zu generieren, muss die Controlling-Abteilung die Daten meistens nicht nur aus dem Enterprise Resource Planning (ERP)-System holen, sondern aus vielen verschiedenen Systemen, die oft nicht miteinander kompatibel sind. Je nach Branche kommen da große Datenmengen zusammen. Diese sollen effizient verarbeitet werden. Abhängig von der Vertriebsorganisation kann es nötig sein, eine Vielzahl von Berichten an einen großen und überregionalen Empfängerkreis zu verteilen. Auch möchte man neben einem Standardberichtswesen möglichst flexible und individuelle Analysemöglichkeiten haben, um Chancen und Risiken zu erkennen.
In der Studie haben wir zwei Vertreter von Open Source BI-Software unter die Lupe genommen und evaluiert, wie gut sie die Anforderungen an ein Vertriebscontrolling erfüllen. Getestet wurden die BI-Suiten des amerikanischen Unternehmens Pentaho und der deutschen Softwareschmiede Jedox. Da sich der technologische Ansatz der beiden Suiten unterscheidet, eignen sie sich aus unserer Sicht besonders gut für einen Vergleich. Zur Gegenüberstellung der Funktionalität der beiden Lösungen haben wir drei Kriterien herangezogen: Möglichkeiten zur Integration von Daten aus verschiedenen Vorsystemen, Funktionalitäten für den Aufbau eines Berichtswesens und Umfang der Analysefunktionalitäten.
Die Unterschiede zeigen sich gleich beim ersten betrachteten Kriterium, der Integration der Daten aus den unterschiedlichen Quellen: Pentaho bietet ein grafisches Designwerkzeug zur Definition der sogenannten Extraktion-, Transformation- und Ladeprozesse (ETL). Es gibt Konnektoren zu allen gängigen Datenbanken (darunter SAP) und Fileformaten sowie viele Transformationsmöglichkeiten. Wem das nicht reicht, kann das Tool selbst über Plugins funktional erweitern. Das ETL-Werkzeug von Jedox ist vollständig webbasiert, sodass die ETL-Prozesse im Browser definiert werden können. Auch hier gibt es viele Konnektoren und vorgefertigte Transformationsschritte. Die amerikanische Schwester hat jedoch die Nase vorn, da Pentaho mehr Out-of-the-box-Funktionalität und durch die grafische Oberfläche eine höhere Benutzerfreundlichkeit bietet.
Hinsichtlich des zweiten Kriteriums, der Umsetzung eines Berichtswesens, bietet Pentaho verschiedene Möglichkeiten: Um ein Standberichtswesen aufzubauen, kann der leistungsstarke Reportdesigner genutzt werden. Adhoc-Berichte lassen sich ähnlich einfach erstellen, technische Kenntnisse sind nicht nötig. Dashboards, die die wichtigsten Kennzahlen visualisieren, kann man einfach im Webbrowser darstellen. Jedox setzt mit dem Excel-Ansatz auf eine ganz andere Schiene: Als Frontend für die Berichtserstellung dient Microsoft Excel. Damit können zwar Controller ihre lieb gewonnene Arbeitsumgebung beibehalten. Für die Visualisierung und Formatierung der Inhalte eines Berichts stehen jedoch nur die in Excel vorhandenen Funktionalitäten zur Verfügung. Eine Alternative zur lokalen Installation ist die webbasierte Exceloberfläche Palo Web. Sie wird interessant, wenn Berichte zum Beispiel über das Intranet verteilt werden sollen.
In Bezug auf das dritte Kriterium, die Funktionalität im Bereich der Analyse nutzt Pentaho relationales OLAP, das auf einer entsprechenden Datenbank basiert und auch große Datenmengen verarbeiten kann. Jedox Palo hingegen verwendet eine proprietäre Datenbank mit einem multidimensionalen Ansatz. Der Vorteil: Effiziente, analyseorientierte Speicherstrukturen und gute Antwortzeiten. Wer Planungsanwendungen umsetzen möchte, sollte sich Palo näher anschauen: Mit dem Tool können Daten aus dem Frontend direkt in den Datenwürfel geschrieben werden.
Fazit: Beide Lösungen haben in der Untersuchung unter Beweis gestellt, dass sie die Anforderungen an ein Vertriebscontrolling erfüllen. Sowohl Pentaho als auch Jedox Palo bieten – mit unterschiedlichen technologischen Ansätzen – die Möglichkeit, die eingangs beschriebenen Kennzahlensysteme zur Steuerung des Vertriebs zu realisieren. Die zur Kennzahlenberechnung notwendigen Daten können aus vielfältigsten Vorsystemen extrahiert und aufbereitet werden. Das aufsetzende Berichtswesen zur Verteilung der Steuerungsinformationen – auch an große Empfängergruppen – kann mit beiden Lösungen effizient umgesetzt werden. Schließlich werden dem Controlling noch leistungsstarke Analyseinstrument bereitgestellt, die es erlauben, die Kennzahlen aus unterschiedlichen betriebswirtschaftlichen Perspektiven zu betrachten. Die Stärken von Pentaho liegen dabei deutlich im Bereich der Datenintegration und bei den vielfältigen Optionen im Berichtswesen. Palo kann in Sachen Analyse und Fachanwenderorientierung durch das Excel-Frontend überzeugen. Es ist daher empfehlenswert, die jeweilige Lösung klar anhand der eigenen Bedürfnissen auszuwählen: Brauche ich ein leistungsfähiges Berichtswesen, sind mir Analysefunktionen wichtiger oder bestehe ich auf meinem Excel als Arbeitsoberfläche?
Da beide Lösungen nur einen Bruchteil dessen kosten, was eine proprietäre Alternative kostet, ist aus unserer Sicht auch eine Kombination aus beiden denkbar: Durch die Integration von Pentaho und Palo in eine BI-Architektur werden die Stärken der beiden Lösungen miteinander kombiniert, sodass man Pentaho im Bereich Datenintegration und Reporting einsetzt, während die Datenwürfel für Analyse und Planung mit Palo realisiert werden. Auf diese Weise erhält man eine äußerst leistungsstarke Gesamtapplikation für das Controlling der vertrieblichen Aktivitäten.
Über den Autor:
Stefan Müller ist Diplom-Kaufmann und kommt aus den Bereichen Governance & Controlling und Sourcing Management. Aktuell arbeitet er als Senior Consultant Business Intelligence für die IT-Novum GmbH
und beschäftigt sich dort mit dem Thema Business Intelligence, insbesondere im Open Source-Bereich.