Volkswagen ist nach der Diesel-Affäre unter massivem Kostendruck geraten. Jetzt bekommt dies die Media-Branche zu spüren. Laut Medienberichten und des Werbeexperten Thomas Koch fordert die neue Mediagentur des Wolfsburger Autobauers Volkswagen von Zeitungen, Zeitschriften & Co Rabatte für Werbung von 70 bis 80 Prozent. Bislang waren es angeblich 50 bis 60 Prozent. Glauben Sie, dass Volkswagen durch Dieselgate den Rabattdruck in der Vermarktung verstärkt hat?
ULI BELLIENO: Ob mit oder ohne Dieselgate. Generell steigt der Rabattdruck im Media-Markt immens. Indiz hierfür ist die große Zahl an Einkaufspitches, die zurzeit im Markt laufen. Volkswagen ist durch Dieselgate in der Krise. Die dafür noch anfallenden Kosten sind kaum abschätzbar. Insofern könnte dies durchaus ein weiterer Grund für den gestiegenen Rabattdruck sein.
Volkswagen hat jahrelang mit der Mediaagentur Mediacom zusammengearbeitet und ist jüngst zu PHD gewechselt. In der Branchen wird spekuliert, dass PHD nur den Zuschlag für den VW-Deal bekommen hat, wenn die Agentur höhere Preisnachlässe bei den Werbekunden rausschlägt. Hat ein ruinöser Preiswettbewerb unter den Mediaagenturen eingesetzt, nur um Marktanteile zu gewinnen?
Die Entscheidung von Volkswagen von Mediacom zu phd zu wechseln ist in der Branche mit Kopfschütteln aufgenommen worden und lässt sich nur mit extremen Rabattzusagen seitens phd nachvollziehen. Für Deutschland betrachtet macht dieser Wechsel überhaupt keinen Sinn. Denn warum sollte eine mit der Arbeit der Media-Agentur hochzufriedene Marketing Abteilung mit einer gewohnt intensiven Betreuung durch ca. 150 erfahrenen Mediacom/Group M Mitarbeiter zu einer „Kleinagentur“ wechseln wollen, die in Deutschland zu dem Zeitpunkt einen Personalbestand von insgesamt ca. 80 Mitarbeitern aufgewiesen hat. Und die seit dem Etatgewinn nach wie vor mit extremen Köderangeboten im Markt herumläuft, um ihre personellen Lücken aufzufüllen. PHD dürfte dieser Etatgewinn teuer zu stehen kommen; denn neben wahrscheinlich „utopischen“ Rabattzusagen sind auch überhöhte Gehälter für neues Personal zu zahlen, das auf dem leer gefegten Markt schwer zu akquirieren ist.
Volkswagen vergibt einen der größten Werbeetats in Deutschland. Gehen Sie davon aus, dass andere Hersteller von Markenartikeln dem Vorbild des Autobauers folgen und ebenso hohe oder sogar höhere Preisnachlässe von ihren Mediaagenturen verlangen?
Da braucht es nicht das Vorbild von VW. Die meisten Werbungtreibenden versuchen, ihre Konditionen zu maximieren. Und die gehen mit jedem Einkaufspitch meist weiter nach unten, da neben den allgegenwärtigen Spekulationen auch eine ganze Reihe von „Medialeaks“ im Markt herumlaufen. Zudem treiben quantitativ orientierte Auditoren und Berater die Preisspirale weiter nach unten.
Die Autoindustrie und Handelskonzerne wie Aldi und Lidl sind einer der größten Werbetreibenden. Ist der Rabattdruck in einigen Branchen größer?
Traditionell ist der Druck dort am größten, wo Einkäufer das Spiel nach ihren Regeln bestimmen. Das ist durchaus branchenunabhängig zu sehen.
Leidtragende des ruinösen Preiswettbewerbs bei den Vermarktungspreisen sind besonders Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Ist die Medienvielfalt in Gefahr, weil sich Printprodukte durch rückläufige Anzeigenerlöse immer schlechter finanzieren lassen?
Betroffen sind hier alle Mediengattungen. In erster Linie aber schwache Medien, die der Markt nicht unbedingt als Werbeplattform benötigt. Insofern beschleunigt die Preisspirale eine Entwicklung, die ohnehin in Bewegung ist. Medien mit starker Nutzung und werberelevanten Zielgruppen haben hier weniger zu befürchten als strategisch „überflüssige“ Medien, die keiner in seinem Mediaplan braucht. Allerdings erhalten diese wiederum durch „schiefe“ Mediapläne eine Chance, überhaupt in Mediapläne aufgenommen zu werden. Dieses Phänomen ist insbesondere bei TV zu beobachten, wo sich plötzlich Kleinstsender inflationär in Mediaplänen wiederfinden, die eindeutig Einkaufsgetrieben zusammengestellt wurden.
Sehen Sie eine Chance, dass Verbände wie BDZV und VDZ auf Mediaagenturen einwirken, um den Preisdruck entgegen zu wirken?
Die Chance sehe ich nicht. Der Preisdruck kann nur durch entsprechendes Handeln der Marktpartner reduziert werden. Die Medien müssten mehr Rückgrat in der Vermarktung zeigen und nicht jeder Forderung nachgeben. Die Kunden müssten das Heft des Handelns wieder stärker ins Marketing verlagern und beim Einkauf primär auf Qualität und weniger auf Quantität achten. Dazu müssten sie Ihr Media Planungs-Knowhow verstärken und die strategischen Zusammenhänge durchschauen. Und die Agenturen müssen stärker mit ihren in Einkaufs-Pitches gemachten Versprechungen auf die Schnauze fallen und den Schaden selber begleichen müssen. Dann würden sie weniger aggressiv in die Pitches hineingehen und mit Beratung punkten müssen.
Erhöhen die massiven Preisnachlässe den Druck auf die Verlage, sich nach alternativen Geschäftsmodellen – wie den Verkauf von Konsumgütern – umzuschauen?
Das mag sein. Verlagsseitig wird das Suchen nach alternativen Erlösquellen aber aus meiner Sicht primär durch das Wegbrechen der klassischen Printnutzung getrieben. Es gibt nach wie vor zu viele in die Jahre gekommene Titel, die sich immer schlechter verkaufen.
Jüngst wurde die 9. GWB-Novelle verabschiedet, die den Verlagen mehr Gestaltungsfreiräume bei Vermarktungsallianzen einräumt. Beschleunigt der Rabattdruck Zusammenschlüsse im Anzeigenbereich?
Zusammenschlüsse im Anzeigenbereich sind sinnvoll und notwendig. Und unter anderem auch ein Mittel, um überzogenen Rabattforderungen gestärkt entgegen zu gehen.