Unternehmenssprecherin spricht als Zeugin über Feste und Events bei Ruzicka

Die 6. Strafkammer des Landgerichts Wiesbaden hat die Initiative ergriffen. Richter Jürgen Bonk bat beim Finanzamt Wiesbaden um Einsicht in den Akt vom Steuerstrafverfahren gegen Aleksander Ruzicka. Offenbar mit dem Ziel, die Geldflüsse zu Ruzickas Firmen Camaco und Watson, sowie von dort zu Auftragsnehmern nachvollziehen zu können.

Diese Geldflüsse im Ausmaß von 51,2 Millionen Euro sind Gegenstand der Anklage gegen Aleksander Ruzicka. Im Januar hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass der Inhalt des Steuerstrafaktes für diesen Prozess keine Relevanz hätte. Aus den von einem Steuerfahnder vorgelegten Aktenteilen ergaben sich tatsächlich Details über die Verwendung der bei Aegis Media angeblich veruntreuten Millionen.

So zum Beispiel für vielfältige Einladungen, Events und Feste aller Art. Jährliches gesellschaftliches Highlight: Sommersonnenwendfeste im damaligen Anwesen von Aleksander Ruzicka am noblen Wiesbadener Sonnenberg. Auch am Samstag 25.Juni 2005 – nur wenige Tage vor der ersten Anzeige von Aegis Media gegen Ruzicka vom 5.Juli 2005. Trotz 39 Absagen erschienen 152 illustre Gäste aus Medien, Wirtschaft, Politik und Showbusiness.

Auf der Gästeliste befinden sich Persönlichkeiten von Firmen wie Gruner & Jahr, ZDF, CDU, FDP, n-tv, Boehringer Ingelheim, Tony Guard, R+V Versicherung, Bilfinger & Berger, BBDO, Volksbank, Commerzbank, ZHP, Ströer, Burda, Linde, IBM, Western Star, Shiseido und Thomas. Die meisten Gäste sind Kunden, Geschäfts- oder Medienpartner von Aegis Media. Zum Beweis, dass es sich auch dabei um eine Firmenveranstaltung im Auftrag und Interesse von Aegis Media gehandelt hatte, wurde überraschend die Unternehmenssprecherin von Aegis Media, Judith Weiand, in den Zeugenstand gerufen.

Grund: wie sich aus dem Steuerakt Ruzicka und darin enthaltener E-Mail-Korrespondenz ergibt, hatte sich Judith Weiand beispielsweise am 9. Juni 2005 um die Organisation eines solchen Sommersonnenwendfestes bemüht, jedoch im Namen einer PR- und Eventagentur namens Hartmann Promotion. Nach eigenen Angaben ist Weiand bis heute Partner bei Hartmann Promotion. Diese Agentur hat mindestens ein Event betreut, das im Haus von Aleksander Ruzicka veranstaltet wurde.

Zu diesem Zeitpunkt war Judith Weiand bereits Unternehmenssprecherin. In Abstimmung mit einem Edelgastronom in Wiesbaden stellte sie gegen „unverändertes Honorar“ Personal zur Verfügung und organisierte den Ablauf der „Veranstaltung bei A. Ruzicka“. Der Zeuge und Edelgastronom G. hatte zuvor selbst ausgesagt. Für ihn seien die diversen Veranstaltungen im Haus von Ruzicka ganz klar Firmenanlässe gewesen. Das habe sich für ihn aus den Gästelisten ergeben. Seine Abrechnungen in Höhe von jeweils rund 80 000 Euro habe er entweder an Ruzickas Firmen Camaco und Watson oder direkt an Aegis Media gestellt.

Vom Richter mit diesen Fakten konfrontiert, sagte Judith Weiand aus, dass für sie eindeutig ersichtlich gewesen sei, dass es sich um eine private Veranstaltung von Aleksander Ruzicka gehandelt habe. Immerhin habe er gemeinsam mit seinem Lebenspartner die Gäste empfangen, so Weiand. Den Großteil der Gäste habe sie nicht gekannt. Natürlich könne es Überschneidungen zwischen privaten und beruflichen Kontakten geben, räumte Weiand ein. So fanden sich neben Judith Weiand auch weitere 13 leitende Aegis-Manager aus dem In- und Ausland unter den Gästen. Nur wenige Tage bevor Ruzicka von Aegis Media erstmals angezeigt wurde.

Judith Weiand wollte weder in ihrer Funktion als Unternehmenssprecherin von Aegis Media noch als Partnerin bei Hartmann Promotion genaue Nachfragen beantworten. Auch nicht dazu, ob eine Erlaubnis zu Nebentätigkeiten bei leitenden Mitarbeitern von Aegis Media üblich sind. Die von Ruzicka im Interview mit abatzwirtschaft vom September 2007 gemachten Äußerungen zu Aktivitäten im Rahmen seiner Nebentätigkeitserlaubnis, hatte Weiand dagegen in ihrer Funktion als Pressesprecherin der Aegis Media als „unwahr, irreführend und in keiner Relevanz zu den Vorwürfen“ bezeichnet.

Am Dienstag folgte die Aussage des ehemaligen Controllers der Barterfirma Emerson FF. Über Emerson FF soll ein Großteil der veruntreuten Gelder geflossen sein. Aegis Media soll Scheinrechnungen von Emerson FF für Freispots bezahlt haben, die der Mediaagentur bereits gehörten. Die Emerson Gruppe habe damals 90 Prozent ihrer Barterdeals mit Aegis Media gemacht. Laut dem Zeugen Holger G. hätten sich ihm die Vorgänge um Emerson FF erst sehr spät erschlossen. Aus Buchungsvorgängen will er erkannt haben, dass die Firmen Camaco und Watson Freispots eingekauft hätten, die über Emerson FF an Aegis Media weiterberechnet wurden.

Anfang des Jahres 2006 habe er vom Geschäftsführer der Emerson FF, Joachim L., die Anweisung erhalten, sämtliches Datenmaterial mit Stichtag 31.Dezember 2005 zu vernichten, das Emerson FF in Verbindung mit Aegis Media oder den Firmen Camaco und Watson aber auch Aleksander Ruzicka selbst bringen könnte. Angeblich hat der Zeuge Holger G. Akten entsorgt, Telefonnummern gelöscht und sogar eine Festplatte physisch vernichtet.

Dies soll bereits ein dreiviertel Jahr vor den Hausdurchsuchungen passiert sein und einige Monate bevor die Ermittlungen seitens der Staatsanwaltschaft Wiesbaden in Gang kamen. Ein ehemaliger Mitarbeiter von Emerson FF habe sich zuvor an Ruzicka gewandt, so der Zeuge. Das nährt den begründeten Verdacht, dass das Vorliegen der zunächst anonymen Anzeige vom Juli 2005 den Beschuldigten bekannt war. Wie berichtet soll Aleksander Ruzicka kurz vor den Hausdurchsuchungen im September 2006 eine Liste für den Fall verfasst haben, dass er nicht mehr handlungsfähig wäre.

Dort soll beispielsweise festgelegt sein, Aegis Media wegen Rufschädigung zu verklagen. Am kommenden Montag muss sich Holger G. den Fragen von Ruzickas Verteidiger Marcus Traut stellen. Bevor das Gericht in die dreiwöchigen Herbstferien geht, wird der Global CEO von Aegis Media, Jerry Buhlmann, ebenfalls am Montag um 11 Uhr per Videokonferenz als Zeuge vernommen. mz