Ubers steiniger Weg zum Erwachsenwerden

Dieses Jahr hat es für Uber in sich: Das Unternehmen ging an die Börse, enthüllte mutige Wachstumspläne und musste schließlich den größten Nettoverlust aller Zeiten verbuchen – 5,2 Milliarden Dollar im zweiten Quartal 2019, gefolgt von Entlassungen. Anfang November werden die Ergebnisse für das dritte Quartal veröffentlicht. Ein Zwischenfazit von Alyssa Altman.
Auf Schlingerfahrt: Die Börsenneulinge Uber, Lyft & Co (© Thought Catalog / Unsplash)

Von Alyssa Altman

In Anbetracht frustrierter Anleger und gesunkener Aktienwerte ist mittlerweile jedem klar, dass auch bei Uber die monetären Mittel begrenzt sind. Diese Einsicht kommt spät. Und das, obwohl die Geschäftsführung unter CEO Dara Khosrowshahis bereits vor dem Börsengang im Mai dieses Jahres eingestand, dass man möglicherweise niemals die Gewinnzone erreichen würde. Die bisherige Strategie lautete, die massiven Verluste – vor allem im unprofitablen Ride-Hailing-Kerngeschäft – immer durch weitere Investitionen kaschieren. Der jüngste Schritt, die Bilanz durch Entlassungen auszugleichen, ist bedauerlich, aber nicht überraschend.

Horizontale Expansion: Neue Angebote für alle Lebensbereiche

Mit der zunehmenden Bedrohung durch Wettbewerber wie Lyft in den USA und Bolt in Großbritannien expandierte Uber aggressiv in neue Länder und investierte in neue Produkt- und Service-Angebote, um integraler Bestandteil des täglichen Lebens der Verbraucher zu werden. Beispiele hierfür sind Uber Chopper zur Beförderung mit dem Helikopter und der Essenlieferdienst Uber Eats. Zudem engagiert sich das Unternehmen stark bei der Integration selbstfahrender Technologien in das Geschäft. Ubers Kosten stiegen damit um 147 Prozent auf atemberaubende 8,7 Milliarden Dollar im zweiten Quartal des Jahres.

Insbesondere auf das Themenfeld autonome Fahrzeuge setzen die Verantwortlichen große Hoffnungen – diese sollen künftig die Basis der gesamten Angebotspalette bilden. Dass das bald Realität wird, steht aber noch in den Sternen, hängt die weitere Entwicklung doch von diversen Faktoren ab, die außerhalb der Kontrolle des Unternehmens liegen. Für fahrerlose Autos mangelt es beispielsweise weltweit an der erforderlichen Infrastruktur. Die Tatsache, dass auch die Abteilung „Autonomes Fahren“ von den jüngsten Kündigungen betroffen ist, erleichtert das Vorhaben auch nicht gerade.

Lieferung von Lebensmitteln als lukratives Geschäft

Am vielversprechendsten der neuen Services scheint Uber Eats, das nach nur drei Jahren am Markt in der ersten Hälfte dieses Jahres über eine Milliarde US-Dollar einbrachte und einen Umsatzanstieg von 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr verbuchen konnte. Verglichen damit wuchs das Ride-Hailing-Geschäft nur um magere sechs Prozent. Im Gegensatz zur Vision fahrerloser Autos könnte Uber Eats kurzfristig den Unternehmensgewinn steigern. Der Wettbewerb in diesem Bereich ist jedoch hart und die Werbekosten, um Marktanteile zu gewinnen, werden weiter steigen. Dennoch ist die Lieferung von Lebensmitteln ein lukratives Geschäft, wenn man es richtig angeht.

Start-up-Krankheit zu schnelles Wachstum

Wie viele Unicorns hat Uber ein elementares Problem: Die Unternehmensführung sowie die Investoren wollten zu schnell zu viel. Langfristig ist die Idee von Uber, die Welt der Mobilität grundlegend zu verändern. Dem entgegen steht jedoch die kurzfristige Denkweise des Managements, das sich zu sehr auf schnelle Skalierung und Wachstum konzentriert hat. Mit großen Ambitionen trieben Entscheider Innovationen voran, um zusätzliche Einnahmequellen zu schaffen. Vergessen haben sie nur, eine robuste, tragfähige und skalierbare Organisationsstruktur aufzubauen. Das Unternehmen wuchs und expandierte, ohne Rücksicht auf mögliche Konsequenzen für das eigene Geschäft.

Es ist an der Zeit, dass Uber erwachsen wird. Jetzt, da man rund ein Prozent der Mitarbeiter entlassen beziehungsweise verlagert hat, ist der Schlüsselmoment dafür gekommen. Die Verantwortlichen haben erkannt, dass sie sich wieder auf die Kernthemen des Unternehmens konzentrieren und eine einfache Frage stellen müssen: „Was würden wir tun, wenn wir wieder bei null anfangen würden?“ Ein konsequenter Fokus, denn die Aufgabe weniger profitabler Geschäftsfelder und die Straffung des Personals sind unabdingbar für den Versuch, künftig eine ausgeglichene Bilanz und organisches Wachstum zu erreichen.

Den Blick nach innen richten: Mitarbeiter, Kerngeschäft und Strukturen

Das Streben nach „neuer Normalität“, wie Dara Khosrowshahis es in einer Email an die Mitarbeiter nennt, erfordert einen unglücklichen, aber notwendigen Preis. Die strategischen Entlassungen sind ein Zeichen dafür, dass die Verantwortlichen bei Uber nun die erforderlichen strukturellen Anpassungen einleiten, die bisher versäumt wurden.

Eines ist klar: Für die arbeitslos gewordenen Mitarbeiter ist das Erwachsenwerden des Unternehmens kein Trost. Man kann nur hoffen, dass die schmerzhaften Einschnitte nicht umsonst waren. Während durch die Umstrukturierung unweigerlich Kosten reduziert werden, sollte das Management jedoch nicht vergessen, dass das Produkt eines Unternehmens nur so gut ist wie seine Mitarbeiter. Für den künftigen Erfolg ist es unerlässlich, deren Wohl zu priorisieren.

Uber hat große Ambitionen und eine Vision für die Zukunft. Ob diese profitabel auch Realität werden kann, muss sich erst noch zeigen.

Alyssa Altman ist Senior Vice President und Industry Lead Transportation & Mobility für Nordamerika bei Publicis Sapient

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