Trends in der digitalen Medienwelt

Die klassischen Medien behaupten sich bei den Frauen. Die Männer wandern ins Netz.

Autor: Dr. Johannes Schneller

Zunächst zu den Fakten: 1998 lag die Internetquote der 14- bis 64-Jährigen bei zwölf Prozent, heute sind 81 Prozent erreicht. Drei Viertel verfügen zu Hause über einen breitbandigen, schnellen Internetzugang. Die überwiegende Mehrheit ist länger als eine Stunde pro Tag im Netz. Allerdings räumen Männer dem Internet einen höheren Stellenwert ein als Frauen. Unverzichtbar für die tägliche Information erscheint das Internet knapp der Hälfte der Männer, aber nur einem Drittel der Frauen. Diese Entwicklung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Nutzungsintensität. In der Regel setzen es beide gezielt ein. Aber Männer tendieren öfter als Frauen dazu, auch einfach mal im Netz herumzusurfen und neue Seiten auszuprobieren.

Die Nutzungsmuster spiegeln die unterschiedlichen Interessenlagen wider. Im Netz sind Geldanlage und Börse, Sportnachrichten, Auto- und Computerthemen sowie moderne Telekommunikation und Unterhaltungselektronik ausgesprochene Männerthemen. Häufiger als die weiblichen Kollegen verfolgen sie über das Internet das aktuelle Fernsehoder Radioprogramm, telefonieren darüber, rufen Videos ab und laden Musikdateien herunter. Umgekehrt werden Angebote in den Themenfeldern Gesundheit, Wohnen und Einrichten sowie Mode und Accessoires überwiegend von Frauen aufgerufen. Beide lesen in erheblichem Umfang die Beiträge anderer im Netz. An der Spitze stehen Videos und Filmclips auf Plattformen wie Youtube, die sich 65 Prozent der unter 65-jährigen Männer und 53 Prozent der Frauen in dieser Altersspanne zumindest gelegentlich ansehen. Kritiken und Kommentare zu Büchern, Filmen oder CDs lesen 50 Prozent der Männer und 47 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe zumindest gelegentlich. Viele lesen Blogs oder besuchen Diskussionsforen (45 Prozent der Männer und 35 Prozent der Frauen).

Der eigene regelmäßige Contentbeitrag bleibt ein eng begrenztes Minderheitenphänomen. Jeweils höchstens fünf Prozent der unter 65-jährigen Männer und Frauen stellen häufiger Fotos ins Netz, um sie anderen zugänglich zu machen, verfassen Kommentare in Diskussionsforen, in Blogs oder betreiben eine eigene, häufig aktualisierte Homepage. Der Kreis derer, die regelmäßig Bewertungen abgeben, Testberichte schreiben, Kritiken zu Büchern, Filmen oder CDs verfassen oder Lexikonbeiträge schreiben und so zum Wachstum beispielsweise von Wikipedia beitragen, ist mit jeweils höchstens zwei Prozent noch kleiner.

Kommunikation im Netz hat für viele Internetnutzer und ganz besonders für die Jüngeren eine große Bedeutung. Von den 14- bis 19-jährigen Männern halten 31 Prozent und von den gleichaltrigen Frauen sogar 38 Prozent Kontakte im Internet für ebenso wichtig wie ihre persönlichen Beziehungen außerhalb des World Wide Webs. Für einen ähnlich großen Kreis der Teens ist das Internet zudem ein Mittel gegen Einsamkeit. Wenn sie sich mal alleine fühlen, suchen sie (Männer: 35 Prozent, Frauen: 39 Prozent) den virtuellen Kontakt.
In den vergangenen beiden Jahren ist der Anteil der User, die Mitglied in einem sozialen Netzwerk sind, in allen Altersgruppen deutlich angestiegen. Am höchsten ist er bei den Teens und Twens. Von ihnen haben sich bereits 72 Prozent beziehungsweise 66 Prozent bei Facebook, den VZ Netzwerken oder anderen Communitys registriert. Die Beteiligung an sozialen Netzwerken ist dabei völlig unabhängig vom Geschlecht. So setzt sich das Publikum der großen Netzwerke wie Facebook, StudiVZ, MeinVZ, SchülerVZ oder Werkennt-wen je zur Hälfte aus Männern und Frauen zusammen. Lediglich bei einigen kleineren Communitys sowie bei Myspace und Xing zählen überwiegend Männer zu den Nutzern. Die sozialen Netzwerke führen zu einer Veränderung der Muster der Internetnutzung. Wer Mitglied in einer Online-Community ist, ist öfters und länger im Web als Nicht-Mitglieder.

Das Internet avanciert zur medialen Schaltzentrale. Für 40 Prozent der Männer im Alter von 14 bis 64 Jahren zählen die aktuellen Informationsangebote im Netz zu den wichtigsten Quellen, wenn man sich über das aktuelle Geschehen informieren möchte. Damit rangiert das Internet hinter dem Fernsehen (73 Prozent) und der Tagespresse (47 Prozent), aber schon vor dem Radio (33 Prozent).
Bei den Frauen ergibt sich ein anderes Bild: Nur 28 Prozent zählen das Internet zu den wichtigsten Informationsquellen; Fernsehen (75 Prozent), Zeitungen (47 Prozent) und Radio (37 Prozent) messen sie einen höheren Stellenwert bei. Generell ruft die Mehrheit die Informationen sporadisch ab. Nur eine Minderheit liest täglich Nachrichten oder aktuelle Wirtschaftsmeldungen. Dies erklärt, warum das Internet trotz der hohen subjektiven Bedeutung hinter den klassischen tagesaktuellen Medien rangiert. 30 Prozent der Männer und 17 Prozent der Frauen unter 65 Jahren informieren sich an einem Durchschnittstag im Internet; deutlich weniger als in Fernsehen, in den Zeitungen und im Radio.

22 Prozent der 14- bis 64-Jährigen sind auch mobil im Web unterwegs. Bis 2008 war die Dynamik von der zunehmenden Verwendung und Vernetzung von Laptops geprägt. In den vergangenen zwei Jahren aber hat sich die Zahl der mobilen Nutzer, die mit dem Handy/Smartphone ins Netz gehen auf aktuell zwölf Prozent jeweils verdoppelt. Diese Early Adopter tragen alle Kennzeichen einer technischen Avantgarde, wozu auch der weit überdurchschnittliche Männeranteil von 68 Prozent gehört. Zu den Schwerpunkten der mobilen Internetnutzung auf dem Smartphone zählen aktuelle und enzyklopädische Informationen sowie Informationen, die den spezifischen Unterwegs-Bedarf widerspiegeln. Hinzu kommen Kommunikation und Unterhaltung. Ein typisches Bild dabei ist, dass es mal wieder die Männer sind, die technisch experimentierfreudiger sind als ihre Kolleginnen.

Über den Autor:
Dr. Johannes Schneller ist Leiter Mediaforschung beim Institut für Demoskopie Allensbach.