Telekom hat Organisationschaos wohl begünstigt

Die Deutsche Telekom hat einen gigantischen Vertriebsapparat mit unzähligen Subunternehmern und Callcentern aufgebaut, um den Kundenschwund zu stoppen. Informationen der Wirtschaftswoche aus staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten zufolge entglitt das System aber über weite Strecken der Kontrolle, sodass sich Abzocker bedienten, Partnerfirmen pleite gingen und Millionen von Kundendaten in falsche Hände gerieten.

Danach steht Telekom-Vorstand Manfred Balz am Anfang einer schwierigen Mission, deren Ausgang niemand abschätzen könne. Noch kurz vor Weihnachten habe er umfangreiche Aufräumarbeiten bei dubiosen Callcentern und anderen Vertriebspartnern der Deutschen Telekom angekündigt. Auch wolle Balz dem Vorstand einen 34-Punkte-Plan mit zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen vorlegen, um Datendiebe abzuschrecken. Damit alte Seilschaften zerbrechen und Kriminellen der finanzielle Nährboden entzogen wird, sollen die Kundennummern aller Telekom-Kunden ausgetauscht, seit Jahren im Vertrieb arbeitende Telekom-Manager versetzt und neue Provisionssysteme für Händler und Callcenter entwickelt werden.

Erste Hinweise auf gravierende Lücken bei der Deutschen Telekom habe es bereits gegeben, als die Wirtschaftswoche im Dezember 2008 aufdeckte, dass auf dem Schwarzmarkt Daten und Kontoverbindungen von 21 Millionen Deutschen vagabundieren. Inzwischen würden Experten davon ausgehen, dass große Teile des Datenbestandes des Konzerns in Deutschland in irgendeiner Form in dubiose Hände geraten sind, welcher 39 Millionen Mobilfunk-, 27 Millionen Festnetz- und 11 Millionen Internet-Kunden umfasse. Der Diebstahl und Missbrauch von 20 Millionen Kundendaten sei bereits Gegenstand von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Bonn.

Vorliegende Ermittlungsakten und interne Unterlagen der Telekom hätten nun erstmals gezeigt, weshalb der Konzern zumindest streckenweise zur Chaosmaschine werden konnte. Der massenhafte Diebstahl von Kundendaten sei nämlich kein Werk von Einzeltätern in dubiosen Callcentern und Shops gewesen. Die Lecks hätten sich aus heutiger Sicht vielmehr als zwangsläufige Folge eines neuen, gigantischen pyramidenförmigen Vertriebssystems erwiesen, das Telekom-Chef René Obermann kurz nach seinem Amtsantritt im November 2006 gemeinsam mit seinem damaligen Vertriebsvorstand Timotheus Höttges installierte.

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