Während sich Kosmetikartikel im Netz verkaufen wie am Schnürchen, gerät das stationäre Beauty-Geschäft immer mehr ins Stocken. So glänzte der Onlinehandel für dekorative Kosmetik im Jahr 2017 mit einem Umsatzplus von 14 Prozent zum Vorjahr, wohingegen die Umsätze in der Parfümerie sowie in den Kauf- und Warenhäusern drastisch mit minus sieben Prozent verloren. „Selbst im stationären Konsummarkt stagniert die Gesamtentwicklung“, sagt Martin Ruppmann, Geschäftsführer des VKE-Kosmetikverbands. Das bestätigt auch Gerrit Heinemann, Handelsexperte von der Hochschule Niederrhein, der den Gesamtmarkt für Duft und Kosmetik in Deutschland auf rund 5,5 Milliarden Euro beziffert und betont, dass dieser „stagniert, statt zu wachsen.“ Und das stelle vor allem Douglas vor Herausforderungen. Die von Tina Müller geführte Kosmetik-Kette habe nämlich den größten Anteil am Premiumgeschäft, das die Hälfte des Gesamtmarktes ausmache – allerdings auch nur deswegen, weil sich der Konzern auf seinen Depotverträgen mit exklusiven Marken wie Chanel ausruhen könne. „Damit macht sich Douglas nicht nur abhängig, sondern provoziert auch eine Rückständigkeit. Denn die Exklusiv-Marken scheuen oft die Investition ins Onlinegeschäft, dem Bereich, der gerade zum Ködern der jungen Millenials – den Käufern der Zukunft – unverzichtbar ist. Drogerien oder Onlinehändler wie Flakoni sind da sehr viel fortschrittlicher“, so Heinemann, der früher selbst als Manager bei Douglas tätig war. Diese Händler ordnet man dem Massengeschäft zu, so wie auch Discounter oder andere Onlinehändler, die mit Duft- und Kosmetikprodukten handeln. Das Massengeschäft macht in etwa die andere Hälfte des Kosmetikmarktes aus.
dm legt sich für Millenials ins Zeug
Wie stark unter anderem Drogerien um die Gunst der Millenials kämpfen, zeigt dm. Der Konzern macht immer häufiger mit Influencer-Kooperationen auf sich aufmerksam. So verkaufte die populäre Beauty-Bloggerin Bianca Heinicke ihr erstes eigenes Kosmetikprodukt, den Bilou Badeschaum, ausschließlich bei dm. Ihre Fangemeinde rastete vollkommen aus und stürmte die Läden, zwischenzeitlich waren die Produkte vergriffen. Zudem hält dm auch nach Online-Trendprodukten Ausschau, wie nach dem aus England stammenden Wunderbrow. Das Augenbrauen-Gel wurde vom Hersteller KF Beauty ausschließlich und massiv mit vielen Videos auf Kanälen wie Facebook beworben und war in Deutschland vorerst nur per Online-Bestellung erhältlich. Mittlerweile ist Wunderbrow angeblich das erfolgreichste Augenbrauenprodukt auf Amazon. Hier hat dm den richtigen Riecher bewiesen.
Dennoch kann dm nicht bestätigen, dass die Kooperationen mit Influencern oder das Engagement in den Sozialen Medien die Verkaufszahlen im Bereich der dekorativen Kosmetik gesteigert hätten: „Wir würden nicht davon sprechen, dass gewisse Sortimente besonders gepusht, sondern dass gewisse Sortimente mehr als andere durch Influencer thematisiert werden. Dadurch beschäftigen sich dann Kunden noch intensiver mit diesen Sortimenten und treffen andere Kaufentscheidungen“, sagt Christoph Werner, als dm-Geschäftsführer verantwortlich für das Ressort Marketing und Beschaffung. Als Händler bemühe sich dm darum, die Kundenbedürfnisse genau im Auge zu behalten und reagiere somit natürlich mit seinem Sortimentsangebot. „Da Influencer intensiv mit ihrer Fanbase interagieren und sie daher sehr gut kennen, ist es naheliegend, dass wir uns für Influencer öffnen und mit ihnen den Dialog suchen.“
Drogerien gewinnen an Bedeutung
Doch ist es für Marken überhaupt ratsam, sich im Bereich ihrer Influencer-Aktivitäten auf Kooperationen mit Drogerien einzulassen? Zumindest sind Drogerien ein ernstzunehmender Vertriebskanal, dem Experten der Kosmetikbranche eine hohe Bedeutung beimessen. So waren 2017 rund 38 Prozent der von Statista befragten Experten der Ansicht, dass die Bedeutung von Drogerien als Vertriebskanal für die deutsche Kosmetikbranche in den nächsten fünf Jahren eher zunehmen wird. 45 Prozent gehen von einer gleichbleibenden Relevanz aus, nur 15 Prozent denken, dass sie an Bedeutung verlieren werden (siehe Grafik von Statista).
(Zum Vergrößern Anklicken)
Ob es sinnvoll ist, mit Drogerien zu kooperieren, ist immer vom Einzelfall abhängig: „Es kommt darauf an, wie Unternehmen ihr Produkt positionieren möchten und was für eine Zielgruppe sie haben. Für Luxus- und Premium-Brands ist es sicherlich ein weiter Schritt in die Drogerien, weil hier die Kunden andere Preisvorstellung haben“, sagt Philipp John, COO und Gründer vom Online-Marktplatz für Influencer-Marketing ReachHero.
Polypol statt Monopol
Neben Drogerien verkaufen im Massengeschäft aber auch Onlinehändler ein breites Kosmetiksortiment – wie die US-Kette Sephora, die seit 2017 auf den deutschen Markt drängt. Und sogar Otto und Zalando bauen ihr Beauty-Angebot aus. „Bislang ist das Geschäft mit Kosmetikartikeln noch sehr stationär geprägt, und es gibt noch keinen dominanten Onlinehändler, der sich rauskristallisiert hat. Das ist auch der Grund dafür, warum Unternehmen wie Zalando, Otto und Co. in den Markt drängen“, sagt Jörg Walbaum, Senior Rating Analyst der europäischen Ratingagentur Euler Hermes Rating (Ehrg). Auch seien die Preistransparenz sowie das Preisempfinden der Verbraucher bei Kosmetikartikeln bislang noch schwächer ausgeprägt, als bei anderen Produktgruppen. „Hintergrund ist unter anderem, dass der Kosmetikmarkt sehr konzentriert ist und verhältnismäßig wenige Hersteller die Branche mit ihren Marken und Sub-Marken beherrschen. Viele Hersteller, insbesondere aus dem Premiumsegment, lassen sich zum Beispiel gar nicht bei Amazon listen, um die Preisstabilität ihrer Produkte nicht zu gefährden.“
100 Marken und viel Video-Content bei Otto
Otto stieg beispielsweise vor vier Jahren in den Beauty-Markt ein und bietet inzwischen über 100 Marken an. Dabei sei der Beauty-Umsatz ständig steigend, so Frank Surholt, stellvertretender Pressesprecher bei Otto. Die größte Herausforderung im Beauty-Bereich sei es für Otto, „vor allem die vielen Niedrigpreis-Produkte unter zehn Euro wirtschaftlich abzubilden“, sagt Surholt. In den Sozialen Medien ist Otto schon lange aktiv. Dazu zählt Videocontent, den Otto über seine YouTube-Show Refashion präsentiert (wie hier und hier), oder Content auf eigenen Lifestyleblogs. „So haben wir etwa beim Otto-Blog „TwoForFashion“ eine eigene Beauty-Rubrik. Zuletzt bekamen wir hier auch prominente Unterstützung vom Star-Visagisten Boris Entrup (siehe hier oder hier).“
Dieser Content werde, wo er passe, auch unmittelbar auf Otto.de oder in Newslettern eingesetzt. „Überall gilt gleichermaßen: Wir möchten beraten und inspirieren und auch für Beauty eine passende digitale Anlaufstelle sein. Wir testen Produkte, geben Tipps und machen Tutorials beziehungsweise DIYs. Wir erstellen Beiträge zu Themen, die die Leserinnen interessieren und nach denen sie häufig im Internet suchen“, sagt Surholt.