„Targeting und Automatisierung machen Audio relevanter“: Marketingexperte Seitz spricht über Werbepotenziale

Im Interview mit der absatzwirtschaft spricht Jürgen Seitz, Professor für Marketing, Medien und Digitale Wirtschaft an der Hochschule der Medien in Stuttgart, über die Zukunft von Audio, den Potenzialen von Smartspeaker und was die Entwicklungen fürs Marketing bedeuten.
Jürgen Seitz lehrt und forscht an der Hochschule der Medien in Stuttgart

Vor einigen Jahren, als Amazon seinen Smart Speaker auf den Markt brachte, gab es Sicherheitsbedenken. Viele befürchteten, dass man abgehört wird, auch wenn der Lautsprecher inaktiv ist. Vor allem vor dem Hintergrund der Facebook-Datenaffäre könnten die Bedenken wieder aufkommen. Könnten die aufkommenden Bedenken den „Siegeszug“ von Smart Speakern aufhalten?

Nutzen schlägt abstrakte Bedenken. Diese verzögern Entwicklungen nur. Die vermeintlichen Skandale haben für den einzelnen Nutzer ja selten spürbare Konsequenzen. Sie werden genauso schnell vergessen, wie sie heiß geredet wurden. Ich will die Gefahren nicht abtun, aber so lange die individuellen Kosten-Nutzen-Rechnungen der Nutzer aufgehen, wird die Entwicklung weitergehen. Wir haben dies auch bei Kreditkarten gesehen. Natürlich findet massenhaft Missbrauch in diesem vergleichsweise unsicheren System statt. Aber so lange die Regelungen der Probleme für Händler und Käufer ausreichend kulant sind, geht die Nutzung weiter. Obwohl es theoretisch bessere und sicherere System gibt. Und mit Bargeld sogar ein System mit sehr hohem Datenschutzfaktor.

Wie agieren denn Vermarkter und Unternehmen im Bereich Audio?

Das Ganze wird noch zögerlich angegangen. Dies liegt wiederum am aktuell noch kleinen Markt. Was Unternehmen wie Gimlet Media in den USA, Spotify auf globaler Ebene und zum Beispiel die Podstars in Deutschland machen, zeigt aber den Weg in Sachen Outbound-Marketing. Die Hosts populärer Podcasts berichten hier von Ihren persönlichen Produkterfahrungen und zunehmend kommen sogar ganze Reportage-Formate zu Produkten zum Einsatz. Beim Audio-Inbound sind natürlich die amerikanischen Anbieter weit vorne. Google dominiert heute bereits die Audio-Suche, gleiches gilt für Amazon im Bereich Produktsuche. Da sie auch in der Smart Speaker-Hardware dominieren, müssen sich die anderen Player auf die Optimierung, zum Beispiel bei Audio-SEO, für diese Plattformen konzentrieren.

Spots sind immer noch für die Pendlerzeit gemacht

Welche Potenziale sehen Sie für die digitale Wirtschaft und das Marketing?

Früh dabei zu sein wird sich, wie schon bei der Entwicklung des E-Commerce, im Search-Bereich und bei Social Media, auszahlen. Statt zu abwartender Haltung rate ich zum Experimentieren mit relevanten Budgets und Ressourcen. Heute ein paar Prozente des EBIT zu investieren, ist ein sehr gute Wette auf die nahe Zukunft. Marketing wird in westlichen Ländern noch zielgerichteter und Service-orientierter. Reichweite bleibt wichtig, wird aber nicht mehr ausreichen.

Auf welche Weise muss stattdessen vorgegangen werden?

Die Marketing-Abteilungen müssen ganzheitlicher arbeiten. Digital ist nicht nur digitale Kommunikation, sondern auch Produkt, Distribution und Pricing. In manchen Märkten ist ein dynamisches Pricing Kern des Erfolgs, in anderen Märkten haben sich die Produkte komplett verändert. Den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, ist dabei nie falsch. Audio wird hier ein wichtiger Touchpunkt mit Neu- und Bestandskunden.

Zum Schluss Ihre Prognose: Wie wird sich Audiowerbung in der Zukunft anhören? 

Im Outbound-Marketing wird die Ausrichtung am Nutzungskontext entscheidend sein. Die heutigen Audiospots sind immer noch für die damalige Primetime, also die Pendlerzeit, und für ein Massenpublikum gemacht. Das muss sich ändern, je nach Stimmung (Sport oder Dinner) und Person müssten sich sowohl die Werbeanbieter als auch die Ausgestaltung der Spots ändern. Im Inbound-Marketing, und hier insbesondere bei der Suche, wird Marketing sehr stark als Service wahrgenommen werden. Es wird einfach bequem sein, Alexa zu erzählen, was im Haushalt fehlt, und dann mit einer der nächsten Lieferungen das Produkt zugeschickt zu bekommen. Auch Services wie Umbuchungen müssen reibungslos funktionieren. Daneben werden Audio-Interfaces als Ausgabemedium für andere Sensoren dienen.

Das Interview wurde via E-Mail geführt.