SXSW in Austin: Statt Hypes um VR & Co. gab es 2019 politischen Diskurs und Reflexion

Das gewohnte Feuerwerk mal mehr und mal weniger bahnbrechender Innovationen bleibt auf der SXSW in diesem Jahr aus. „Diskurs statt Disruption“ – so lassen sich die Erlebnisse in Austin zusammenfassen. Statt mit neuen Hypes die letztjährigen aus dem Dorf zu jagen, wurde in den zahlreichen Vorträgen und Podien viel reflektiert, analysiert und diskutiert.
SXSW in Austin (© ©Foto: imago/Xinhua)

Von Gastautor Matthias Wesselmann, Vorstand der fischerAppelt AG

Durfte im vergangenen Jahr noch bei keinem Markenauftritt eine VR-Installation fehlen und kreierten große Marken wie Google ganze Erlebniswelten, um smarte Produkte wie Google Home richtig in Szene zu setzen, ging es in diesem Jahr auf der SXSW in Austin ruhiger zu. Ein großer Markenauftritt von Google fehlte gleich ganz. Zwar zeigten sich dafür andere Player wie etwa Amazon mit dem dem „Garden of earthly Delights“ in Sachen Experiential Marketing weit vorne. Doch im Garten der Genüsse wurden keine neuen Produkte auf Basis neuer Technologien vorgestellt. Die Installation hatte einzig das Ziel, die neue Amazon-Prime-Serie „Good Omens“ zu promoten. Auch bei Technologieriesen wie Sony, Dell oder Samsung fehlte das große Ding.

Wichtige Diskurse statt neuer Ideen

Statt mit großer Begeisterung die schier endlosen Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI), Mixed Reality (MR) und Co. abzufeiern, rückten vor allem die gesellschaftlichen Auswirkungen der technologischen Entwicklung in den Fokus der Debatten der weltweit größten Digitalkonferenz. „Will technology enrich human creativity?“ prangte unübersehbar auf dem Sony-Pavilion.

Was passiert, wenn der Chef keine Mensch mehr ist, sondern ein selbstlernender Algorithmus? Fragen wie diese sind es, die auf der SXSW in diesem Jahr gestellt wurden, und auf die wir angesichts der rasanten Veränderungen gemeinsam Antworten finden müssen. Unternehmensgründer wie Mike Krieger und Kevin Systrom von Instagram oder Buzzfeed-Chef Jonah Peretti warteten nicht etwa mit neuen, großen Ideen auf, sondern äußerten sich zur Aufspaltung von Tech-Konzernen, dem Ende der Privatsphäre oder zur Krise der digitalen Medien und deren Folgen, etwa das wachsende Isolationsgefühl des Einzelnen in einer Gesellschaft der Singularitäten.

Größerer Stellenwert der Politik

Neben derlei Diskursen rückte die Politik noch stärker als im Vorjahr in den Fokus. Das zeigte sich zum einen deutlich an den vielen Auftritten amerikanischer Politiker. So bereitete die SXSW unter anderem Alexandria Ocasio-Cortez, dem neuen Star der amerikanischen Demokraten, eine Bühne. Zum anderen sorgten aber auch kreative Formate wie die „Donald J Trump Presidential Twitter Library“ der Daily Show, in der Besucher Trumps beste Tweets ansprechend dargestellt nachlesen konnten, für Gesprächsstoff.

All dies bereichert das Festival und bestätigt seine gesellschaftliche Relevanz eben nicht nur als Keimzelle großer technologischer Entwicklungen. Umso gespannter bin ich, wie sich die Digitalkonferenz in den kommenden Jahren entwickeln wird. Auf jeden Fall sollten wir Deutschen uns – wie schon in meinem Zwischenfazit betont – stärker einmischen.

Vom Inspiration suchenden Beobachter zum prägnant gestaltenden Teilnehmer der SXSW, das sollte die Zielsetzung sein. Die Chancen stehen gut, denn die Diskurse zum gesellschaftlichen wie politischen Strukturwandel der Moderne bestimmen die SXSW zukünftig vermutlich deutlich stärker als technologische Hypes.

Teil 1 und Teil 2 der Kolumne