Supermärkte im Wandel: Wie Konsumgüterhersteller dem Umbruch trotzen

Der Lebensmittelhandel ist im Umbruch und stellt auch Hersteller von Markenprodukten vor neue Herausforderungen. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie der Managementberatung Bain & Company. Wie sich Konsumgüterhesteller rüsten können, haben die Autoren in fünf Schritten zusammengefasst.
Noch kaufen die Deutschen Lebensmittel lieber im Supermarkt um die Ecke, als ihre Einkäufe online zu bestellen

Nach einem extrem erfolgreichen Jahrzehnt mit Gewinnspannen von durchschnittlich 13 bis 15 Prozent müssen sich die globalen Konsumgüterhersteller laut Studie nun für harte Zeiten rüsten. Denn im gleichen Zeitraum sanken die Margen der für sie maßgeblichen Lebensmittelhändler auf unter vier Prozent – und sie werden weiter abschmelzen. „Besonders aufschlussreich ist dabei die Analyse des europäischen Lebensmitteleinzelhandels“, sagt Bain-Partner und Handelsexperte Serge Hoffmann an. „Er bündelt die Probleme der Branche wie unter einem Brennglas.“

So verschärfe sich zum einen die Krise der Hypermärkte und Supercenter. Die Zahl der in einem Haushalt gemeinsam lebenden Menschen nehme ab, der Großeinkauf am Wochenende gehöre der Vergangenheit an. Viele großflächigen Märkte verzeichneten bereits negative Renditen, und die Abwärtsspirale aus Sparzwang, Servicemängeln sowie abwandernden Kunden drehe sich immer schneller. Zum anderen setzte sich der Aufstieg sogenannter Value-Märkte fort. Unternehmen wie Colruyt in Belgien oder Mercadona in Spanien haben das Vertrauen der Kunden durch Markenprodukte und ein angenehmes Einkaufserlebnis gewonnen. Gleichzeitig wachsen die deutschen Discounter Aldi und Lidl in Europa weiter. Bestes Beispiel ist die erfolgreiche Entwicklung in Großbritannien.

Und schließlich erobere der Internethandel langsam, aber sicher auch das Lebensmittelsegment. Der Onlinemarktanteil für Tierfutter und Babynahrung etwa werde sich laut Studie in Westeuropa bis 2020 auf 12 Prozent verdoppeln.

Kumulative Effekte verschärfen das Bedrohungsszenario

Diese drei Trends treffen die Lebensmittelhändler gebündelt, ihre disruptive Wirkung potenziere sich. Um das volle Ausmaß zu verdeutlichen, hat Bain für den europäischen Lebensmittelmarkt bis 2025 zwei Szenarien entwickelt. Bei der Basisannahme wächst der Lebensmittelhandel wie bisher, Hypermärkte schrumpfen mäßig und das Internet legt kontinuierlich zu. Bei der beschleunigten Entwicklung mit gleichem angenommenen Marktwachstum verlieren Hypermärkte stark, während Onlinehandel und Value-Märkte rasant wachsen.


Diese Eruptionen in der Lebensmittelbranche bleiben nicht ohne Folgen für die Markenhersteller. „Ganz gleich, welches der beiden Szenarien eintritt, das sich rasant ändernde Umfeld im Lebensmittelhandel zwingt die Konsumgüterhersteller zu neuen Geschäftsmodellen“, so Bain-Experte Athanassiou. „Selbst für die großen Marken dürfte es schwieriger werden, ihre komfortablen Gewinnspannen zu verteidigen.“

Wie sich Konsumgüterhersteller rüsten können

1. Die eigenen Ressourcen nach Umsatztreibern und Gewinnbringern ausrichten.

Jeder Hersteller muss seine Verkaufskanäle genau analysieren. Nur so kann er erkennen, in welchen Regionen oder Handelssegmenten Risiken drohen. Viele Marken, schrieben die Autoren, konzentrieren sich zu stark auf die gefährdeten Hypermärkte. Sie liefern Großpaletten für riesige Verkaufsflächen und beschäftigen Heerscharen von Regalauffüllern. Um den Wünschen ihrer Handelskunden von morgen, sprich: Discounter und Value-Märkte, Rechnung tragen zu können, sollten sie neuartige flexible Multimarkenpaletten ausprobieren.

2. Einfacheres und schlagkräftigeres Produktportfolio entwickeln.

Die neuen, kleineren Handelsmärkte für Lebensmittel brauchen deutlich weniger Produktvielfalt. Sie konzentrieren sich auf ihre Umsatz- und Gewinnbringer. Das wiederum hieße für die Konsumgüterhersteller, ihr Sortiment zu durchforsten, Starmarken zu stärken und Produktnachzügler zu eliminieren. Tatsache ist: Gewinnermarken handeln, bevor der Lebensmittelhandel sie dazu zwingt. Die Produktkonsolidierung dürfte zu weiteren Fusionen und Übernahmen unter den Herstellern führen.

3. Neue Formen der Zusammenarbeit mit Super- und Hypermärkten finden.

Auch wenn die Flächenriesen angeschlagen sind, so bleiben sie doch eine signifikante Größe. Dennoch sollten sich die Marken auf diejenigen Händler konzentrieren, die sich behaupten oder neu erfinden können. Allerdings werden sich im Überlebenskampf viele Handelskonzerne verbünden, Einkaufskonditionen austauschen und von den Herstellern Bestpreise einfordern. Vor diesem Hintergrund müssen die Markenproduzenten ihre Kosten weiter senken. Nur so können sie auskömmliche Gewinnspannen realisieren und Zukunftsinvestitionen finanzieren.

4. Neue Verkaufskanäle ausprobieren und entwickeln.

Lieferungen an Discounter und Internethändler bieten Markenherstellern die Chance, gemeinsam mit diesen Verkaufskanälen zu wachsen. Darüber hinaus sollten sie alternative Vertriebsmodelle testen. Dazu gehören Fachhändler, Drogeriemärkte oder der Direktverkauf an den Verbraucher.

5. Eine umfassende digitale Transformation wagen.

Erfolgreiche Konsumgüterproduzenten werden die neuen digitalen Errungenschaften in möglichst vielen Geschäftsbereichen einsetzen. Das bedeutet zusätzliche Managementaufgaben. Wer sich im Internethandel engagiert, muss die Spielregeln für den Umgang mit Onlinegiganten wie Amazon oder Alibaba kennen. Und wer mit Verbrauchern in Kontakt treten will, benötigt effektive Business-Analytics-Programme.