„Streuverluste? Inakzeptabel“

Mit Klickanalysen lassen sich Transaktionen überprüfen. Markenartikler aber wollen mit ihren Produkten Köpfe und Herzen erobern. Ein Fall für das Behavioural Marketing? absatzwirtschaft online sprach mit Frank Wagner, Vorstand nugg.ad.

Das Gespräch führte Irmtrud Munkelt

absatzwirtschaft: Herr Wagner, ihr Geschäft ist die Ansprache von Nutzern nach Themenaffinitäten, und die scheint künftig die Qualität der Online-Werbung zu bestimmen. Welche Prozesse stehen dahinter und was bedeutet das für die Wirksamkeit meiner Media-Kampagne?

Frank Wagner: Werbetreibende tappen schon seit Jahrzehnten im Dunkeln. Wenn ich dank Marktforschung weiß, dass nur 30 Prozent der Zuschauer einer Fernsehsendung zu meiner Zielgruppe gehören, dann bedeutet das einen Streuverlust von 70 Prozent des Budgets. Was in Print, Radio und TV gerade noch so hingenommen wird, ist im Internet unakzeptabel. Hier muss nicht mehr zwangsläufig jeder Medienkonsument die gleiche Werbung sehen. Mit Behavioral Targeting kann ich die richtige Werbung an die richtigen Menschen ausliefern, unabhängig vom aktuellen inhaltlichen Umfeld.

absatzwirtschaft: Sie sprechen von der richtigen Werbung an die richtigen Menschen. Wie weit ist die Technologie heute, kann sie mir wirklich garantieren, meine Kunden zu erreichen?

Frank Wagner: Gestatten Sie mir die Gegenfrage: Gibt es im Medienbusiness wirklich Garantien? Aber im Ernst: Behavioral Targeting hat nichts mit Glauben zu tun, Erfolg ist messbar. Für jede Kampagne bieten wir unseren Kunden Werbewirkungsuntersuchungen an, in denen wir – wie in der klassischen Marktforschung üblich – getargetete Zielgruppen und eine Kontrollgruppe befragen, ob und wie die Werbung gewirkt hat. So lassen sich Kampagnen in Inhalteumfeldern über das Gesamtangebot mit und ohne Targeting direkt vergleichen.

absatzwirtschaft: Und die Streuverluste sind gering?

Frank Wagner: Sagen wir es so: Ich möchte vor falschen Erwartungen warnen: Werbung kann Streuverluste nicht völlig vermeiden, insbesondere wenn es um Brandingkampagnen geht. Behavioral Targeting reduziert Streuverluste, eliminiert sie aber nicht. Wir betreiben weder Direktmarketing, noch können wir zaubern. Aber wir sparen den Werbetreibenden mit jedem Prozentpunkt Streuverluste und damit eine Menge Geld.

absatzwirtschaft: Was raten Sie den Nicht-IT-Profis in vielen Branchen, die auf diesem Gebiet wenig Erfahrung haben, aber durchaus bereit sind, sich neuen Strategien gegenüber zu öffnen?

Frank Wagner: Fordern Sie bei Ihren Agenturen und bei den Vermarktern das ein, wofür Sie Geld investieren: Nämlich Ihr Produkt zu den Menschen zu bringen, die Sie als Kunden interessieren. Um IT und Algorithmen sollen sich dann andere kümmern. Probieren Sie aus, vergleichen Sie, bewerten Sie. Und trauen Sie sich, eingefahrene Denkweisen etwa zum Thema „Contentumfeld“ zu überwinden. Ihre Marke muss Menschen erreichen und nicht teuer produzierte Inhalteumfelder. Ich weiß, dass gerade Markenartikler Vorbehalte gegen Web 2.0 und User Generated Content haben. Aber warum eigentlich? Im Nachmittagsprogramm der Privaten werben sie doch auch. Viel schlimmer kann es also nicht mehr kommen.

absatzwirtschaft: Sie kritisieren häufig herkömmliche Marketing-Methoden wie die reine Klickanalyse. Letztlich ist doch auch die Klickanalyse ein Indikator für die Akzeptanz meiner Werbung.

Frank Wagner: Klickanalysen sind dann sinnvoll, wenn hinter dem Klick eine Transaktion, wie zum Beispiel ein Kaufvorgang, steht. Dagegen ist nichts einzuwenden. Markenartikler hingegen wollen mit ihren Produkten Köpfe und Herzen erobern, nicht aber Zeigefinger. Denen ist wichtig, dass am nächsten Morgen im Supermarkt beim Pitch am Kühlregal der richtige Schokoladenpudding im Einkaufswagen landet. Und das misst man am besten klassisch über Abverkaufsanalysen, Verbraucherpanels oder Werbetrackings.

absatzwirtschaft: Was müssen Werbetreibende, Media-Agenturen und Vermarkter grundsätzlich beachten, wenn sie Kunden mit Targeting-Systemen ansprechen und wohin wird sich die Technologie entwickeln?

Frank Wagner: Targeting macht Medienplanung einfacher, auch wenn es auf Grund von Begriffsverwirrungen sowie technischer und methodischer Diskussionen anders erscheinen mag. Konzentrieren Sie sich auf die Ansprache der wichtigen Zielgruppen und verschwenden Sie nicht all zu viel Zeit auf die Analyse von Umfeldern. Widerstehen Sie den Verlockungen, scheinbar exakt planen zu können, wie etwa „Frauen mit zwei Kindern, fünf Katzen und einem Stabmixer im Haushalt“. So implodiert das Potenzial selbst der reichweitenstärksten Angebote. Behavioral Targeting hat nichts mit Direktmarketing zu tun.

absatzwirtschaft: das könnte man aber denken…

Frank Wagner: Die Zukunft des Targetings sehe ich in der intelligenten Verknüpfung verschiedener Datenquellen, wie der Messung von Internetnutzungsverhalten und zusätzlich der Verarbeitung von Nutzerfeedback zum Beispiel aus Befragungen. Unternehmen, die mittels Algorithmen Affinitäten auch über den Klick hinaus prognostizieren können und nicht einfach nur Seitenaufrufe zählen, werden der Online-Werbung so starke Impulse geben wie einst Amazon mit seinem Empfehlungssystem dem Onlinehandel.

Frank Wagner ist Vorstand bei nugg.ad. Der Anbieter verknüpft Mess- und Befragungsdaten mit dem Ziel, Zielgruppen im Internet über soziodemographische Daten zu bestimmen und Streuverluste zu minimieren (Behavioural Targeting).