AOK-Manager Plesker: Meine vier Erkenntnisse aus der Corona-Krise

In unserer Serie "Marke post Corona: Learnings aus der Krise" berichten Marketingverantwortliche über ihre Erfahrungen und Lehren aus der Corona-Zeit. In Folge 7 gibt AOK-Geschäftsführer Steve Plesker einen persönlichen Einblick, was er und sein Team in der bisherigen Pandemie-Phase gelernt haben.
Steve Plesker
AOK-Geschäftsführer Steve Plesker: "Trotz der Masken und weiter steigender Infektionszahlen fühlt sich die Welt da draußen inzwischen wieder ziemlich normal an. Das sollte uns zu denken geben." (© AOK)

Von Steve Plesker

Die neue Normalität und die alte Welt

Während ich diese Zeilen schreibe, blicke ich auf eine verlassene Weide irgendwo im Bremer Umland. Wenn mir im Januar jemand gesagt hätte, dass so mein Sommerurlaub aussehen würde, hätte ich ihn für verrückt erklärt. Corona? Bei dem Wort dachte ich eher an ein wässriges Bier aus Mexiko als an eine Bedrohung für die Weltgemeinschaft. Doch dann verbreitete die Globalisierung ihr wohl bislang zerstörerischstes Produkt in Windeseile über den ganzen Planeten.

Ich sah mich plötzlich mit Fragen konfrontiert, auf die ich keine Antworten hatte. Beruhigender Weise war ich damit nicht der einzige. Was habe ich in dieser Zeit gelernt?


Vita: Steve Plesker

Steve Plesker ist seit 1. Oktober 2017 Geschäftsführer Markt und Produkte beim AOK-Bundesverband in Berlin. Er führt dabei die Marke „AOK – Die Gesundheitskasse“ und verantwortet zudem die Bereiche Marketing, Vertrieb und Produkte. Vor seiner Zeit bei der AOK war Plesker unter anderem bei DDB, Diffferent sowie Scholz & Friends tätig und hat Marken wie Edeka, Ikea, Opel, Siemens, Vodafone und VW beraten.


Corona-Erkenntnis 1: Angst ist kein guter Ratgeber

In bedrohlichen Situationen neigen Menschen dazu, impulsiv zu handeln. Der Druck ist groß und die Angst etwas falsch zu machen ebenfalls. Also handelt man lieber als abzuwarten – dann kann einem wenigstens keiner vorwerfen, man hätte nichts unternommen. Ein Zitat von Dwight D. Eisenhower („Ich habe zwei Arten von Problemen, die dringenden und die wichtigen. Die dringenden sind nicht wichtig, und die wichtigen sind niemals dringend.“) hat uns dabei geholfen, trotz der widrigen Umstände ruhig zu bleiben.

Mein Team und ich sind alle laufenden und geplanten Projekte durchgegangen und haben uns zunächst die Frage gestellt, ob sie überhaupt von der Coronakrise betroffen sind, welcher Schaden uns droht und wie schnell eine Entscheidung her muss. Alle Projekte wurden schließlich in eine von drei Kategorien eingeteilt: Fortfahren, anpassen und stoppen. Zu unserer großen Überraschung mussten wir kaum Aktivitäten einstellen, und es ist praktisch kein Schaden entstanden. Die Ersteinschätzung hat bis heute Bestand, wir behalten die Liste aber weiter im Blick und reagieren bei Bedarf.

Corona-Erkenntnis 2: Man sollte sich selbst treu bleiben

Zu Beginn der Corona-Pandemie haben sich Marken gegenseitig mit kurzfristigen Marketingmaßnahmen überboten. Erst wurden die Buchstaben in den Logos auseinandergerückt, um für Social Distancing zu werben. Dann folgten unzählige Solidaritätskampagnen. Eine Untersuchung des Google Unskippable Labs von 1500 Video Ads, die im März und April dieses Jahres auf Youtube gezeigt wurden, hat ergeben, dass Anzeigen ohne Thematisierung des Coronavirus keine nennenswerte Verschlechterung der Markenkennzahlen zeigten. An Anzeigen, die Covid-19 thematisierten, erinnerten sich die Nutzer zwar häufiger, die Kaufbereitschaft und Kaufabsicht sowie die Beliebtheit wurden dadurch aber nicht gesteigert.

Wir haben uns darauf besonnen, was wir in der AOK-Gemeinschaft am besten können: Unseren Kunden mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Angefangen bei täglich aktualisierten FAQs für niedergelassene Ärzte und Krankenhäuser, über Informationen rund um das Virus für Versicherte bis hin zu Onlineseminaren zum Kurzarbeitergeld für Arbeitgeber. Unter dem Motto #gem_einsam haben wir innerhalb von 14 Tagen eine Influencer-Kampagne realisiert, die die psychischen Folgen des Social Distancing für die Gen Y und Z thematisiert und damit mehr als 300.000 junge Menschen erreicht hat. Vor kurzem haben wir schließlich unter dem Motto „ZusammenArbeiten – Mit Abstand am besten“ eine Initiative gestartet, um kleine und mittelständische Betriebe dabei zu unterstützen, die Herausforderungen durch Homeoffice und die sichere Rückkehr an den Arbeitsplatz zu meistern.

Corona-Erkenntnis 3: Zusammenarbeit muss neu gedacht werden

Die wohl größte Umstellung für mein Team und mich war es, von einem auf den anderen Tag ins Homeoffice zu gehen. Knapp 70 Menschen, die sonst zum großen Teil nur unregelmäßig Zuhause gearbeitet haben, mussten eine ganz neue Art der Zusammenarbeit lernen. Die Technik war zunächst eher ein Hindernis als eine Hilfe. Dank der unermüdlichen Arbeit unserer IT konnte dieses Manko aber schnell behoben werden.

In den darauffolgenden Wochen haben sich ganz neue Austausch- und Abstimmungsformate entwickelt, ebenso wie eine neue Etikette bei Telefon- und Videokonferenzen. Besonders beeindruckt war ich von der gegenseitigen Rücksichtnahme und der Flexibilität im Umgang mit Kollegen, die sich um ihre Kinder oder pflegebedürftigen Angehörigen kümmern mussten. Ich bin überzeugt, dass uns diese Zeit als Team enger zusammengeschweißt hat und dass sich die neuen Arbeitsweisen verstetigen werden.

Corona-Erkenntnis 4: Die neue Normalität ist ein zartes Pflänzchen

Trotz der Masken und weiter steigender Infektionszahlen fühlt sich die Welt da draußen inzwischen wieder ziemlich normal an. Nicht neu-normal, sondern normal-normal. Das sollte uns zu denken geben. Erstens, weil die Krise noch lange nicht durchgestanden und Leichtsinnigkeit die größte Gefahr im Kampf gegen die Pandemie ist. Zweitens, weil die Krise der wohl bisher größte Treiber für die Digitalisierung der Arbeitswelt ist. Man sollte nicht versuchen die Uhr wieder zurückzudrehen, sondern den eingeschlagenen Pfad konsequent weiterverfolgen.

Serie „Marke post Corona: Learnings aus der Krise“

Folge 1: Hornbach-Marketingchef: Machen hilft gegen den Lagerkoller
Folge 2: Schöffel-Marketingchef: Aus „Ich bin raus“ wurde „Ich bleib drin“
Folge 3: Hugo-Boss-Interimschef: Drei Erkenntnisse aus der Corona-Krise
Folge 4: Rügenwalder-Chef: „Corona hat uns agiler gemacht“
Folge 5: Audi-Vorständin Wortmann: Corona als Katalysator
Folge 6: Burger-King-Marketingchef: Als Team durch die Krise

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