Steigen die deutschen Autobauer endlich in die Elektromobilität ein?

BMW Group, Bosch, Mercedes-Benz, Energie Baden-Württemberg (EnBW), RWE und Siemens – die Namen der sechs Partnerunternehmen klingen verheißungsvoll. Sie haben jetzt eine gemeinsame Initiative gegründet, um die Zukunft der Elektromobilität über eine kundenfreundliche Datenplattform zur deutschen Ladeinfrastruktur aktiv zu gestalten. „Na endlich“, möchte man verhalten gratulieren. Der Schulterschluss scheint überfällig, denn bislang hat sich die hiesige Industrie aus Automobilisten und Energieversorgern spürbar schwer getan mit dem Entwickeln dieses neuen Marktes.
BMW i8 Concept (09/2011)

Von Thorsten Garber

„Deutschland ist auf dem Weg in eine emissionsfreie Zukunft“, beginnt die Pressemitteilung der Unterzeichner vollmundig, wie unter anderem in den „Business News“ der Daimler-Website zu lesen ist. Diesen Weg indes können relevante Firmen gemächlich abwartend oder zügig mitgehen. Jedenfalls ist nicht bekannt, dass deutsche Autobauer eigentlich führender Marken zwischen Audi, BMW und VW sich hier durch rasante Reaktion hervorgetan haben.

Nicht von ungefähr titelte „Zeit online“ einen Beitrag über alternative Antriebe „Leitmarkt Deutschland? So nicht“ und endete mit der Warnung: „Deutschland läuft die Zeit davon.“ Und auch der deutsche Autopapst Prof. Ferdinand Dudenhöffer vom „Center Automotive Research“ (CAR) übte schon scharfe Kritik an der Förderpraxis der Bundesregierung bezüglich Elektromobilität: Für Deutschland werde es nicht einfach, bis zum Jahr 2020 eine Million E-Fahrzeuge auf die Straße zu bringen. „Da müssen wir deutlich schneller werden, sonst ist das nicht zu erreichen“, prognostiziert der Branchenexperte.

Die Bundesregierung fordert in ihrem Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität die Verknüpfung von Klimaschutz und Industriepolitik und möchte so Deutschland zum „Leitmarkt“ für Elektromobilität machen. Um dieses Ziel in greifbare Nähe rücken zu lassen, sei die Steigerung der Akzeptanz beim Kunden durch erhöhte Nutzerfreundlichkeit Grundvoraussetzung, erklärt das oben genannte Konsortium aus sechs Partnern, die „mit der Unterzeichnung der Absichtserklärung einen Meilenstein“ gesetzt haben wollen.

Auf Basis einer industrieübergreifenden, offenen Datenplattform für die Vernetzung von Mobilitäts- und Fahrzeuganbietern im Bereich der Ladeinfrastruktur soll zukünftig deutschlandweit der Komfort bei der Nutzung von Elektrofahrzeugen deutlich erhöht werden. Zu diesem Zweck hat das Sextett die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens im ersten Halbjahr 2012 vereinbart und dazu jetzt die Absichtserklärung unterschrieben.

Gemeinsames Ziel sei, den Aufbau einer flächendeckenden, einfach zu nutzenden Ladeinfrastruktur durch eine übergreifende Vernetzung voranzutreiben und das Angebot ergänzender Dienstleistungen zu ermöglichen. Fahrer von Elektrofahrzeugen sollen künftig dann überall schnell und einfach laden können. Vor allem ohne sich Gedanken machen zu müssen, welcher Anbieter die jeweilige Ladestation betreibt. Dazu gehörten auch eine einheitliche Authentifizierung an der Ladestation sowie eine transparente Abrechnung durch den individuellen Vertragspartner.

Neben der Unterstützung unterschiedlicher Abrechnungssysteme soll die neue Plattform daher die Vernetzung von Zugangs-, Lade- und Serviceprozessen sowie die Erweiterung des Produktangebotes und der Dienstleistungen rund um die Elektromobilität in den Fokus stellen. Technische „Insellösungen“ sollen dabei „so weit wie möglich“ integriert werden.

Umgekehrt verdeutlicht der neue Zusammenschluss, dass es bislang keine einheitlichen Standards gibt. Jeder Marktteilnehmer hat eigene Methoden, die untereinander nicht kompatibel sind. Eine konzertierte Aktion für den Aufbau eines Leitmarktes sieht anders aus.

Und warum fehlt in diesem neuen Gemeinschaftsunternehmen „Pro Elektromobilität“ eigentlich der größte Player? Der Volkswagen-Konzern mit seinen Marken VW, Audi, Seat, Skoda, VW-Nutzfahrzeuge, Bugatti, Bentley, Lamborghini und Scania kocht entweder sein eigenes Süppchen oder hat kein ernsthaftes Interesse, in Deutschland mit als Zugpferd die Zukunft zu gestalten.

Kein Wunder, dass Greenpeace die Wolfsburger auf „der dunklen Seite“ der Macht vermutet und dafür eigens eine eigene Kampagne ins Leben gerufen hat. Dort heißt es grenzüberschreitend: „Unsere Heimat ist in Gefahr. VW bekämpft zwei wichtige europäische Klimaschutzgesetze: strengere Emissionsziele und scharfe CO2-Grenzwerte für Autos.“ Die Verbündeten der Greenpeace-„Rebellion“ forderten VW auf, „sich von der dunklen Seite der Macht abzuwenden und unserem Planeten eine Chance zu geben“.

Ein anderer, ebenfalls fataler Aspekt: Die deutsche Industrie droht auch technologisch den Anschluss zu verlieren und Zukunftschancen zu verspielen. Wie zuletzt eine Studie (PDF-Download) eindrucksvoll belegte: Rund 75 Prozent der im vergangenen Jahr für Elektro- und Hybridfahrzeuge veröffentlichten 1 151 Patente gingen auf das Konto japanischer Konzerne. Daimler, BMW und VW sind zusammen mit 7,5 Prozent weit abgeschlagen und müssen sich Neuerungen womöglich teuer von der Konkurrenz einkaufen.