Steht Apple mit den neuen iPhones im Regen?

Die Erwartungen an Apple waren vor den Quartalszahlen groß, die Enttäuschung am Ende umso größer. Für den eigentlichen Knalleffekt, der am Freitag mehr als 70 Milliarden Dollar Börsenwert ausradieren sollte, sorgte Finanzchef Luca Maestri in der Telefonkonferenz mit Analysten: Apple wird künftig verschwiegener und nicht mehr die Stückzahlen seiner Hardwareverkäufe ausweisen. 
Das iPhone hat seinen Zenit überschritten (© Apple 2018)

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Am Ende musste die unsichtbare Hand des Marktes Apple retten – also ein Großaktionär, vielleicht sogar Warren Buffett selbst. Bei exakt 207,48 Dollar ging der weiterhin wertvollste Konzern der Welt am Freitag aus dem Handel, nachdem er wenige Sekunden vor Handelsschluss noch bei 206 Dollar notiert hatte.

Nach einem Kurssturz von fast 15 Dollar oder knapp 7 Prozent hat zumindest die Symbolkraft weiter Bestand: Gerade so darf sich Apple für einen weiteren Handelstag so nennen wie in den 92 Tagen zuvor: Billionen-Dollar-Konzern. Dass es nach dem Einbruch, der in der Spitze 71 Milliarden Dollar Börsenwert ausradierte, eng werden würde, lag weniger nach Apples Geschäftsbilanz für das abgelaufene September-Quartal, als vielmehr am Ausblick auf das, was nun kommen würde.

Vollkommen überraschende Abkehr von Bilanz-Transparenz

Zum einen stellte Tim Cook für das laufende Weihnachtsquartal lediglich eine vage Erlösspanne von 89 bis 93 Milliarden Dollar in Aussicht, die unter den Konsensschätzungen der Analysten lag, die noch von Umsätzen von durchschnittlich 93,2 Milliarden Dollar ausgegangen waren – was auf einen eher verhaltenen Launch des iPhone XR hindeutet, auf den Analysten bereits hingewiesen hatten.

Zum anderen aber schockierte Finanzchef Luca Maestri mit der eher beiläufigen Ankündigung, dass Apple ab sofort in seinen Quartalsbilanzen nicht mehr die Stückzahlenverkäufe seiner Hardwareprodukte (iPhone-, iPad- und Mac-Sparte) ausweisen wird.

Apple hat etwas zu verbergen

Die künftig fehlende Transparenz folgt ausgerechnet nach einigen Quartalen rückläufiger Verkäufe der Mac- und iPad-Sparte und den 2018 stagnierenden iPhone-Absätzen. Es sieht nun so aus, als habe Apple etwas zu verstecken – nämlich mutmaßlich weiter rückläufige Hardwareverkäufe.

Während Anleger und Analysten über die rückläufigen Verkäufe der iPad- und Mac-Sparte seit geraumer Zeit hinwegsehen, weil die Konzernbereiche seit Längerem nur noch eine untergeordnete Rolle spielen, nährt die plötzliche Geheimniskrämerei beim iPhone die schlimmsten Befürchtungen über Apples weiter mit Abstand wichtigstes Produkt – das iPhone-Wachstum scheint ausgereizt.

Verwirrende Erklärungen zum Ende der Stückzahlenverkäufe

In typischer Apple-Manier versucht der iKonzern nun künftig nicht nur Journalisten bei Keynotes (“We want you to focus on the product“), sondern auch Anleger und Analysten nach der Konzernmaxime einzunorden. Während Tim Cook merkwürdige Erklärungen für den künftigen Verzicht parat hatte (“Es ist ein bisschen so, als würden sie an der Supermarktkasse nach der Zahl der Waren gefragt werden”), hielt Luca Maestri Analysten den nächsten Köder hin: Statt Verkaufszahlen der Geräte will Apple künftig die Gewinnmargen seiner Sparten veröffentlichen, die zuletzt durch die teureren Gerätepreise gestiegen sind.

Die Vorgehensweise ist jedoch gleich doppelt problematisch. Anleger und Analysten durchschauen die Maskerade schnell, wie der Kurssturz am Freitag beweist: Wer plötzlich eine jahrzehntelange Statistik einkassiert, die von Steve Jobs eingeführt worden war, will unbedingt das Augenmerk verändern, weil er befürchtet, dass Wachstumsraten seiner Hardware künftig negativ ausfallen.

Das von Finanzchef Maestri angeführte Argument, dass die tatsächlich erzielten Absätze für die Bilanz aussagekräftiger seien, während die tatsächlichen Stückzahlen für Verwirrung sorgen könnten, scheint für den Moment stichhaltig – mittel- und langfristig werden sie für Apple jedoch zum Bumerang, weil der iKonzern kaum beliebig an der Preisschraube drehen kann.

Einmaleffekt der steigende Margen wegen steigender iPhone-Preise lässt sich nicht wiederholen

Zustande gekommen sind die jüngsten Rekordergebnisse nur deshalb, weil es Apple gelungen ist, seiner treuen Klientel mit der Einführung der hochpreisigen iPhone X-Serie noch mehr Geld abzunehmen als bisher – ein höherer Preis fürs OLED-Display hin oder her. Dieser Margentrick, den Cook auch beim neuen iPad Pro und dem teureren MacBook Air spielt, funktioniert aber nur alle paar Jahre mit neuen Modellen – bestenfalls.

Dass Apple bei einem Smartphone mit einem Preisschild von 1000 Euro und mehr durchkommt, ist an sich eine Leistung, die sich allerdings kaum beliebig abrufen lässt. Ein iPhone für 2000 Euro im Jahr 2020 ist ebenso wenig vorstellbar wie Einsteiger-MacBooks oder iPad Pros zu diesem Preis. In anderen Worten: Das Apple des Jahres 2018/19 dürfte ein mehrjähriges Bilanzplateau erreicht haben, von dem aus das Wachstum immer schwieriger wird.

Die goldene Ära des iPhone-Wachstums ist unwiederbringlich vorüber

Nach dem lang erwarteten Superzyklus der gleich drei neuen Smartphone-Modelle iPhone XS, XS Max und iPhone XR dürfte die Richtung 2019 nämlich kaum mehr nach oben zeigen, wenn die kryptischen Nachfolgermodelle à la iPhone XSs oder XRs auf den Markt kommen. Auch die Servicesparte, deren Wachstum binnen eines Quartals von 31 auf 17 Prozent abgeflacht ist, wird einen Einbruch der iPhone-Sparte kaum abfedern können.

Die Botschaft, die Tim Cook mit der neuen Verschwiegenheit in der Bilanzierung aussendet, ist klar: Apple versucht sich mit aller Macht neu zu erfinden – weg vom Hardwarehersteller hin zum Internetdienste-Anbieter. Dass an der Wall Street indes eine ganz andere Botschaft ankommt, war am Freitag zu besichtigen: Die goldene Ära des iPhone-Wachstums ist unwiederbringlich vorüber – und niemand weiß, was danach in der nächsten Dekade kommt.