Start-up-Serie: „In Hamburg sind Gründungen viel nachhaltiger und nicht so schnelllebig wie in Berlin“

Die Start-up-Welt ist auf dem Vormarsch. Wer sich umhört, kennt wenigstens einen jungen Gründer in seinem Freundeskreis. In unserer neuen asw-Reihe "Standort Deutschland" schauen wir uns die verschiedenen Städte und Regionen ganz genau an und starten mit Hamburg: Doreen Hotze von der Handelskammer Hamburg leitet die Abteilung Gründungszentrum. Im Interview mit der absatzwirtschaft berichtet sie von den größten Herausforderungen für junge Gründer
Doreen Hotze von der Hadelskammer Hamburg leitet die Abteilung Gründungszentrum

Frau Hotze, was würden Sie einem Gründer empfehlen, wenn er sich für eine Stadt entscheiden müsste: Hamburg oder Berlin?

Hamburg bietet Gründern eine gute Basis, um Ideen erfolgreich umzusetzen. Hamburg soll zukünftig noch interessanter für Gründer werden. So sieht der Koalitonsvertrag des rot-grünen Senats vor, mit neuen Veranstaltungen, Netzwerk-Treffen und Wettbewerben die Gründerszene noch mehr in die Elbmetropole zu locken. Mit einer durchschnittlichen Gründerquote von 2,36 Prozent (Anteil von Gründern an der Bevölkerung im Alter von 18 bis 64 Jahren in Prozent) ist Hamburg dem KfW-Gründungsmonitor 2015 zufolge das Bundesland mit der zweithöchsten Gründungsaktivität in Deutschland.

Viele Gründungen aus Hamburg sind mittlerweise zu international agierenden Unternehmen geworden, darunter InnoGames, Bigpoint, Facelift, Goodgame Studios, Jimdo, myTaxi oder Xing. Startups wie Dreamlines, Kreditech, Protonet, Stuffle oder Sonormed schreiben diese Erfolgsgeschichte fort, um nur einige zu nennen. Und nicht ohne Grund haben sich mit Google, Facebook, Twitter, Hootsuite und Yelp führende Internetgiganten bei der Auswahl ihres Hauptsitzes in Deutschland für Hamburg entschieden. Also, wenn man mich fragt, dann natürlich Hamburg 😉

2. Was zeichnet Hamburg als Gründerstadt besonders aus?

Die Gründe, warum Hamburg attraktiv für Startups sind, sind vielfältig. Nicht zuletzt profitiert Hamburg als Stadtstaat von seiner Eigenschaft als Ballungszentrum in der Metropolregion. Viele Menschen leben auf einem begrenzten Raum. Damit ergibt sich eine Nähe zu einer Vielzahl an Kunden, Lieferanten oder Kooperationspartner. Die Standortfaktoren wie Infrastruktur oder Transport- und Handelswege (Hamburg ist Verkehrsknotenpunkt mit Hafen, Flughafen, Zugang zu Schifffahrtswegen und einer guten Bahn- und Autobahnanbindung) sind positiv. Besonders der große Hafen ist in Deutschland einzigartig und macht Hamburg zu einem perfekten Umschlagsort für Handel mit guten Anbindungen in alle Welt (auch ist Hamburg drittgrößte Luftfahrtstandort der Welt). Gerade für Unternehmen mit Außenhandel ist der Standort Hamburg gerade zu ideal.

Aber auch die Dichte in Fachkräften spielt eine Rolle. Die Stadt bietet 20 Hochschulen und exzellente Forschungseinrichtungen. Diese Nähe zu den Hochschulen beflügelt insbesondere innovative Gründungen bzw. Gründungen aus Hochschulen. Außerdem bietet Hamburg als einer der schönsten Städte in Deutschland eine hohe Lebensqualität durch die Lage zur Elbe, zur Nord- und Ostsee, zahlreiche Einkaufsmöglichkeiten und kulturellen Angeboten. Damit bietet die Hansestadt gerade für potenzielle Arbeitskräfte einen guten Lebensraum. Hamburg bietet Wohlstand und liegt im Vergleich zu anderen Bundesländern weit vorn. Auch die Wirtschaftskraft ist in Hamburg überdurchschnittlich – die Kaufkraft je Einwohner nach einer GfK-Studie 2016 (Prognose) beträgt in Hamburg 24.024 Euro und damit nimmt die Stadt eine Spitzenposition ein, was gerade für den Handel ein positives Klima ist. Eine starke und diversifizierte Wirtschaftsstruktur sowie ein lebendiges Startup-Ökosystem bilden eine gute Basis, um Ideen erfolgreich umzusetzen.

Auch verfügt Hamburg über starke Partner (wie z.B. die Handelskammer Hamburg)  und Netzwerke (wie z.B. das Hamburger Gründungsnetzwerk, Hamburg Startups), die Gründungen unterstützen und begleiten – nicht nur bei der Neugründung eines Unternehmens, sondern stehen auch in anderen Phasen der Unternehmensführung zur Seite. Die Hansestadt ist gleichzeitig Heimat vielfältiger Veranstaltungen, auf denen Gründer sich informieren und Anknüpfungspunkte für den Auf- und Ausbau von eigenen Beziehungsnetzen bieten.

3. Welche Szene gründet in Hamburg am liebsten? Foodies oder doch Gamer?

Dazu liegen mir derzeit keine Zahlen vor. Aus dem Bauch heraus würde ich sagen, die  Food-Branche wächst und wächst, die Gamer stagnieren langsam, da sich der Markt konsolidiert.

4. Gründen Entrepreneurs in Hamburg anders als zum Beispiel in Berlin?

In Hamburg sind Gründungen viel nachhaltiger und nicht so schnelllebig wie in Berlin [Qualität statt Quantität]. Die Anzahl der Gewerbeanmeldungen pro 10.000 Einwohner ist in Berlin zwar leicht höher als in Hamburg (laut Statista: Berlin 121,4; Hamburg: 114,4), jedoch sind die Unternehmensgründungen in Hamburg nachhaltiger. Dies zeigt der Vergleich der Insolvenzhäufigkeit (laut Statista 2015: Berlin 0,97; Hamburg 0,88).

5. Laut Handelskammer und Gründungsbarometer von April 2016 gehen die Gründungen in Hamburg leicht zurück. Was sind die Gründe? Wird es ein schweres Jahr 2017 für Gründer und Startups?

Gesamtwirtschaftlich wird die Gründungstätigkeit vor allem von Konjunktur und Arbeitsmarktentwicklung beeinflusst. Die konjunkturelle Entwicklung wirkt dabei als so genannter „Pull-Faktor“ auf das Gründungsgeschehen, das heißt eine gute Konjunktur „zieht“ Erwerbsfähige in die Selbstständigkeit. Eine negative Entwicklung des Arbeitsmarkts wirkt dagegen als „Push-Faktor“, durch den Erwerbsfähige einen Anstoß zur Selbstständigkeit bekommen. Im Jahr 2015 ist das reale BIP-Wachstum mit 1,5 Prozent leicht zurückgegangen (2014: 1,6 Prozent), zudem sank die Erwerbslosenquote erneut deutlich um 0,4 Prozentpunkte2 (2014: -0,2 PP). Die Konjunktur verlor also im Vergleich zum Jahr 2014 geringfügig an Zugkraft auf Gründer und der arbeitsmarktseitige Druck zur Selbstständigkeit auf Erwerbslose ließ weiter nach. Die Entwicklung der beiden gesamtwirtschaftlichen Faktoren hat sich damit negativ auf das Gründungsgeschehen im Jahr 2015 ausgewirkt. (Kfw-Gründungsmonitor)

6. Was sind die größten Herausforderungen von Gründern in den ersten Monaten?

Man hat für alles allein den Hut auf ist dafür verantwortlich. Der Gründer ist alles in einer Person, vom Personalchef über den Finanzchef, bis hin zum Controller, Vertriebler und  Einkäufer. Hinzu kommt dann noch, dass man den Überblick über diese Vielzahl an Themen behalten muss. Vieles muss der Gründer erst lernen. Häufig bleibt keine Zeit mehr für Privatleben und die persönlichen Bedürfnisse rücken in den Hintergrund. Wenn es dann dazu kommt, Mitarbeiter einzustellen oder eine Finanzierung zu erhalten, gilt es die richtigen Partner zu finden.