Staat gefährdet Wettbewerb zwischen den Marken

Vor den Gefahren einer kartellrechtlichen Überregulierung im Lebensmittelsektor warnen eindringlich die Handelsexperten Prof. Dieter Ahlert vom Institut für Handelsmanagement und Netzwerkmarketing an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Prof. Peter Kenning vom Lehrstuhl für Marketing an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Beide Experten wandten sich in einem Pressegespräch gegen eine pauschale Stigmatisierung der vertikalen Preisgestaltung und setzten sich für eine Stärkung der Möglichkeiten einer aktiven Preis- und Markenpflege in der Wertschöpfungskette ein.

Rund ein Jahr ist es her, dass das Bundeskartellamt bei Markenartikelherstellern und Handelssystemen eine bundesweite Durchsuchungsaktion startete. Das Amt ging dem Verdacht nach, dass sich Hersteller und Händler über die Gestaltung der Endverbraucherpreise abgestimmt haben, und wird in Kürze Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten. Ausdrücklich begrüßte Ahlert ein engagiertes Vorgehen der Wettbewerbsbehörden im Falle des Verdachts horizontaler Preisabsprachen zwischen marktstarken Herstellern oder auch zwischen marktstarken Handelssystemen. Kritisch sei hingegen das Vorgehen der Wettbewerbsbehörden gegen vertikale Preisabsprachen zu werten, bei denen die beteiligten Unternehmen nicht einmal im Wettbewerb miteinander stünden.

„Warum sollte, was in filialisierten Konzernen erlaubt ist, ausgerechnet in hierarchiefreien Wertschöpfungssystemen unterbunden werden?“ fragte der Wissenschaftler. Die unklare Rechtsbasis werde von den Unternehmen als Bedrohung empfunden, was erhebliche Folgen nach sich gezogen habe. „Markenstrategisch notwendige Abstimmungen in der Wertschöpfungskette unterbleiben, wenn sie auch nur im Entferntesten mit dem Tatbestand einer koordinierten Preisgestaltung in Verbindung gebracht werden könnten“, sagte Ahlert. Angesichts dessen bestünde dringender wettbewerbspolitischer Klärungsbedarf, ob tatsächlich verschärfte Eingriffe der Wettbewerbsbehörden in das Innenleben von Wertschöpfungssystemen gerechtfertigt seien.

Vor einer verschärften Regulierung warnte Ahlert: „Dadurch würde der Binnenwettbewerb der Wertschöpfungssysteme und die Funktionsfähigkeit des Markenwettbewerbs gefährdet.“ Durch kartellrechtliche Eingriffe könne die Strukturentwicklung und Innovationskraft der Branche außer Kraft gesetzt sowie die Markenvielfalt zulasten des Kunden gemindert werden. Gerade bei Lebensmitteln sei die Zusammenarbeit in der Vermarktungskette mit Blick auf deren Funktionsfähigkeit und die Sicherung der Angebotsvielfalt wichtig. „Die Möglichkeit einer Preis- und Markenpflege in der Wertschöpfungskette sollte zugelassen werden, beispielsweise auch, um Auswüchse des Preisverrisses zu unterbinden. Dass durch die vertikale Abstimmung in der Wertschöpfungskette die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs außer Kraft gesetzt oder auch nur gestört wird, ist nicht erkennbar.“

Die Forderung von Ahlert, die Freistellung von Maßnahmen zur Preis- und Markenpflege im Konsumgütersektor auszuweiten, wurde von Prof. Kenning gestützt, der im Rahmen einer empirischen Studie die kundenseitige Bedeutung der Preis- und Markenpflege untersuchte. Er hob hervor, dass die bestehende Rechtslage bereits heute entsprechende Möglichkeiten vorsieht. „Bei der Freistellung vom Verbot der vertikalen Preisbindung ist der Nachweis zu erbringen, dass mit den beabsichtigten Preisvereinbarungen positive Effekte für den Wettbewerb und für die Verbraucher einhergehen“, sagte Kenning. „Aus informationsökonomischer Perspektive stellt die vertikale Marken- und Preispflege in der Konsumgüterdistribution einen Effizienzgewinn dar. So reduziert sich etwa die Unsicherheit der Verbraucher beim Kauf von Gütern des täglichen Bedarfs. Hier ist zu bedenken, dass preisgepflegte Marken für viele Kunden eine Informationsquelle darstellen.“

Allein ein Drittel der Kunden verlasse sich auf die Preiskonstanz als Qualitätsindikator. In manchen Fällen sei der Preis sogar ein zentraler Bestandteil der Nutzenstiftung einer Marke. Auch bei der Einführung von Innovationen könne die vertikale Preis- und Markenpflege positiv wirken, da damit die Kundenakzeptanz erhöht würde. „Insofern kann sie auch einen Beitrag zur Verbesserung der Warenerzeugung und -verteilung sowie der Förderung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschritts leisten“, erläuterte Kenning.

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