Sozialdemokraten in der Kommunikationskrise: Kann ein Ex-CDU-Mann die SPD retten?

Sämtliche Umfrageergebnisse lassen den Schluss zu: Die Sozialdemokraten sind gegen die Union ohne Chance. Ausgerechnet ein Konservativer soll das Blatt wenden. Angeheuert hat ihn SPD-Chef Gabriel

Von Thomas Schmoll

Die SPD braucht dringend eine gute Kommunikationsstrategie, denn die Beliebtheit von Kanzlerin Angela Merkel, die die Union konstant über 40 Prozent hält, ist übermächtig. Mit Werten zwischen 23 und 26 Prozent gelten die Sozialdemokraten faktisch als chancenlos im Rennen um das Kanzleramt – was noch nicht einmal in den eigenen Reihen schöngeredet wird. So riet der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Torsten Albig seiner Partei, gar nicht erst einen eigenen Kanzlerkandidaten zu nominieren, weil es sowieso sinnlos sei, die übermächtige Amtsinhaberin herauszufordern.

Thomas Hüser: ein Christdemokrat

SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht das naturgemäß anders. Er heuerte Thomas Hüser, Leiter und Inhaber einer PR-Agentur in Essen, mit dem Auftrag an, Albig und der Öffentlichkeit das Gegenteil zu beweisen. Soweit so normal – wäre Hüser nicht ein bekennender Konservativer, der sich in der katholischen Kirche engagiert, einer Institution also, die wie die SPD Mühe hat, ihre Klientel bei der Stange zu halten. Gabriels neuer Berater ist Sprecher des bischöflichen Rates für Wirtschaft und Soziales des Bistums Essen. Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz meinte über den PR-Profi: „Dass Hüser christdemokratisch denkt, ist für Gabriel kein Hindernis; sozialdemokratisch sind im Revier schließlich schon alle anderen.“

„So einen hat es vielleicht noch nicht gegeben in den 150 Jahren der deutschen Sozialdemokratie“, orakelte gar die Süddeutsche Zeitung. Um reinen Tisch und sich nicht angreifbar zu machen, trat Hüser kürzlich nach neun Jahren aus der CDU aus. Seine lange Mitgliedschaft hindert ihn nicht daran, Merkel als „nicht besonders gute Wahlkämpferin mit wenig Charisma“ darzustellen. „Habituell konservativ zu sein“, sagt der PR-Profi, der sich als Mann der politischen Mitte bezeichnet, „heißt in bestimmten Kontexten ja nicht, progressive sozialdemokratische Ideen abzulehnen“.

„Ich bin immer noch kein Freund von Rot-Rot-Grün“

Wer sich nach Berlin traut, bekommt es auch mit der aufmerksamen und mitunter galligen Hauptstadtpresse zu tun. Ein Erlebnis dieser Art hat der Nordrhein-Westfale schon hinter sich. Journalisten von Springers „Die Welt“ durchforsteten Hüsers Facebook-Account und förderten prompt eine Mitteilung zu Tage, die er heute nicht mehr so schreiben würde. Ende Dezember wünschte der PR-Profi, dass Gabriel, damals noch nicht sein Auftraggeber, „beim nächsten Mal wieder 20 plus x einfahren“ werde: „Und das ist auch gut so“. Darauf angesprochen, meinte Hüser: „Ich bin immer noch kein Freund von Rot-Rot-Grün. Ich glaube auch, dass Koalitionen mit der Linken nicht unbedingt positive Auswirkungen auf das Bundestagswahlergebnis der SPD haben können.“ Damit verrät Hüser auch schon, wohin die Reise nach seinem Willen gehen soll: Ab durch die Mitte. Denn nach wie vor werden Wahlen im politischen Zentrum gewonnen und nicht an den Rändern – jedenfalls in Deutschland ist das so. Diesen Kurs durchzudrücken, wird schwierig sein, was sowohl Hüser als auch Gabriel mit Sicherheit wissen. Gerade der Wahlerfolg der Ultralinken in Griechenland hat in der SPD Sehnsucht nach einem Linksruck erzeugt, weg von der Agenda 2010, die ihr die 2005 die Macht kostete. Insofern ist es ein Risiko für den Parteivorsitzenden, einen konservativen Berater zu holen, der sein Heil in der Mitte sucht.

Die Chance der SPD

Hüser glaubt – wie sollte es auch anders sein? – an die Chance der SPD. Er ist sich allerdings sicher, dass er seinem Auftraggeber nur dann zum Sieg verhelfen kann, wenn es gelingt, Merkels Strategie zu durchkreuzen, nie eigene Themen zu setzen und jede klare Positionierung zu vermeiden, um die Anhängerschaft des politischen Gegners sowie Unentschlossene zu mobilisieren. „Ein Wahlkampf nur für die typische SPD-Wählerschaft wird nicht funktionieren“, sagt Hüser und erinnert an 2005. Vor dem Machtwechsel ließ die CDU-Chefin im Bundesrat bevorzugt das von der Reformagenda durch, was der SPD auf die Füße fiel im Wahkampf. Merkel musste aber auch Farbe bekennen, was sie will und was nicht. „Da war sie dann aber auch extrem schlecht und hat nur ganz knapp gewonnen“, meint Hüser.

Der angesehene Politologe Gero Neugebauer von der Freien Universität Berlin, der die Sozialdemokraten seit Jahrzehnten wissenschaftlich beobachtet, hält Gabriels Strategie für nachvollziehbar. Er sagt: „Da Sigmar Gabriel angekündigt hat, dass die SPD weiter in die Mitte der Gesellschaft will und die Ränder der Mitte – wie der Begriff überhaupt – unscharf sind, erscheint es ihm wahrscheinlich angebracht, sich selbst und unter Umständen die Kampagne der SPD kommunikativ„aufzurüsten“. Es sei logisch und konsequent, sich in der Außendarstellung „auf unterschiedliche Typen von Nachfragenden einzustellen. Und wenn man sich Veränderungen in der kommunikativen Praxis der SPD in den letzten Jahren anschaut, beispielsweise das Wechseln zwischen den Begriffen *Gerechtigkeit* und *Fairness*, nicht weiter erstaunlich.“

Über das eigene Lager hinaus Bindekraft entfalten

Ohnehin müsse es „der SPD egal sein, wer ihr Konkurrent ist“, meint der Politikkenner. „Sie muss sich auf jede Situation einstellen.“ Falls sich die Kanzlerin tatsächlich abermals zur Spitzenkandidatin nominieren und die Entscheidung mit der Ankündigung verknüpfen sollte, vorzeitig abzutreten, um früh den Weg für eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger frei zu machen, „schwächt sie ihre Position, wenn die Medien dann weniger Merkel, sondern die Ablösung debattieren. Also kann es für die SPD nicht egal sein, wie sie welche Kampagne mit wem plant.“ An der Stelle setzt denn auch Hüser mit seiner Idee an, dass die SPD Angebote über den Kreis ihrer typischen Klientel hinaus machen sollte, um über das eigene Lager hinaus Bindekraft zu entfalten. Die Sozialdemokraten sollen nach seinen Vorstellungen Antwort auf die zentrale Frage geben: Wie wollen wir eigentlich in Deutschland leben? „Tritt Merkel 2017 nochmals an, wird der Wähler nämlich Antworten genau darauf hören wollen. Er wird Merkel fragen: Was wollen Sie jetzt noch machen, was Sie bisher nicht auf die Reihe bekommen haben? Dann kann die nicht sagen: „Sie kennen mich doch, ich bin die Frau Merkel“.