Social-Media-Monitoring – Wer sagt wo was über wen?

Zuhören ist die Königsdisziplin von Social Media. Das Zuhören auf der eigenen Facebook-Seite fördert die Meinungen der treuesten Kunden zutage. Viel spannender aber ist es, dort Mäuschen zu spielen, wo sich die Kunden unbeobachtet fühlen.

Von Frank Puscher

Die PR-Manager von Nokia dürften feuchte Hände gehabt haben, als sie am Vormittag des 6.
September ihre Rechner starteten und erste Analysen der Kommentare zur Produktpräsentation am Vortag sahen.
Nokia-Chef Stephen Elop hatte die beiden neuen Smartphones mit Windows 8 als Betriebssystem zwar in die Höhe gehalten, doch er konnte nicht sagen, wann die Telefone zu welchem Preis auf den Markt kommen.
Prompt stürzte der Aktienkurs ab.

Während viele professionelle Medienvertreter schnell ein vernichtendes Urteil bei der Hand hatten, fiel die Reaktion im Social Web weitaus differenzierter aus. Gleich eine ganze Armada von Twitternutzern lobte das schöne und schlichte Design und erhoffte sich Produktivitätsvorteile von der Integration von Betriebssystemen auf PC und Smartphone. Die Kritik war eher pragmatischer Natur: Wann und wo kann man es kaufen? Ich würde gerne, aber ich kann nicht! Der Monitoring-Dienst Social Mention sah 20 Befürworter auf einen Kritiker.

Nachdem das erste Aufatmen durch die Nokia-Reihen gegangen war, folgte prompt die Ernüchterung. Es gab plötzlich ein handfestes Thema, ein Issue. Die Marketer hatten in ihrem Eifer Kamerafunktionen des Lumia 920 mit gefälschten Bildern illustriert. Im Verlauf des Donnerstags erhitzte sich die Stimmung, vor allem auf Twitter, und Nokia sah sich zu einer Richtigstellung auf dem eigenen Blog gezwungen: Die Bilder seien als „Simulation“ der künftigen Funktionen gedacht gewesen.

Die Grunddisziplin im Umgang mit Facebook und Co. ist Social-Media-Monitoring. Bereits bevor man eigene Aktivitäten auf den Diensten startet, sollte man sich damit auseinandersetzen, welche Themen die User diskutieren, welche Stimmung gegenüber der eigenen Marke oder den Produkten herrscht und vor allem, wo die Nutzer am liebsten diskutieren. Zu hoffen, dass alle Kritiker freiwillig auf die eigene Facebook-Seite des Unternehmens kommen, um sich zu beschweren, wäre ein fataler Trugschluss.

Social-Media-Monitoring ist Marketingrecherche im 21. Jahrhundert

Aber es geht nicht nur um Kritik und die möglicherweise drohende PR-Krise, den Shitstorm. Es geht auch darum, die emotionalen Befindlichkeiten der Nutzer zu erfahren und herauszufinden, welche Themen sie bewegen. Diese Themen sind es, die man in der Unternehmenskommunikation spielt. Diese Schlüsselbegriffe sind es, zu denen man auf Google Anzeigen schalten sollte, weil sie von Nutzern dort gesucht werden. Social-Media-Monitoring ist Marketingrecherche im 21. Jahrhundert. Sie kann mehr über die Customer-Journey in Erfahrung bringen als eine Umfrage. Dieser Meinung sind auch die Macher von Schwarzkopf.de. Der Haarspezialist änderte Anfang 2011 in einem Relaunch die komplette Website: Die Produkte sind nur noch auf Unterseiten zu finden. Stattdessen setzt man auf eine gezielte Contentstrategie. „Die User diskutieren Themen und nicht Produkte und bei den Themen waren wir nicht genügend präsent“, erläutert der damalige Leiter des digitalen Marketings, Frank Horn.

Neben der Krisenkommunikation und den grundlegenden Themen gibt es noch jede Menge weiterer Ansätze, in denen Social-Media-Monitoring helfen kann. In Support-Fragen ergibt es Sinn, nach Häufungen zu fahnden. Taucht ein spezifisches Problem immer wieder auf, liegt es nahe, dass tatsächlich Optimierungsbedarf beim Produkt besteht.
In der Leistungsspitze ermittelt Social-Media-Monitoring auch Innovationspotenzial.
Dabei geht es weniger um die einzelne Idee – die ließe sich eher im gezielten Dialog mit dem Kunden, etwa in einem Lead-User-Blog, ermitteln.
Vielmehr lassen sich Trends ablesen.
Aktuell wäre es spannend zu beobachten, ob die Nutzer sich verstärkt über ein Thema wie hybride Notebooks mit integriertem Tablet unterhalten.
Das könnte ein Indiz dafür sein, dass Microsoft mit der Strategie, ein Betriebssystem für mehrere Anwendungsszenarios zu entwickeln, richtigliegt.
Aus Sicht des Marketings wäre also dann der Zeitpunkt erreicht, in Windows-8-Apps zu investieren, um als First Mover den zu erwartenden Presserummel mitzunehmen.

Das Beispiel mit dem hybriden Tablet zeigt bereits eines der drei großen Probleme des Social-Media-Monitorings: Wonach soll man suchen?
Darüber hinaus stellen sich die Fragen, wie man eine Software auf dem aktuellen Stand hält, wenn sich ständig die Quellen ändern, und wie man die Ergebnisse des Monitorings verteilt.

Datenqualität

Was findet das Werkzeug überhaupt? Hier hilft der Vergleich mehrerer Werkzeuge gegeneinander und natürlich sollte man selbst testweise Beiträge und Kommentare in Foren einstellen, um zu testen, wie schnell die Tools sie finden.
Schnittstellen: Gerade die US-Tools beschäftigen sich mitunter stark mit Systemen wie Linkedin oder Memotoo, die für den deutschen Markt wenig Relevanz haben. Umgekehrt wissen diese Tools nichts von branchenspezifischen Foren oder nationalen Systemen wie Gutefrage.net.
Hier muss der Nutzer die Möglichkeit haben, dezidiert Webadressen einzugeben, wo die Crawler suchen sollen.
Selbst wenn eine solche Eingabe existiert, ist Misstrauen angesagt.
Erst wenn Ergebnisse aus diesen Kanälen im Dashboard auftauchen, funktioniert das System.

Dashboard

Die Übersichtlichkeit in der Aufbereitung der Monitoringdaten ist das A und O, vor allem beim Einstieg.
Wichtige Einträge müssen schnell zu erkennen sein?
Das Tool benötigt weiterhin Alarmsysteme, wenn plötzliche Häufungen von Produkt- oder Markennennungen auftauchen.
Außerdem muss der Nutzer Kanäle nach eigenem Gutdünken priorisieren können.

Datenexport

Hinsichtlich der Alarmsysteme sind Meldungen per E-Mail und SMS eine gute Option.
Ideal ist, wenn mehrere Empfänger hinterlegt werden können, die eventuell sogar unterschiedliche Berichte erhalten.
Die Wochen- und Monatsberichte sollten ebenfalls per E-Mail empfangbar sein, zumindest eine Meldung darüber, dass ein solcher Bericht vorliegt.
<-Tatsächlich sind die Antworten auf diese Fragen banal, enthalten aber gewaltige Tragweite.
Die "richtige" Suche ähnelt dem Prinzip der Keyword-Recherche für das Schalten von Google-Anzeigen.
Eine Markenrecherche alleine ist für ein Unternehmen spannend, das Sponsoring betreibt wie der Finanzdienstleister Allianz.
Hier will man die Umgebung der Namensnennung erkunden und hofft, dass diese positiv ist.

Für die allermeisten Unternehmen ist das zu wenig

Viele sind so klein, dass ihre Marke nur den Bestandskunden bekannt ist, nicht aber potenziellen Neukunden.
Daher wird eine Initialrecherche nach dem Markennamen den Eindruck erwecken, als wäre Social Media hier kein wichtiger Kanal.
Sucht man hingegen nach den Themen, die ein Unternehmen vertritt, so mag es sein, dass ein anderes Ergebnis zutage tritt.
Ein guter Ansatz ist auch, die Konkurrenz im Social Web zu beobachten: Vielleicht ist die in der Markenwahrnehmung einen Schritt weiter.

Einer der größten Fehler, die Unternehmen immer wieder machen, ist die Betriebsblindheit.
Das gilt in erster Linie für die Sprache: Während Unternehmen „Waschvollautomaten“ verkaufen, suchen viele Nutzer „Waschmaschinen“.
Wer im „Carsharing“ zu Hause ist, sollte sich auch mit dem Thema „Autovermietung“ auskennen.
Im konkreten Beispiel mit dem hybriden Computer kämen als Suchbegriffe zum Beispiel „Hybrid“ oder „Convertible“ in Betracht.
Weil viele Nutzer diese Begriffe am Anfang der Recherche gar nicht kennen, sollte man aber auch „Kombination aus Notebook und Tablet“ beobachten.

Die Liste ließe sich endlos fortsetzen.
Gutes Monitoring ist ein probates Hilfsmittel gegen Betriebsblindheit.
Wer mit grundlegenden Recherchen zu Marke, Produkt und angrenzenden Themen beginnt, wird schnell lernen, welche Sprache die Kunden sprechen.
Auch die Mitarbeiter aus dem Vertrieb, die nah am Kunden sind, können wertvolles Wissen zur Definition von Keywords und Themen beitragen.

Marketingberater Roland Fiege sieht hier das wesentliche Defizit im Umgang mit Social Media: „Was noch lange nicht gemacht wird, ist ein keywordbasiertes Screening von Twitter oder anderen öffentlichen Bereichen nach Produktnamen, die man seinen Produktkategorien zuordnet: Welcher Nutzer hat das wann und wo geäußert?“

Erste Schritte im Monitoring

Dabei sind die ersten Schritte bei der Analyse der sozialen Netzwerke eigentlich recht simpel.
Es gibt eine Handvoll kostenloser Werkzeuge, bei denen es nur eine Frage von Minuten ist, ein Konto einzurichten und erste Analysen zu starten.
Manches Werkzeug, wie zum Beispiel Social Mention, funktioniert sogar ganz ohne Anmeldung.
Auch für die Einrichtung von Google-Alerts bedarf es nur einer E-Mail-Adresse.
Social Mention und Google-Alerts sind eher minimalistische Ansätze.
NetVibes ist ein kostenloser Dienst, der bereits deutlich üppiger ausgestattet ist.
Hier darf der Nutzer sogar in die Quellenauswahl eingreifen und sich selbst die Steuerkonsole, das Dashboard, konfigurieren.
Andere kostenlose Werkzeuge wie ViralHeat erlauben dem Benutzer, direkt neue Inhalte auf den Social Networks zu publizieren.
Sie fungieren somit als universelle Steuerkonsole.
Unterdessen meint Folker Michaelsen, Assistant Vice President, Market & Customer Insight der Allianz, dass die kostenlosen Tools allenfalls dazu geeignet sind, sich einen ersten Eindruck von der Lage zu verschaffen.
Für ihn gibt es keine Alternative zu den professionellen Werkzeugen wie SDL SM2, Radian 6 oder Sysomos Heartbeat.

Die Handhabbarmachung der Analyseergebnisse ist für die meisten Unternehmen das größte Problem: Wer wird wie eingebunden, wenn wichtige Beiträge eintrudeln?
Eine vollautomatische Zuordnung ist schwierig, da man die Inhalte der Textbeiträge schlecht vorhersehen kann.
In den meisten Fällen wird ein manueller, redaktioneller Verteiler gepflegt werden müssen.
Das ist eine zentrale Anlaufstelle, die nicht nur Reports verteilt, sondern auch die Dringlichkeit von Issues bewertet und von den Beteiligten das Feedback einfordert.

Die Alternative ist der Full Service.
Beispielsweise bietet die Berliner Business Intelligence Group (BIG) die Auswertung des Monitorings sowie Erstellung und Versand der Berichte im Paket an.
„Die Kunden buchen bei uns keine Software, sondern eine Dienstleistung“, erläutert BIG-Berater Andreas Köster.
Anbieter wie BIG sehen Monitoring nur als Teil einer gesamtheitlichen Strategie zum Umgang mit Unternehmensdaten.
Bestenfalls sollen die Monitoringdaten mit Informationen aus den CRM-Systemen, aus dem Support, aus internen Wissensdatenbanken sowie mit Daten aus Marktforschung und Vertrieb kombiniert und zu einer zentralen Wissensbasis aufgebaut werden.
Ein Vorhaben, das häufig umfassende Change-Prozesse auslöst und aus Sicht des Datenschutzes sorgfältig behandelt werden will.
„Wer die Monitoringdaten zum Beispiel aus Facebook mit Kundendaten zusammenführt, sollte sich auf jeden Fall die dezidierte Erlaubnis dafür holen“, so Köster.

Da viele Unternehmen nicht wissen, ob ein Full-Service-Paket in Frage kommt, bietet sich eine Initialanalyse an.
Dabei werden aktuelle und historische Daten analysiert, um schnell ein valides Ergebnis zu bekommen.
„Während eine kleine Analyse bereits für wenige hundert Euro machbar ist, kosten große Reports bis zu 15 000 Euro“, erläutert Köster.
Eine durchschnittliche Nullmessung eines Themas für die letzten zwölf Monate liegt bei rund 3 500 Euro.

Beitrag zuerst erschienen in absatzwirtschaft 11/2012