Social Commerce: Comeback des Freundeskaufs

Vor zehn Jahren kam die Idee auf, man könnte mit Hilfe von Chat und Social Media, Freundesgruppen dazu bringen, sich gegenseitig zu motivieren, Produkte zu kaufen. In diesen Tagen feiert die Idee ein fulminantes Comeback.
Levis hat auf die Vernetzung vie Facebook gesetzt und ist gescheitert – nun gibt es mehrere neue Anläufe für den gemeinsamen Online-Einkauf mit Freunden. (© Screenshot Puscher)

Kennen Sie die Ursprungsidee von Groupon? Sind Ihnen die spektakulären Kampagnen von Letsbuyit.com noch ein Begriff? Oder haben Sie selbst den Friendsstore von Levis einmal getestet?

Alle drei Konzepte einte eine Idee: der Gruppenkauf. Mehrere User sollten sich zusammenschließen und sich gegenseitig motivieren, Produkte zu  kaufen. Die Ansätze waren leicht verschieden: Levis hatte es gezielt auf Empfehlungen abgesehen, die aus dem Facebook-Freundeskreis kommen sollten. Der User sah im Friendsstore, was seine Freunde vor ihm bei Levis gekauft hatten. Bei Groupon und Letsbuyit sollten sich Fremde zusammenschließen, um gemeinsam günstigere Preise zu erzielen. Beide Dienste haben ihr Geschäftsmodell inzwischen signifikant geändert. Die Idee des sozialen Einkaufs fristet vor allem als Tell-a-friend-Funktion ein eher trauriges Dasein.

Das Comeback via Chat 

Doch gemeinsam einkauft wird nach wie vor, auch im Netz. Die User nutzen einfach einen ihrer Messenger, um sich mit Freunden über Kaufoptionen auszutauschen oder die beste Freundin zu fragen, ob das eben anprobierte und fotografierte Kleid einem steht. Oder sie teilen einen spannenden Kauf via Facebook mit dem breiteren Freundeskreis. Und letztlich kann sogar der durch Influencer und Mikro-Influencer induzierte Kauf als Social Commerce bezeichnet werden.

Ab Anfang 2020 testen Shops der Otto-Gruppe die Gruppenkauf-Lösung von Groupify.

Potential für die Disziplin ist also reichlich vorhanden. Aber wo und wie setzt man das um? Die Shops selbst haben ein Reichweitenproblem. Sie erreichen selten mehrere Freunde gleichzeitig. Die Sozialen Netzwerke verkaufen nicht selbst. Da entsteht ein Medienbruch.

Aber eben nicht in China. Dort ist WeChat das Alltagsbetriebssystem. User chatten nicht nur, sie kaufen dort auch, konsumieren Informationen und Medien. Marken und Handel sind ihnen dorthin gefolgt. Auf WeChat wird Umsatz gemacht und einer der ganz Großen in diesem Spiel heißt Pinduoduo und macht Gruppenkauf. 2018 ging das Unternehmen an die Börse und sammelte satte 24 Milliarden Dollar ein. Pinduoduo gehört zum Tencent-Imperium wie WeChat auch und beide Services befruchten sich gegenseitig.

Social Media bieten direkte Kaufoption

Das haben auch Instagram, Facebook, Youtube und Pinterest gesehen. Und alle bieten inzwischen zumindest die direkte Kaufoption an. Werbungtreibende können den Kaufbutton als Call-to-action unter der Anzeige einbinden, wobei die geschaltete Anzeige freilich nicht das gleiche Vertrauen genießt, wie die Empfehlung von einem Freund.

Das dachte sich Alexander von Harsdorf auch. Vor drei Jahren gründete er mit Freunden den Service Groupify. Das ist ein einfaches Plug-In für Onlineshops. Der User muss nur zwei Freunde per Mail zum Kaufen einladen und schon erhalten alle zusammen einen Rabatt. Diese Form der Rabattierung haben Händler längst gelernt, weil die Akquise von Neukunden ja immer kostet, egal ob über Facebook oder Google. Außerdem setzt Groupifiy auf dem normalen System für Gutscheincodes auf, das in den gängigen Shopsystemen standardmäßig vorhanden ist.

Und für die User entsteht die charmante Situation, dass sie zwar zeitgleich kaufen können, aber nicht müssen. Groupify funktioniert auch asynchron, wenn zum Beispiel der angeschriebene Freund erst abends nach Hause kommt.

Groupify-Gründer Alexander von Harsdorf meint, dass die Tell-a-friend-Funktion heute unzureichend eingesetzt wird.

Warum meint Alexander von Harsdorf, dass gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um den Gruppenkauf wiederzubeleben?

Alexander von Harsdorf: Vor allem aus zwei Gründen. Zum einen ist das Austauschen von Informationen über Kauferlebnisse ja ein ganz alltägliches Verhalten der Nutzer. Wir kombinieren das mit der Rabattierung. Dadurch entsteht zusätzliche Motivation nicht nur die Information zu teilen, sondern das auch über die Plattform des Händlers zu tun und nicht über Facebook. Zweitens wurde Tell-a-friend von den Shops aus meiner Sicht schlecht eingesetzt. Das gehört nicht nur ans Ende der Checkout-Strecke. Es kann doch auch ganz am Anfang auf der Homepage stehen oder direkt beim Produkt. Dort stehen heute die Social Media Icons, die generieren aber keinen unmittelbaren Umsatz.

In welchen Marktsegmenten sehen Sie die größten Chancen?

Überall dort, wo mindestens zwei Personen bei der Entscheidungsfindung beteiligt sind. Das gilt für Sport oder Mode. Ganz viele Frauen lassen sich von Freundinnen beim Einkauf beraten. Aber das gilt auch für Möbel und Inneneinrichtung, da ist es oft ein Pärchen, das beteiligt ist. Naheliegend ist es auch für Ticketing und touristische Leistungen für eine Gruppenreise.

Hat die Vergangenheit nicht gezeigt, dass es schwierig ist, die Menschen dazu zu bewegen, gleichzeitig einzukaufen?

Doch. Und genau da ist unser Ansatz ein anderer. Die Transaktion und auch die Rabattierung sind nicht davon abhängig, dass die Nutzer das gleichzeitig tun. Jeder kauft für sich selbst. Der erste Kunde kauft morgens und lädt zwei Freunde ein, die wiederum erst abends nach der Arbeit in den Shop gehen. Und der Gutschein wird eben nur aktiv, wenn drei Kunden tatsächlich kaufen.

Welchen Mehrwert verspricht sich der Händler, abgesehen von den Neukunden?

Der kollektive Kauf mit Freunden kann die Conversion steigern. Das muss man testen. Aber vor allem geschieht die Rabattierung ja direkt im Shop. Der Händler kann also darauf vertrauen, dass die neuen Kunden eine Affinität zu seinem Sortiment haben und er erhält natürlich die Daten, genau wie bei jedem anderen Neukunden. Die kann er in sein CRM-System überführen und den Kunden in der Folge nicht nur einzeln ansprechen sondern wiederum die Gruppe.

Und wie sehen Sie die Voraussetzungen?

Wir denken, dass der Shop schon eine signifikante Reichweite haben sollte. So ab 100.000 Visits pro Monat passt das. Dann braucht es etwas Fläche auf der Seite, wo das Tool eingebunden wird. Hier konkurriert Groupify mit anderen Plug-Ins, zum Beispiel für Bewertungen. Aber das wird jeder Händler sowieso für sich entscheiden. Unser Geschäftsmodell ist Software as a Service. Wir wollen gar nicht in die Zahlen des Händlers schauen. Er entscheidet, ob es sich lohnt.