So wird der Internet-Supermarkt erfolgreich

Über Lebensmittellieferdienste wird in Wissenschaft und Praxis zwar schon seit Jahren diskutiert. Inzwischen existieren auch zahlreiche Anbieter – doch die Ergebnisse sind bislang ernüchternd.

Viele Unternehmen mussten ihre Tätigkeit bereits wieder einstellen und kaum ein Anbieter schreibt schwarze Zahlen. Die Gründe dieser Misserfolge sind unterschiedlich: Zu hohe Erwartungshaltung, unterschätzte Logistikanforderungen oder falsche Kundenansprache. Doch wo liegen die Erfolgsfaktoren für den Supermarkt im Internet?

Das Sortiment kostenbewußt bestimmen

Grundsätzlich gibt es für den Lieferdienst drei Sortimentsoptionen:

  • Trockensortiment,
  • Frischesortiment oder
  • Tiefkühlsortiment.

Das Angebot eines ausschließlichen Trockensortiments hat den Vorteil, dass sämtliche Lagerungs-, Distributions- und Kommissionierungsprozesse erheblich vereinfacht werden. Das senkt die Kosten. Allerdings findet der Kunde bei solch einem Anbieter nicht alle Güter seines täglichen Bedarfs.

Um „One-Stop-Shopping“ zu bieten ist es daher sinnvoll, das Angebot zumindest noch um frische Güter zu ergänzen. Tatsächlich gibt es auch kaum noch Händler mit einem ausschließlichen Trockensortiment. Bei der Ausweitung des Sortiments um frische oder gar gefrorene Güter muss der Anbieter jedoch die gesetzlichen Vorgaben für die Temperaturniveaus berücksichtigen. Dies hat erhebliche Konsequenzen für das Geschäftsmodell zur Folge und erhöht die Kosten. Denn das Angebot von frischen und tiefgekühlten Lebensmitteln muss an einen regional begrenzten Raum gekoppelt sein. Eine zentral angelegte Distribution wäre aufgrund der zu großen Distanzen unpraktikabel.

Das Distributionsmodell schrittweise erweitern

Um die entstehenden Kosten den zu erwartenden Erlösen anzupassen, bietet sich Internet-Händlern die Möglichkeit, das Distributionsmodell sequentiell
zu erweitern. Drei grundlegende Distributionsmodelle stehen dabei zur Auswahl. Sie orientieren sich an der Größe der zu erwartenden Nachfrage.

  • Kommissionierung aus einem Lebensmittelgeschäft.
  • Aufbau eines Kommissionierlagers in Public-Shared-Warehouses.
  • Integration eines Kommissionierlagers in ein bestehendes Regionallager.

So ist es in der Anfangsphase mit geringer Nachfrage vorteilhaft, eine Kommissionierung aus bestehenden Filialen heraus vorzunehmen. Dabei sind nur geringe Investitionen notwendig.

Bei steigender Nachfrage können Mengendegressionseffekte erzielt werden, die die Errichtung eigener Kommissionierlager sinnvoll erscheinen lassen.

Doch selbst bei einer effizienten Ausgestaltung des Lieferdienstes werden die Kosten immer höher sein als im stationären Handel. Denn dort erbringt der Kunde viele der Leistungen eines Internet-Shops selbst – zum Beispiel den Transport der Waren. Da dem Kunden bisher seine Eigenleistung beim stationären Handel aber nicht bewusst geworden ist, war er auch nur selten bereit, für den Lieferservice höhere Preise zu bezahlen.

Realistische Ziele setzen

Vor dem Hintergrund des Dilemmas der hohen Kosten und geringen Erlöse ist die Zielsetzung des Lieferserviceanbieters wichtig: Ist Gewinnerzielung geplant oder geht es vorrangig um den Aufbau von Ladentreue und Differenzierung im Wettbewerb?

Gewinerzielung steht bei Unternehmen im Vordergrund, die ausschließlich einen derartigen Lieferdienst anbieten – zum Beispiel die IHS AG. Eine Fokussierung auf die zweite Zielsetzung ist vor allem stationären Lebensmittelhändlern zu empfehlen, die den Lieferdienst unterstützend zu ihrer bisherigen Leistung einsetzen wollen. Gewinnerzielung kann darüber hinaus ein langfristiges Ziel sein.

Das Geschäftsmodell ausgestalten

Bei der Ausgestaltung des Geschäftsmodells für einen Lebensmittellieferdienst bieten sich grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  • Alleinige Leistungserbringung.
  • Kooperation mit anderen Unternehmen.

Gerade bei stationären Lebensmittelhändlern fehlen bisher die notwendigen Kompetenzen, die für eine direkte Belieferung des Kunden notwendig sind. Kompetenzen, die etablierte Logistikunternehmen oder Versandhändler bereits besitzen. Eine Kooperation von Lebensmittel- und Logistikexperten ist daher in vieler Hinsicht sinnvoll. Je nach Ausgestaltung einer derartigen Kooperation ergeben sich in Bezug auf den gemeinsamen Auftritt gegenüber dem Kunden zwei grundlegende Optionen der Markengestaltung:

  • Lieferservicemarke als reine Einzelhandelsmarke
    Bei einer solchen Ausgestaltung ist die Marke des Lieferdienstes entweder identisch mit dem dahinter stehenden Lebensmittelhändler, wie im Beispiel von Tesco.
    Oder sie ist trotz leichter Abwandlung zumindest der ursprünglichen Marke zurechenbar, etwa bei Rewe-Kommt. Auf diese Weise kann der Internet-Shop vom Image und Bekanntheitsgrad des Lebensmittelhändlers profitieren. Eventuelle Kooperationspartner werden hierbei allerdings nicht berücksichtigt.
  • Lieferservicemarke als vollständig neue Marke
    In diesem Fall wird eine komplett neue Marke entwickelt, die nach außen hin in keinem Zusammenhang mit den Betreiberunternehmen steht. Der Vorteil liegt in mehr Freiheiten bei der Positionierung. So könnte ein Discounter etwa einen Delikatessenservice anbieten. Darüber hinaus kann das Mutter-Unternehmen im Fall eines Misserfolgs negative Abstrahleffekte verhindern.

Gerade bei Lebensmittelhändlern, die eine Profilierung ihrer stationären Leistung durch den Lieferdienst anstreben (zum Beispiel versandkostenfreie Lieferung bei Kundenkartenmitgliedschaft), sollte der Auftritt jedoch in enger Verknüpfung zur bisherigen Leistung gestaltet werden.

Nachfrager nach Nutzungsmotiven segmentieren

Als Segmentierungskriterien kommen bei Lieferdiensten vor allem Nutzungsmotive in Frage (Benefit-Segmentierung). Das Motiv des Konsumenten für einen Kauf über das Internet liegt in der Bequemlichkeit und der Zeitersparnis, auch wenn dafür ein höheres Entgelt oder eine Lieferpauschale fällig wird. Empirische Untersuchungen haben folgende Kundengruppen identifiziert:

  • Berufstätige mit hohem Arbeitspensum
    Diese Gruppe ist aufgrund der ausgedehnten Arbeitszeiten selten zu Hause und kann wegen der knapp bemessenen Freizeit die Einkäufe nicht selbst erledigen. Daher ist es sinnvoll, dieser Zielgruppe enge Lieferzeitfenster in den Abendstunden anzubieten.
  • Kindergärten, Altenheime, gehbehinderte Personen und Gewerbetreibende kleineren Ausmaßes
    Für diese Gruppe können die Zeitfenster weiter gefasst werden, da die Anwesenheit der Zielpersonen am Lieferort nicht den Engpass darstellt. Zusätzlich kann der Händler das Sortiment hier einschränken, da diese Zielgruppe nur einen Teil ihres Bedarfs über einen Lieferdienst abdeckt.

Damit Lebensmittellieferdienste erfolgreich werden, muss es ausserdem bei den Nachfragern zu einer Veränderung des Einkaufsverhaltens kommen. Doch dies ist über Jahrzehnte gewachsen. Für Anbieter ist eine langfristige Zielverfolgung daher unumgänglich.


Autoren: Christian Meiß und Dirk Eckert, Ruhr-Universität Bochum
eingestellt am 21. März 2003.