Smartphone wird Fernbedienung des Lebens

Experten des Beratungsunternehmens Goldmedia werfen kurz vor Jahresende im Trendmonitor 2012 einen Blick auf Entwicklungen in den Bereichen Medien, Telekommunikation, Entertainment und Internet. Veröffentlicht werden Analysten-Kommentare und Thesen zu wichtigen Trends des kommenden Jahres in Deutschland. Schlagworte lauten unter anderem: Das Smartphone wird Fernbedienung des Lebens, Smart TV steht in den Startblöcken, mobile Videonutzung erreicht Massenmarkt, Werbe-Budgets wandern weiter in Richtung Online, Social Media goes Business.

Das Smartphone dringt laut Goldmedia immer tiefer in die Lebenswelt der Menschen und entwickelt sich zur zentralen Steuereinheit, quasi zur Fernbedienung für das gesamte Leben. Es wird zum Verbindungsstück zwischen physikalischer Welt, dem Cyber-Space und der sozialen Welt: Es ist immer online, hat Ortskennung, externes Gedächtnis und Cloud-Zugriff, dient zur Beziehungspflege und als Empfehlungsmaschine mit eingebautem Telefon. Und die Entwicklung hat erst begonnen, denn bislang verfügt nur jeder Dritte in Deutschland über ein Smartphone. Bei einer Wachstumsrate von aktuell 36 Prozent wird sich diese Zahl schnell nach oben verändern, zumal auch hier der Netzwerkeffekt ein schnelles Wachstum anheizt. Zudem wird im Jahr 2012 der Beginn der LTE-Datenübertragungstechnik mit sehr hohen Bandbreiten die Einsatzmöglichkeiten der Smartphones deutlich erweitern, auch wenn mit einem tatsächlichen Durchbruch von LTE erst in zwei Jahren zu rechnen sein wird.

Im Bereich Medien steht die Smart TV-Anwendung erst am Anfang. Zum Ende dieses Jahres sind etwa 5,6 Millionen deutsche TV-Haushalte über ihren Fernseher und/oder indirekt über ein externes Gerät wie Set-top-Box, Blu-Ray-Player bzw. Spielekonsole an das Internet angeschlossen (Goldmedia-Prognose 10/2011). Aber von den vier Millionen Haushalten, die einen internetfähigen Fernseher besitzen, nutzen ihn gegenwärtig nur 13 Prozent für den Zugang zu Internetdiensten (GfK 11/2011). Diese Lücke muss die Industrie 2012 schließen. Das „Wie“ des Anschlusses der Geräte an das Internet muss den Anwendern dabei ebenso nahe gebracht werden wie der Nutzen für Information und Unterhaltung. Erst dann lassen sich auch tragfähige Geschäftsmodelle durchsetzen. Eine gemeinsame Initiative der Marktbeteiligten ist gefragt.

Die Videonutzung auf mobilen Endgeräten wird im Jahr 2012 zum Massenprodukt. Ursache dafür ist die Nutzungssituation, die recht nah am klassischen Fernsehen liegt. Wenn bei Fernseh-Formaten wie „Deutschland sucht den Superstar“ Werbung läuft, dann vertreibt man sich die Zeit mit kurzen Clips zu den Kandidaten auf dem Smartphone oder Tablet. Und auch die letzten Minuten der Lieblingsserie laufen schon einmal auf dem iPad im Bett. Fernsehen wird zunehmend auf vielen verschiedenen Screens genutzt. So sind die mobilen Abrufzahlen inzwischen beachtlich: Online-Video-Anbieter verzeichneten 2011 acht Prozent ihrer Abrufe über mobile Endgeräte (Web-TV-Monitor 2011, BLM/Goldmedia). Für 2012 deutet sich weiteres Wachstum an, denn schon jetzt werden jährlich über zehn Millionen Smartphones abgesetzt (Bitkom) – Tendenz stark steigend. So wird der mobile Abruf von Online-Videos weiter zunehmen und bis zum Jahr 2013 auf ein Viertel ansteigen (Web-TV-Monitor 2011).

Laut ARD/ZDF-Onlinestudie nutzen 68 Prozent der deutschen Onliner zumindest gelegentlich Online-Video-Angebote – immer mehr davon auch Mediatheken und Videocenter. Ob Krimi, Show oder Daily Soap – TV-Inhalte werden von den Zuschauern verstärkt online und zeitversetzt gesehen. Dies rechnet sich derzeit noch nicht, künftig aber immer mehr. Die Wachstumsraten für Online-Video-Werbung sind momentan dreistellig. Gerade TV-Sendungen bergen großes Potenzial, allein schon, weil sie deutlich länger sind als die kurzen Clips der Nachrichtenseiten. Noch halten sich die großen Werbevermarkter sogar bei massenattraktiven TV-Formaten zurück und schalten erst wenige Werbeclips. Aber: Unterbrecherwerbung bzw. sogenannte „Midrolls“ sind immer stärker im Kommen. So stieg deren Anteil an den Erlösen allein von 2010 auf 2011 um sieben Prozentpunkte. 2012 wird die Vermarktung von Online-Videos noch stärker in Gang kommen und eine Verlagerung der TV-Budgets in den Online-Bereich einleiten.

Fernsehen lebt von der sozialen Interaktion der Zuschauer – und die findet heute zunehmend online statt. In den USA oder auch in Großbritannien binden die TV-Sender daher Social-Media-Elemente offensiv in das Programm ein. Durch Handy-Apps wie „Getglue“ wird es möglich, sich bei Sendungen direkt „einzuloggen“ und mit anderen Zuschauern auszutauschen. Im deutschen Fernsehen ist das sendungsbezogene Engagement auf Social-Media-Plattformen heute oft noch gering. Doch es gibt erste Beispiele dafür, dass sich eine durchdachte Social-Media-Strategie auszahlt. Das zeigt „Berlin – Tag und Nacht“ auf RTL2. Der Facebook-Auftritt ist fester Bestandteil der geskripteten Vorabendsendung. Die Protagonisten berichten von ihrem, dem Anschein nach „echten“, Leben. Die neue Sendung hat jetzt schon deutlich mehr Facebook-Fans als das Primetime-Dickschiff „Das Supertalent“ (RTL). 2012 werden andere Sender nachziehen. Sie können dadurch viel gewinnen: Sie profitieren von der Echtzeit-Kommunikation mit den Nutzern und davon, dass sie durch Social Media auch außerhalb der Sendezeiten in den Köpfen der Seher präsent sind.

Die „Spielwiese“ Social Media etabliert sich zunehmend im Unternehmensalltag und wird zum integralen Bestandteil des Marketings. Wurde in der Vergangenheit noch experimentiert, kristallisieren sich zunehmend feste Strukturen und Konzepte heraus. Was 2012 noch viel stärker in den Fokus des unternehmerischen Marketings rücken wird, ist die konsequente Nutzung der sozialen Intelligenz aus Netzwerken wie Facebook, Twitter und Google+. Datenbestände werden ausgewertet und vor allem messbar bzw. vergleichbar gemacht. Es wird eine Professionalisierung der Analysemethoden und Auswertungstools stattfinden. Unternehmen haben zwar längst erkannt, dass soziale Medien mehr sind als ein Kommunikationsinstrument für Werbezwecke. Was 2012 aber folgen wird, ist deren Einbindung in andere Businessprozesse wie Customer Relationship Management, Customer Service und Vertrieb.

Jeder dritte Deutsche besitzt heute ein Smartphone und hat Zugang zu Apps mit Location Based Services – Tendenz steigend. Die intelligenten Anwendungen entwickeln sich stetig weiter und beziehen sich zunehmend auf die persönlichen Eigenschaften eines Nutzers. Mit steigender Informationsüberlastung erfreuen sich personalisierte Angebote immer größerer Beliebtheit und regen zum Teilen persönlicher Daten an. 2012 müssen Marketing- und Kommunikationsstrategien personalisierte Aspekte mit einbeziehen, um den Bedürfnissen des vernetzten Konsumenten gerecht zu werden und Wettbewerbsvorteile aufzubauen. Mit passgenauen Angeboten überall und zu jeder Zeit wird auch die Bereitschaft des Kunden steigen, persönliche Daten freiwillig zu teilen.

Cloud-Dienste waren bislang eine Domain großer IT-Provider wie Microsoft oder IBM, die netzbasierte Software-Lizenzen und Speicherkapazitäten im Business-to-Business (B-t-B)-Segment vermarkten. Deutsche Unternehmen agieren hier derzeit noch zögerlich. Die Privatanwender beschränkten sich bei Cloud-Diensten bislang auf Web-Mailer und Streaming-Angebote. 2012 werden jedoch auch Cloudbasierte Storage-Angebote den Endkundenmarkt erreichen. Neben den großen Internetdienstleistern (ISPs), etwa der Deutschen Telekom, wetteifern eine Vielzahl verschiedener Diensteanbieter wie Amazon, Google oder Apple mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen und in der Regel kostenfreien Basisangeboten um die Kunden. In Verbindung mit mobilen Endgeräten und einfachen (App-basierten) Zugangsmöglichkeiten steigt die Akzeptanz dieser Dienste rasant. Damit stellen sich jedoch neue Herausforderungen an die Kapazitäten der Zugangsnetze, die neben dem klassischen Download nun auch einen deutlich höheren Upload bewältigen müssen.

Die Netzbetreiber sind mit ihren Mehrwertdiensten und Handy-Portalen wie „Telekom T-Zones“, „Vodafone 360“und „O2 Active“ gescheitert. Nun wollen sie neue Wege gehen, um zusätzliche Wertschöpfung und Erlöse auf ihren Netzen zu generieren. Dazu bauen sie eigenständige Business Units und Mehrwertdienstangebote auf, die nicht nur die eigenen Kunden, sondern jeder nutzen kann, losgelöst vom eigenen Netz und von bestehenden Kundenbeziehungen, sogenannte Over-The-Top (OTT)-Dienste. Die Deutsche Telekom ist dabei Vorreiter mit der der Scout-Gruppe, der Load-Gruppe und ihrer neuen Business Unit „Digital Services“ und hat angekündigt, die OTT-Dienste-Erlöse von aktuell 850 Millionen Euro auf bis zu drei Milliarden Euro in 2015 zu steigern. 2012 werden sich neue diesbezügliche Strategien bei weiteren Netzbetreibern materialisieren, in Form von Akquisitionen bisher unabhängiger OTT-Dienste-Anbieter, zum Beispiel im attraktiven Bereich der E-Learning-Anbieter, und in Form von neuen, eigenständigen Business Units, die diese neuen Dienste selbst entwickeln.

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