Von Jörn Grunert
Der Schlüsselbegriff lautet Remarketing: Der Marketingverantwortliche des jeweiligen Online-Anbieters versucht, den Kunden mithilfe gezielter E-Mail-Kampagnen doch noch zum Kauf zu bewegen. Dabei sind „gezielte Kampagnen“ deutlich von Massen-E-Mails zu unterscheiden, denn je direkter die Ansprache des Adressaten, desto höher die Erfolgsaussicht. Nach der Analyse eigens erhobener Daten hat Experian, führender E-Mail Marketinganbieter, herausgefunden, dass eine E-Mail, die sich direkt auf den „stehen gelassenen Einkaufswagen“ bezieht, 20 Mal öfter zu einem konkreten Kaufvorgang führt als eine Standard-Massenmail. Die Öffnungsraten sind doppelt so hoch, die Klickraten sogar vier Mal so hoch.
Wie aber lassen sich jene Kunden, die den Kaufvorgang vorzeitig abgebrochen haben, ganz konkret per E-Mail doch noch zu Käufern konvertieren?
Incentive oder nicht?
Eine direkte Ansprache des Empfängers und ein unmittelbarere Hinweis auf den Anlass der E-Mail sind elementar. Doch reicht das schon? Braucht es nicht einen zusätzlichen Anreiz, um den Kunden zum Kauf zu bewegen? Auch hier hat Experian entsprechende Daten erhoben und ausgewertet – zum Beispiel mit Blick auf die Frage, ob ein Extra-Angebot in einer solchen Mail die Chancen, den Kunden doch noch für einen Kauf zu gewinnen, signifikant erhöht. Das Ergebnis: Die Klick- und Öffnungsraten bei E-Mail mit und ohne gesondertes Incentive sind in etwa gleich (sie liegen insgesamt zwischen sieben und 15 Prozent). Aber: E-Mails mit einem Incentive erzielen eine deutlich höhere Transaktionsrate. Nach Untersuchungen von Experian liegt sie um knapp ein Drittel höher.
Bilder sagen mehr…
Eine andere Frage stellt sich bei der Gestaltung und dem Layout der Remarketing E-Mail: Soll das Produkt, das sich zur Zeit des Kaufabbruchs im Warenkorb befunden hat, konkret angezeigt werden? Das kann in unterschiedlicher Form geschehen, zum Beispiel durch ein Bild, einen Link oder einen „Warenkorb ansehen“-Button. Auch hier hat Experian analysiert – und konkrete Resultate erarbeitet. Danach ist eine Remarketing-Mail umso erfolgreicher, je spezifischer sie ausgerichtet ist. In dem Maß, in dem das Produkt, das der Kunde fast gekauft hätte, konkret angesprochen, abgebildet und verlinkt wird, steigt die Aussicht auf eine Konvertierung und damit auf eine Transaktion. In Zahlen: Wird das Produkt gezeigt, liegt die Klickrate bei 28 Prozent und die Transaktionsrate bei 2,9 Prozent – ohne Abbildung oder Anklick- bzw. Log-in-Option für den Einkaufswagen bewegt sie sich bei 15 respektive 0,9 Prozent.
Auch Surfer sind interessant für Remarketing-Aktionen
Doch sollten nicht nur Kaufabbrecher im Fokus der Remarketing-Aktivitäten stehen – auch Surfer (analog zu den traditionellen „Einkaufsbummlern“), die sich durch die virtuellen Auslagen geklickt haben, bieten interessante Potenziale. Mithilfe von Web Analytics und den jeweiligen Browser-Daten ist es möglich, besonders attraktive potenzielle Kunden zu identifizieren. Für die USA hat Experian herausgefunden, dass 15 Prozent aller Konsumenten im Internet nach Produkten recherchieren – und dass knapp die Hälfte dieser Gruppe letzten Endes auch online kauft. Lässt sich also herausfinden, wer wann nach welchem Produkt gesucht hat, so könnte in der darauf folgenden E-Mail eine Empfehlung zu diesem oder ähnlichen Produkten integriert werden. Sind konkrete Angebote in den entsprechenden E-Mails enthalten, steigert dies laut Experian-Analyse die Erfolgschancen im Vergleich zu Massen-E-Mails noch einmal um etwa die Hälfte.
Fünf Best Practice-Regeln
Was sollten Marketingverantwortliche im Einzelnen beachten, wenn sie aktives Remarketing betreiben? Folgende Best Practices geben Aufschluss:
- Reagiert ein Kaufabbrecher nicht auf die erste Remarketing E-Mail, kann ein Reminder folgen. Gerade dieser sollte jedoch besonders freundlich und ansprechend formuliert und gestaltet sein, um nicht penetrant zu wirken. Um seine Wirkung vorab zu testen, können solche Reminder testweise an ausgesuchte Adressaten (z.B. Stammkunden) gesendet werden, die als Kontrollgruppe fungieren.
- Auf das Timing kommt es an: Zwei, höchstens drei Tage sollten vergehen, bis dem Kaufabbruch die Remarketing E-Mail folgt. In einigen schnelllebigen Branchen schrumpft das Zeitfenster auf maximal 24 Stunden.
- Personalisierte E-Mails mit konkreten Bezügen kommen besser an als generische – und sie bieten Raum für weitere Produktempfehlungen, die aus dem bisherigen Kauf- bzw. Browse-Verhalten heraus generiert werden können.
- Auch das automatische Löschen des Warenkorbs nach einer bestimmten Frist kann einen geeigneten Anlass für eine Remarketing E-Mail bieten. Dabei sollten aber eher konkrete Anlässe im Vordergrund stehen anstelle von reinen Marketingbotschaften – wie zum Beispiel die Information über das Löschen des Warenkorbs. Achtung: Solche Mails sollten sich allein aus rechtlichen Gründen in jedem Fall erkennbar von Transaktionsmails unterscheiden.
- Nicht zuletzt kommt es auf eine adäquate Priorisierung, also die richtige Gewichtung von Web Analytics-basierten Remarketing-Kampagnen an: So ist die Ansprache von Kaufabbrechern in der Regel wichtiger als die Ansprache von Surfern. Auch sollten die Verantwortlichen stets darauf achten, dass sie nicht – unbeabsichtigt – z.B. durch Überschneidungen mehrerer Kampagnen zu viele E-Mails an einzelne Empfänger senden.
Kunden, die ihren Einkaufskorb im virtuellen Shop ohne Kaufabschluss stehen lassen, bieten dem Verkäufer zahlreiche Anknüpfungspunkte für eine gezielte Ansprache. Denn in der Regel handelt es sich hier um durchaus dialogbereite Verbraucher, die oft bereit sind, ihre Entscheidung neu zu überdenken, wenn sie einen guten Grund dafür haben. Ihnen diesen Grund zu geben – das ist die Aufgabe einer durchdachten Remarketing-Kampagne.
Über den Autor: Jörn Grunert ist Geschäftsführer von Experian Marketing Services in Deutschland