Rechnen Sie mit einer Markeninvasion aus dem Reich der Mitte

Kennen Sie eine chinesische Marke? Sie zucken mit den Achseln? Täuschen Sie sich nicht. Viele Artikel, die als westliche Markenware daherkommen, sind nicht nur „Made in China“, sie werden von chinesischen Firmen kontrolliert: IBM Notebooks? Am 10. März dieses Jahres gaben die zuständigen US-Behörden grünes Licht für die Übernahme der IBM-PC-Sparte durch den chinesischen Computer-Giganten Legend. Dieser darf die Marke IBM sowie das Vertriebsnetz fünf Jahre lang nutzen, um seine eigene PC-Marke „Lenovo“ im Huckepack-Verfahren in der Welt populär zu machen. Fernsehgeräte von Thomson oder Schneider? Beides Marken des chinesischen Elektronik-Konglomerats TCL, das zudem kürzlich noch die Mobilfunk-Sparte von Alcatel übernommen hat. MG-Rover?

Im Herbst 2004 wurde bekannt, dass der chinesische Automobil-Primus Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC), der nebenbei auch Joint-Venture-Partner von VW und General Motors ist, die britische Traditionsmarke übernehmen möchte. Insgesamt will SAIC seine Jahresproduktion auf vier Mio. Fahrzeuge ausweiten. Doch es sind nicht nur Übernahmen, mit denen chinesische Marken auf hiesige Märkte vordringen. Viele haben sich auch schon unter einem eigenen Namen – natürlich ohne chinesische Schriftzeichen – auch nach Deutschland vorgewagt: Chinesische „Champion-Marken“ wie der Kühlschrankhersteller Haier vertreiben ihre Waren seit kurzem auch in den Regalen deutscher Elektronik-Discounter. Und der größte Fernsehhersteller Chinas mit Namen Changhong hat zur internationalen Vermarktung die Marke Apex Digital kreiert und überschwemmt damit den amerikanischen Markt.

Aber nicht nur bei der Weißen Ware sind die Chinesen Spitze. Auch der Export von rein chinesischen Automobilen kommt langsam in Gang: Das chinesische Handelsministerium plant, noch in diesem Jahr Automobile und Automobilteile im Wert von 15 bis 20 Mrd. US-Dollar in alle Welt zu exportieren. 2010 sollen gar die 100 Milliarden-Dollar-Marke geknackt werden. Und in der längeren Frist plant China gar, 40 Prozent der im Land hergestellten Fahrzeuge zu exportieren. Findige Geschäftsleute der US-Firma Visonary Vehicles LLC haben bereits mit dem achtgrößten chinesischen Autohersteller Chery einen Vertrag über den US-Import von 250 000 Pkw pro Jahr ab 2007 abgeschlossen und wollen die Fahrzeuge um 30 Prozent unter dem Preis vergleichbarer Wettbewerbsmodelle anbieten. Amerika soll im Sturm erobert werden.

Im Gegensatz zu den Vorbildern aus Japan und Korea bewegen sich die Chinesen bislang jedoch noch heimlich, still und leise. Aufsehen erregende Werbekampagnen rein chinesischer Hersteller gibt es in Europa bislang quasi nicht. Doch es ist nur noch einen Frage der Zeit, bis die hiesigen Agenturnetzwerke ihre kreativen Potenziale in den Dienst kapitalkräftiger chinesischer Auftraggeber stellen werden.

Ob es den Herstellern hierzulande schmeckt oder nicht, es wird kein Weg daran vorbei führen, sich mit der neuen und zumeist preiswerten Konkurrenz aus China zu messen. Innovationskraft, die intime Kenntnis der Kundenwünsche in den hiesigen Märkten und systematische Investitionen in sorgfältig differenzierte Marken sind der wirksamste Schutz gegen die billige Konkurrenz aus Fernost. Denn in puncto Markenmanagement haben die chinesischen Neulinge noch einen erheblichen Nachholbedarf.

Über den Autor: Dr. Olaf Göttgens ist CEO bei BBDO Germany