Rabattstreit: Tele 5 scheitert mit Klage gegen ProSiebenSat.1

Das Landgericht München I hat die Klage von Tele 5 gegen fünf Unternehmen der ProSiebenSat.1 Media AG als unbegründet abgewiesen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Tele 5 hatte aufgrund der Ermittlungen des Bundeskartellamtes wegen wettbewerbswidriger Rabattpraktiken entgangene Gewinne eingeklagt. 53 Mediaagenturen, denen der Streit verkündet wurde, müssen keinen Schadenersatz leisten.

von Michael Ziesmann

Nach umfangreichen Ermittlungen hatte das Bundeskartellamt am 27.November 2007 einen Bußgeldbescheid gegen die Werbezeitenvermarkter IP Deutschland und SevenOne Media in einer Gesamthöhe von 216 Millionen Euro ausgestellt. Gegen die Vermarkter der RTL-Gruppe und der ProSiebenSat.1 Media AG wurde wegen kartellrechtswidriger Rabattpraktiken ermittelt. Die Ermittlungen wurden gegen Zahlung des Bußgeldes eingestellt.

Mit sogenannten Share Deals (Share of Advertising-Rabatte) hatten beide Vermarkter eine Sogwirkung bei der Vergabe von Werbegeldern verursacht. Kleinere Anbieter von Fernsehwerbezeiten fühlten sich dadurch benachteiligt und aus dem Markt gedrängt. Auch dieses Gericht ortet einen „zweiseitigen Markt mit duopolistischen Ansätzen“. Tele 5 hatte im Jahr 2009 beide Vermarkter auf Auskunft und Schadenersatz verklagt. Die Klage gegen SevenOne Media, ProSieben, Sat.1, Kabel eins und N24 wurde nun vom Landgericht München I als unbegründet abgewiesen.

Im Kern bezieht sich die Klage von Tele 5 auf entgangene Gewinne in Höhe von 6,9 Millionen Euro für die Jahre 2002 bis 2007 mit einem statischen Schaden und einem dynamischen Schaden über weitere 826 000 Euro für die Jahre 2004 bis 2007. Den Mehrgewinn, der bei den beklagten Unternehmen der ProSiebenSat.1 Media AG mittels retroaktiver Rabatte erzielt worden sein soll, wurde von Tele 5 auf „mindestens 19,8 Millionen Euro“ geschätzt. Retroaktive Rabatte sind Rabatte, die rückwirkend auf das Gesamtbudget gewährt werden, wenn eine bestimmte Rabattschwelle überschritten wurde. Dies motivierte Werbekunden und Mediaagenturen, diese Rabattschwelle zu überschreiten, um rückwirkend – retroaktiv – zusätzliche Vorteile zu bekommen. Gegen diese Sogwirkung wehrt sich Tele 5.

Tele 5 ist es nach Ansicht dieses Gerichtes nicht gelungen, einen Schaden und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes durch die kartellrechtswidrigen Rabattvereinbarungen der SevenOne Media glaubhaft zu machen. Allein die Vorlage des Bußgeldbescheides des Bundeskartellamtes reiche dafür nicht aus, so das Gericht, da dieser „keine konkreten bindenden Feststellungen“ im Bezug auf einen möglichen Schaden enthalte. Zudem verweist das Gericht auf die häufige Umpositionierung von Tele 5 im fraglichen Zeitraum, auf die „geringe Attraktivität der Klägerin (Tele 5, Anm.) jedenfalls bis 2007 für Werbezeitenbuchungen“ und die geringen Marktanteile zwischen 0,4 und 0,8 Prozent.

Zudem sei es SevenOne Media, so das Gericht weiter, durch Darstellung „eines völlig inhomogenen mehrseitigen Marktes jedenfalls gelungen, aus dem wahrscheinlichen Schadenseintritt einen möglichen Schadenseintritt zu machen“. Da ein Schadenseintritt nach Ansicht des Landgerichts München I nicht mit Bestimmtheit bewiesen werden konnte, war die Klage abzuweisen. Jedoch meint das Gericht auch: „Für den Zeitraum seit 2005 bis Mai 2007 ist ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten (SevenOne Media, Anm.) und damit ein Verschulden … festgestellt“. Jedoch ist es Tele 5 nicht gelungen dieses Verschulden für sich zu kapitalisieren.

Auch die Rabattleitfäden „Blue Pages“, die das Bundeskartellamt bei Hausdurchsuchungen im Jahr 2007 bei SevenOne Media sicherstellte, hätte nur als grobe Orientierungshilfe gedient. Welche Rabatte im Einzelfall wirklich vereinbart wurden, sei wesentlich von den Vorstellungen der Media-Agenturen bestimmt worden. Diese hätten ihrerseits ein marktmächtiges Nachfrage-Oligopol gebildet. So hatte SevenOne Media am 14.6.2010 insgesamt 53 Media-Agenturen den Streit verkündet. Wäre SevenOne Media zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt worden, hätte das Unternehmen den Schaden anteilig an die Media-Agenturen weiterberechnen können. Denn fast alle Media-Agenturen, denen der Streit verkündet wurde, sind dem Rechtsstreit beigetreten.

Im Verfahren hatten sich die Media-Agenturen nicht als Täter, sondern als Opfer bezeichnet. Es sei ihnen als Abnehmer der Werbezeiten die Wahlfreiheit zwischen mehreren Bezugsquellen erschwert worden. Die Staatsanwaltschaft München ortete in einer Verfügung vom Dezember 2009 mit den Erlösen aus diesen Share Deals hingegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr, wodurch Werbekunden, deren Geschäft die Media-Agenturen besorgen, geschädigt wurden.

Diese Share Deals wurden bis zu den Hausdurchsuchungen des Bundeskartellamtes streng geheim behandelt und den wirtschaftlich berechtigten Werbekunden aktiv verschwiegen – obwohl in den meisten Agenturverträgen die Herausgabe aller Rabatte festgeschrieben ist, die ganz oder teilweise mit dem Geld der beauftragenden Werbekunden im Zusammenhang stehen. So hatte das Oberlandesgericht München rechtkräftig dem Werbekunden Danone ein Recht auf Auskunft zugesprochen. Ein Anspruch auf Auskunft und Schadenersatz besteht demnach bei den wirtschaftlich berechtigten Werbekunden, aber gerade nicht bei den Werbezeitenvermarktern untereinander. Das Landgericht München I ordnete dieses Begehren von Tele 5 als unzulässigen „Ausforschungsbeweis“ ein, der den Wettbewerb unter den Media-Agenturen mit einem Schlag aufgehoben hätte.

Auch der Werbezeitenvermarkter von RTL 2, El Cartel, hat eine ähnliche Klage gegen SevenOne Media und IP Deutschland vor dem Landgericht Düsseldorf angestrengt. Ein Ende dieses aufwendigen Verfahrens, bei dem ebenso vielen Media-Agenturen der Streit verkündet wurde, ist zurzeit nicht absehbar. Dasselbe trifft auf Klagen von Viacom (MTV, Comedy Central, Nickelodeon) zu.

Bundeskartellamt, Aktenzeichen 1 HKO 21138/09