Pro & Contra: der (Un-)Sinn von Lovebrands

In unserer Rubrik "Diskutiert doch mal" stellen wir regelmäßig Thesen auf – und zwei Expert*innen geben ihre Pro- und Contra-Meinung dazu ab. Diesmal geht es um den (Un-)Sinn von Lovebrands. Dabei sind Prof. Dr. Holger J. Schmidt von der Hochschule Koblenz und Ex-Telekom-Markenchef Hans-Christian Schwingen offensichtlich unterschiedlicher Meinung ...
Lovebrand
Lovebrands in der Diskussion: "Wissenschaftlich belegt" vs. "Hirngespinst der Werbeindustrie" (© Jon Tyson (Unsplash))

Unsere These lautet wie folgt:

„Marken sollten das Ziel haben, Lovebrands zu sein.
Denn diese „Liebesbeziehung“ mit ihren Kunden sichert den langfristigen Markenerfolg ab.

Pro

Von Prof. Dr. Holger J. Schmidt, Professor für Marketing, Hochschule Koblenz

„What’s love got to do with it?“, fragte sich schon Tina Turner. Doch Marken sind für ihre Fans nicht nur Mittel zum Zweck, sondern rufen positive Gefühle hervor, die sie begehrlich und unverwechselbar machen. Liebe ist ein solches Gefühl.

Doch Liebe tritt in vielen verschiedenen Formen auf: Die Liebe zu meinem Hund ist anders als die zu meiner Frau oder zu meinem Auto. Deshalb sollte man verstehen, welche Form der Liebe die Beziehung der Fans zur Marke am besten beschreibt. Und auch wenn dies selten eine Art romantischer Liebe sein wird, ist eines unbestritten: Markenliebe ist wissenschaftlich belegt und bewirkt langfristig positive Effekte, wie zum Beispiel höhere Preise, digitale Mundpropaganda oder Fehlertoleranz.

Contra

Von Hans-Christian Schwingen, Markenexperte und von 2007 bis 3/2020 Chief Brand Officer Deutsche Telekom

Lovebrands sind ein Hirngespinst der Werbeindustrie. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass das Gehirn Beziehungen zwischen Menschen und Objekten nicht als wie auch immer geartete „Liebes“beziehungen neuronal abbildet. Marken sind für das Gehirn Objekte und keine Menschen mit etwaigen Persönlichkeitseigenschaften, wie so manches Markenpositionierungsmodell gerne kolportiert.

Tatsächlich richtet sich die Zuneigung zu einer Marke nach dem Grad ihrer subjektiven Relevanz, das heißt der Erfüllung individueller, implizierter Ziele. Das kann man dann je nachdem gerne eine starke „Marken“beziehung nennen, „Liebe“ ist es mitnichten. Deshalb ist eine Lovebrand zu werden auch ein völlig sinnloses Markenziel. Oder haben Sie schon mal von einer Liebesbeziehung gehört, in der der eine Part immer zahlt und der andere immer liefert?


Wie lautet Ihre Meinung zum (Un-)Sinn von Lovebrands“?

Oder haben Sie darüber hinaus ein anderes diskussionswürdiges Thema, bei dem Sie einen klaren Standpunkt vertreten? Dann schreiben Sie uns: absatzwirtschaft@handelsblattgroup.com

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.