Privatkundengeschäft: Was passiert mit der „Out Brand“ Deutsche Bank?

Postbank: endlich frei. Bei Gewerkschaften zuerst ein Aufschrei und jetzt der übliche Ruf nach Arbeitsplatzgarantien. Aber das ist zu klein, zu eng gedacht. Für die Postbank kann die beschlossene Abspaltung von der Deutschen Bank eine Explosion unternehmerischer Kreativität freisetzen.
Achim Feige (© BrandTrust)

Bei der Deutschen Bank war sie lediglich die minderwertige Zweitmarke, die die Risiken des Investmentbankings abfederte. Jetzt kann sie eine wirklich moderne Retailbank werden, die die Transformation ins neue Banking-Zeitalter ohne Rücksicht auf die Deutsche Bank gestalten kann.

Schlingerkurs seit über 20 Jahren

Für die Deutsche Bank sind die wahren Probleme damit aber nicht gelöst. Die wertvolle Retailmarke Postbank wird abgegeben. Was bleibt, ist die eigene, unprofilierte Retailsparte. Die Deutsche Bank ist im Privatkundengeschäft in Deutschland im Vergleich zu den „Star Brands“ Volksbanken und Raiffeisenbanken sowie den Sparkassen eine „Out Brand“. Sie hat eine hohe Bekanntheit, jedoch sehr geringe Attraktivität. Bekannt ist nicht unbedingt auch begehrt! Das Werbeversprechen „Leistung aus Leidenschaft“ wurde vom Kunden nicht mehr erlebt. Jeder kennt die Deutsche Bank, aber wenige halten sie in diesem Bereich für wirklich kompetent.

Kein Wunder. Zu stark der Schlingerkurs seit über 20 Jahren: Zuerst die Bank24 für „zweitklassige“ Kunden, dann die Postbank als Zweitmarke und die Norisbank (wer erinnert sich noch?) neben den etablierten Deutsche Bank Filialen. Es ist schwer genug, eine Marke zu führen. Das Vorhaben, drei Marken zu pflegen, gelingt den Wenigsten – insbesondere im Finanzdienstleistungsbereich. Hier gilt es, die Werte der Marke tagtäglich im Verhalten jedes einzelnen Mitarbeiters erlebbar zu machen, und in Zukunft muss dies auch digital reproduziert werden.

Marke ist immer ausgedrückter unternehmerischer Wille

Nicht nur in der Werbung, sondern auch in der Beratung, im Leistungsangebot, in der Kundenbetreuung. Hier wirkt die Deutsche Bank austauschbar und zu unentschlossen, um für den Privatkunden die erste Adresse in Deutschland zu sein. Daran ändert auch ein Q110-Konzept nichts, welches in Wahrheit altes Banking in Lounge-Atmosphäre ist.

Nun hat auch die Deutsche Bank die Chance, Retailbanking neu zu denken. Kreativität braucht Not und nicht Fülle. Es gibt viele Erfolgsmodelle im Retailbanking und die Deutsche Bank kann sich nun aus ihrem Markenkern heraus wirklich neu erfinden. Wie sieht die beste Retailbank Deutschlands und Europas aus? Und nur das würde zur Marke Deutsch Bank passen. Radikal formuliert: Nummer 1 oder nichts. Durchschnitt schadet der Deutschen Bank nur. Die Markenessenz kann hier der strategische Haltegriff sein, um ein zukunftsfähiges Geschäftsmodell aus der Marke heraus zu entwickeln. Wichtig dabei ist der Grundsatz:

Marken wachsen nur von innen nach außen

Befreit von den strategischen Unsicherheiten und Grabenkämpfen werden die Deutsche Bank Mitarbeiter aus dem Privatkundenbereich wieder mit Leidenschaft eine überlegene Spitzenleistung erbringen. Starke Marken wachsen aus sich selbst heraus und nicht durch eine neue Oberfläche mit neuem Namen, Logo, Claim und Design. Sorry Agenturen! Hier gibt es für die Deutsche Bank noch reichlich (Wertschöpfungs-)Potenzial zu heben, insbesondere bei den gebeutelten Mitarbeitern, die für das Markenerlebnis am Ende verantwortlich sind. So kann es gelingen, auch noch in zehn Jahren ein widerstandsfähiges, das heißt resilientes Bankgeschäft für Privatkunden im Deutsche Bank Konzern zu haben, wenn es in der Unternehmerbank von Herrn Jain mal wieder kriselt.

Insofern kann die Abspaltung der Postbank für alle eine große Chance sein. Zwei starke, klar positionierte Marken und Geschäftsmodelle ergeben dann doch mehr Wert für alle Stakeholder als eine Geschwächte mit vielen Geschäftsbereichen unter einem bekannten Namen, der aber seine Versprechen nicht mehr halten kann, der verwässert und nur noch Mythos vergangener Tage zehrt.

Durchschnitt ist der Feind jeder Marke. Bei der Deutschen Bank sowieso. Denn große Marken werden oft in der Krise und aus der Not heraus geboren oder weiterentwickelt. Die Chance dazu ist seit Freitag vorhanden.

Über den Autor: Achim Feige ist führender Finanzmarkenexperte im deutschsprachigen Raum und Partner bei der Managementberatung BrandTrust. Er ist außerdem Buchautor und international aktiver Referent. Er entwickelt Markenstrategien und Transformationsprozesse für internationale Finanzdienstleistungsmarken.