Positive Nachhaltigkeit: Warum Marken Gutes tun müssen

Die Erwartungen von Konsument*innen an die Nachhaltigkeit von Unternehmen und Marken gehen weit über die Verringerung negativer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft hinaus. Gerade die junge Generation erwartet auch einen positiven Beitrag.
Das Konzept der positiven Nachhaltigkeit wird in der englischsprachigen Literatur auch als Positainability bezeichnet. (© Unsplash/Amanda Jones)

Nachhaltigkeit und Neo-Ökologie sind bei weitem kein neuer Megatrend, sondern in den Unternehmensstrategien und Marketing-Kampagnen vieler Firmen fest verankert. Während einige Unternehmen sich noch auf einzelne Maßnahmen konzentrieren, um ein möglichst nachhaltiges Image aufzubauen, sind andere schon mitten in einer tiefgreifenden Transformation in Richtung nachhaltigerer Geschäftsaktivitäten. Ein hervorragendes Beispiel hierfür ist die umweltneutrale Produktreihe Pro Climate von dm, die mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2022 in der Kategorie Design ausgezeichnet wurde. Ein weiterer Preisträger war Schmitz Cargobull mit den Eco-Generation-Anbauten für Zugmaschinen und Trailer bei Lastwagen. Dadurch wird der Luftwiderstand der Fahrzeuge im Straßengüterverkehr gesenkt und eine Verringerung des CO2-Ausstoßes von mehr als zehn Prozent erreicht.

Neue Kundenerwartungen an Marken

Der zunehmende Fokus auf Nachhaltigkeit in Strategie und Marketing ist nicht zuletzt auf sich massiv ändernden Erwartungen der Konsument*innen zurückzuführen, gerade mit Blick auf die jüngere Generation. Laut einer globalen Studie mit mehr als 27.000 Befragten von GlobeScan aus dem Jahr 2020 gaben 91 Prozent der Befragten aus der Generation Z an, dass sie einen mäßigen oder starken Wunsch haben, ihren Lebensstil zu ändern, um umweltfreundlicher zu werden. Aufgrund der Emotionalität, mit der Nachhaltigkeit gerade von Seiten jüngerer Konsumenten adressiert wird, werden sich etablierte Unternehmen den Herausforderungen und Chancen der Sustainability Transformation deutlich schneller und umfassender stellen müssen, als dies zu Beginn der digitalen Transformation vor einigen Jahren der Fall war.

Aus Sicht des Markenmanagements noch wichtiger ist jedoch das Ergebnis derselben Studie, dass 80 Prozent der Befragten über alle Generationen hinweg der Meinung sind, dass Unternehmen und ihre Marken ein wesentlicher Teil der Lösung für die Herausforderungen sein sollten, die sich der Menschheit heute stellen. Sie erwarten von Unternehmen und Marken einen nennenswerten Beitrag und konkrete Maßnahmen zur Schaffung einer nachhaltigeren Wirtschaft und zur Bekämpfung des Klimawandels.

Ganz entscheidend dabei ist, dass diese Erwartungen zum Beispiel nicht nur mit einer Reduktion von CO2 Emissionen erfüllt werden können. Die fehlende Nachhaltigkeit der bisherigen Geschäftsaktivitäten zu verringern mit dem Ziel eines ‚No Net Loss‘ reicht aus Kund*innensicht gerade nicht aus.

Positive Nachhaltigkeit und Innovation

Tatsächlich wird ein positiver Beitrag von Firmen und Marken erwartet. Diese Erwartungshaltung entspricht dem Konzept der positiven Nachhaltigkeit, die in der englischsprachigen Literatur auch als ‚Positainability‘ bezeichnet wird und von der Grundlogik dem Ansatz der positiven Psychologie ähnelt. Bei positiver Nachhaltigkeit legen Unternehmen und Marken den Schwerpunkt nicht primär auf die Verringerung negativer Auswirkungen ihrer Geschäftsaktivitäten, sondern auf ganz neue und fortschrittliche Wertschöpfung und Innovation, mit der sie sowohl Gutes tun als auch Schlechtes vermeiden können. Maßnahmen zur Verringerung negativer Auswirkungen bilden dabei eine wichtige Basis, die jedoch um positive Beiträge im Sinne eines ‚Net Positive Impact‘ ergänzt werden.

Diese Maßnahmen für positive Nachhaltigkeit stellen eine große Herausforderung dar, gleichzeitig kommt ihnen für das Markenmanagement und auch für das Employer Branding eine enorme Bedeutung zu, weil dadurch nicht nur das Produkt, sondern auch das Unternehmen als Arbeitgeber attraktiver wird. Außerdem ergeben sich oft ganz neue Marktchancen, sofern Unternehmen zu Innovation und Transformation bereit sind. Dabei können zwar eher selten so schnelle Erfolge erzielt werden wie bei der Steigerung der Ressourceneffizienz zur Verringerung von CO2 Emissionen, allerdings bieten ganz neue Lösungen, Produkte und Dienstleistungen mit positiv nachhaltigen Beiträgen mittel- und langfristig oft noch größere Chancen.

Für diesen Wandel nimmt das Marketing eine zentrale Rolle ein. Gerade im ersten Schritt der Sensibilisierung von Entscheider*innen für die Dynamik der Kundenerwartungen in Richtung positiver Nachhaltigkeit kommt dem Marketing eine Schlüsselaufgabe zu. Auch bei der Ableitung konkreter Maßnahmen sollten Marketingverantwortliche sich aktiv einbringen, um aus Kundensicht attraktive neue Produkte, Dienstleistungen und Lösungen zu entwickeln. Hierfür sind verschiedene Tools hilfreich, zum Beispiel die Sustainability Innovation Map. Dabei bildet eine Analyse der Erwartungen von Kund*innen und anderen Akteur*innen im Ökosystem eine gute Basis, um systematisch die Wertschöpfungskette eines Unternehmens zu analysieren und dadurch neue Chancen für Marketing und Innovation zu identifizieren. Konkrete Maßnahmen können dann zum Beispiel die Einführung einer neuen nachhaltigeren Produktlinie oder auch die Repositionierung der eigenen Marke mit stärkerem Fokus auf Nachhaltigkeit sein.

©Bart van de Voort

Über den Autor: Ulrich Lichtenthaler ist Professor für Management und Entrepreneurship an der International School of Management (ISM) in Köln. Als Experte wird er regelmäßig als Keynote-Speaker, Executive Coach und freiberuflicher Berater zu Innovation, Nachhaltigkeit, digitaler Transformation und künstlicher Intelligenz gebucht. Sein aktuelles Buch trägt den Titel “Integrierte Intelligenz: Wettbewerbsworteile erzielen durch die Kombination menschlicher und künstlicher Intelligenz”.