Philipp Walter: ein Marketer in der Gaming-Branche

Philipp Walter hat ein Jahrzehnt Markenarbeit bei Adidas und Under Armour hinter sich und gründete kurz vor der Corona-Krise ein Start-up in der Gaming-Branche. Ein Interview über Learnings aus der Markenwelt und Erfolgsrezepte auf Tiktok.
"Tiktok ist für uns der wichtigste Kanal im Top of Funnel", sagt Philipp Walter, Gründer der Gamers Academy. (© Gamers Academy)

Sie haben über zehn Jahre im Marketing von Adidas und Under Armour gearbeitet und die Branche verlassen, um ein Start-Up in der Gaming-Branche zu gründen. War Ihnen die Markenwelt der Sportartikelkonzerne zu wenig attraktiv?

PHILIPP WALTER: Das würde ich so nicht sagen. Natürlich sind Adidas und Under Armour attraktive Arbeitgeber – in Sachen Begeisterung für den Sport und die Marken an sich. Ich bin allerdings jemand, der Dinge gern direkt verändert. Ich habe in den vergangenen Jahren immer mehr das unternehmerische und machende Gen in mir gespürt. Bei Under Armour habe ich mit einigen Kollegen ja quasi eine Firma in der Firma für den DACH-Markt aufgebaut. Da war es dann fast schon die logische Konsequenz, noch einen Schritt weiter aus dem sicheren Hafen einer Marke oder eines Konzerns herauszugehen. Es hat mich sehr gereizt, etwas neues und eigenes zu wagen.

Sie sollten für Under Armour als Head of Marketing den DACH-Markt mit aufbauen und waren vorher über fünf Jahre im Brand Marketing von Adidas. Was ist Ihr wichtigstes Learning in zehn Jahren Markenarbeit?

Ein ganz klares Learning bei Adidas war, die immense Bedeutung der Aktivierung von Partnerschaften mit Verbänden, Teams oder Einzelsportlern für den Markenaufbau zu verstehen. Das klingt zwar banal, wird aber in der Praxis häufig entweder schlecht oder unzureichend von Marken beherzigt. Im Markenaufbau von Under Armour war derweil ein funktionierendes Team ein zentraler Erfolgsbaustein. Ob die Vertriebsmitarbeiter gegenüber dem Fachhandel, die Freelancer im Sales Support oder die Social-Media-Teams, die an der Community dran sind: Alle Kolleginnen und Kollegen müssen die Marke leben. Mein Learning also: Markenaufbau geht sehr stark über Personen. Und diese Erkenntnis wiederum ist elementar fürs Recruiting.


Vita: Philipp Walter hat die Gamers Academy Ende 2019 gegründet und ist ihr heutiger CEO. Zuvor arbeitete er über zehn Jahre in der Sportartikelbranche: zunächst rund fünfeinhalb Jahre als (Senior) Brand Marketing Manager von Adidas und später als Head of Marketing DACH von Under Armour (2014 bis 2019). Seine berufliche Karriere begann Walter bei Pricewaterhouse Coopers, wo er von 2002 bis 2005 als Berater tätig war.


Nun wollen Sie mit der Gamers Academy nicht weniger als das „Freeletics für Gaming“ bauen. Wie genau sieht das in der Praxis aus?

Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, Gamer zu coachen – mit einem aktuellen Fokus auf die Fußballsimulation „FIFA“. Wir verfolgen dabei einen Freemium-Ansatz: Interessierte bekommen bei uns anfangs viele freie Lern-Inhalte. Danach sind sie hoffentlich so überzeugt, dass sie bei uns individuelle 1:1- oder Kleingruppen-Trainings abschließen.

Wie viele Nutzer hat die Gamers Academy aktuell – und wie viele davon zahlen bereits?

Wir haben insgesamt rund 30.000 registrierte Nutzer. Diese Zahl wollen wir weiter steigern und perspektivisch möglichst viele von ihnen in den Bezahlbereich überführen. Unser Business-Plan geht von circa fünf Prozent zahlenden Kunden aus.

Was kennzeichnet den durchschnittlichen Nutzer der Gamers Academy?

Das Spiel „FIFA“ ist genau wie der reale Fußball sehr männlich dominiert. Beim Alter geht es ab 15, 16 Jahren los. Wir nehmen über unsere Kanäle hauptsächlich zwei Personae war: Die 16- bis 20-Jährigen, die an einer Esports-Karriere interessiert sind. Und die über 30-Jährigen, die es noch einmal wissen wollen – und auch über die nötigen finanziellen Mittel verfügen, ihr Können über gezieltes Training zu verbessern.

Sie sind mit der rein digitalen Gamers Academy kurz vor der Corona-Pandemie an den Start gegangen. Haben Ihnen die dann folgenden Lockdowns beim Nutzerwachstum geholfen?

Natürlich will ich mich nicht damit brüsten, aber ich kann auch nicht leugnen, dass die Gamers Academy bezogen auf das Nutzerwachstum von den Lockdown-Folgen profitiert hat. In Teilen ging es uns dabei sogar ein bisschen zu schnell, da wir mit einigen Dingen wie dem Aufbau unseres Twitch-Kanals noch gar nicht so weit waren.

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So funktioniert die Gamers Academy.

Wie binden Sie Marken in die Gamers Academy ein?

Wir haben vor allem über unsere Social-Media-Kanäle Schnittstellen, an denen wir Marken einbinden können. Wir verfolgen dabei primär einen Content-Ansatz. Unsere Nutzer können zum Beispiel gegen unsere Coaches und Esportler antreten und haben dabei die Chance, von Partnern ausgelobte Gutscheine oder Cash-Beiträge zu gewinnen. Unsere Coaching-Inhalte passen zudem auch gut zu einzelnen Industriebranchen. Als naheliegendes Beispiel: Versicherungen stehen per se für das Thema absichern und könnten so vergleichsweise unaufdringlich in unsere Schulungen zum Thema Verteidigung eingebunden werden.

Sie haben knapp eineinhalb Jahre nach Gründung mit Cosmos Direkt und dem TV-Hersteller TCL erst zwei Marken als Partner an Bord, die nicht originär in der Gaming-Welt beheimatet sind. Woran liegt das?

Selbstverständlich planen wir mit weiteren Partnern der Gamers Academy. Erst kürzlich ging unsere Kooperation mit Game Stop live und davor konnten wir bereits Hyperice überzeugen. Aber ja, unser strategischer Fokus liegt aktuell noch im B-to-C-Bereich sowie im Markenaufbau. Künftig peilen wir fünf Verticals an, in denen wir jeweils einen exklusiven Partner gewinnen wollen und führen dahingehend auch bereits vielversprechende Gespräche.

Welche Verticals sind das?

Das sind die Industriebranchen Banken/Versicherungen, Consumer Electronics, Automotive, Logistik und Handel.

Das heißt, für Adidas oder Under Armour ist kein Platz?

In der Sportartikelbranche geht es aktuell erst so richtig los mit den Aktivitäten im Esports und Gaming. Für mich klingt das dementsprechend nach einem logischen weiteren Vertical, zu dem wir perspektivisch natürlich auch in Gespräche gehen wollen.

Social Media scheinen eine große Rolle für die Gamers Academy zu spielen. Allein auf Tiktok haben Sie bis dato mit über 300 Videos mehr als 800.000 Follower gewonnen und über elf Millionen Likes erzielt. Welche Bedeutung hat Tiktok für die Gamers Academy?

Tiktok ist für uns der wichtigste Kanal im Top of Funnel, um unsere Markenbekanntheit zu steigern und auch um Traffic auf die Website zu bekommen. Wir posten ganz minutiös geplant fast jeden Tag ein Video, das so erstellt ist, dass es nach zehn bis fünfzehn Sekunden einen direkten Mehrwert liefert. Wir haben zudem zwei Leute, die sich um nichts anderes als um das Community Management kümmern. Das wird von vielen unterschätzt, ist aber enorm wichtig.

Under Armour und Adidas kommen zusammen nur auf 100 Videos und haben gemeinsam weniger als 500.000 Follower. Verpassen die beiden Marken hier etwas?

Aus dem Bauch heraus geantwortet: na klar! Wenn Marken mit jungen Menschen sprechen möchten, führt meiner Meinung nach kein Weg an Tiktok vorbei. Es ist dabei aber auch zu beachten, dass wir ja noch frisch am Markt sind und zunächst Bekanntheit aufbauen müssen. Große Marken wie Adidas und Under Armour sind uns in dieser Hinsicht ein Vielfaches voraus und denken logischerweise schon eher an Produktverkäufe. Die Monetarisierung über Tiktok ist gerade aber noch in den Anfängen.

Was ist Ihr Erfolgsrezept für Tiktok?

Eine kurze Dauer bis zum direkten Mehrwert in den Videos und das Community Management hatte ich ja bereits genannt. Zudem kommt es auf eine gute Uhrzeit an, wir posten unsere Inhalte beispielsweise immer zwischen 17 und 18 Uhr. Des Weiteren sind die richtigen Hashtags von zentraler Bedeutung, das haben wir nun insbesondere während der UEFA EURO 2020 gespürt. Und zu guter Letzt ist da noch die Song-Auswahl für die Video-Beiträge: Es ist total wichtig, sich an den Tiktok-Musik-Charts zu orientieren, um zu bedienen, was gerade bei den Nutzern im Trend ist. Auf diese fünf Aspekte achten wir vornehmlich. Wobei ich dazu sagen möchte, dass diese Tipps rein auf unseren Erfahrungen beruhen – und wir uns nicht in irgendeiner Weise als die absoluten Tiktok-Experten hinstellen wollen.

Welche weiteren digitale Kanäle sind für die Gamers Academy relevant?

Das ist mittlerweile eine echt breite Palette. Wir bespielen zum einen weitere Social-Media-Kanäle wie Twitch und Instagram – und nachgelagert noch Facebook. Auch Discord ist ein super Interaktionskanal für uns. Unsere über 20 Coaches sind da im ständigen Dialog mit der Community. E-Mail-Marketing ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. Wenn es gut gemacht ist, kann es ein echtes Pfund sein. Darüber hinaus haben wir losere und engere Partnerschaften mit Creatorn, Influencern und Esportlern, die im genannten Kanalmix für uns unterwegs sind.

Über Facebook, Instagram, Tiktok, Twitch und Youtube hat die Gamers Academy zusammen fast eine Million Follower. Wieviel Luft ist hier noch nach oben?

Für uns ist die absolute Zahl der Follower gar nicht so entscheidend. Uns interessieren vor allem Interaktionen. Wir haben bei Instagram je nach Thema eine Engagement-Rate von fünf bis fünfzehn Prozent. Bei Tiktok sind wir bei zwölf Prozent. Diese Werte wollen wir halten und bestenfalls weiter steigern.

Abschließend ein Blick in die Zukunft: Wird die Gamers Academy eher über weitere Spiele oder über die Erschließung weiterer Märkte wachsen?

Ganz klar zum einen über die Spiele. Ich kann hier leider noch nicht konkret werden, aber wir werden eher früher als später weitere Games hinzunehmen. Ein weiterer zentraler Punkt ist Technologie – automatisiertes Coaching wird für uns schon bald eine große Rolle spielen und uns beim Skalieren helfen. Zu guter Letzt wollen wir als Digitalprodukt natürlich auch in anderen Märkten wachsen. Hier haben wir die Herausforderung vor der Brust, sprachliche und kulturelle Besonderheiten zu erlernen. Aktuell fokussieren wir uns noch auf den DACH-Raum sowie im englischsprachigen Terrain auf UK und US.

(he, Jahrgang 1987) – Waschechter Insulaner, seit 2007 Wahl-Hamburger. Studierte Medien- und Kommunikationswissenschaften und pendelte zehn Jahre als Redakteur zwischen Formel-1-Rennstrecke und Vierschanzentournee. Passion: Sportbusiness. Mit nachhaltiger Leidenschaft rund um die Kreislaufwirtschaft und ohne Scheuklappen: Print, live, digital.