Personas im redaktionellen Kontext: Die Mindsets der Leser

Vice ist das erfolgreichste Online-Jugendmagazin der Welt. Das kommt auch daher, weil man die modernsten Methoden der Conversion-Optimierung einsetzt. Eine davon sind die Mindsets, ein erweitertes Zielgruppenmodell, das nicht nur auf demografisches Daten schaut sondern vor allem auf Emotionen.
Diese vier Grundtypen bilden das Rückgrat des redaktionellen Targeting bei Vice

6,28 Millionen Nutzer in der AGOF, 44 Millionen Seitenaufrufe und 20 Millionen Visits. Wer des Beweises bedurft hat, dass junge Zielgruppen redaktionelle Inhalte konsumieren, wird beim Vice-Magazine und seinen Schwesterpublikationen fündig. Noch deutlicher sprechen die Zahlen, wenn man sich Video anschaut. Die Kanäle von Vice bündeln weltweit 13,4 Millionen Abonnenten und strahlen vier Milliarden Videominuten über Youtube aus.

Der Grund, warum Vice so erfolgreich ist, hat im Wesentlichen mit zwei Aspekten zu tun. Zum einen hat man eine digitale DNA. Der Umgang mit den Zahlen aus der Webanalyse ist wesentlich vertrauter, als die Arbeit mit dem Klebeumbruch. Zweitens konzentriert sich das Medium ganz auf die Generation Y. Jene nach 2000 geborenen Leser und Videoschauer, die sich von klassischen Medien nicht abgeholt fühlen, weder in Print noch online. Vice ist die Bravo des 21. Jahrhunderts.

Mehr als eine Zielgruppe

Doch was heißt eigentlich eine Zielgruppe? Bei Vice hat man verstanden, dass jeder Mensch unterschiedlich ist. Und zwar nicht nur der demografischen Daten nach sondern vor allem auch emotional. Eine 1:1-Personalisierung wäre also grundsätzlich wünschenswert um die relevantesten Inhalte auszuspielen. Aber vermutlich ist das kaum umsetzbar. Stattdessen vertraut Vice auf ein abgewandeltes Persona-Modelling.

Das Konzept der Personas ist zwanzig Jahre alt. Es sagt nicht mehr, als dass man User in fünf bis zehn Archetypen einteilt, die sehr tief profiliert werden und für die man die Inhalte zuspitzt. Das Vice-System arbeitet mit vier Grundtypen: Explore, Connect, Lead, Express. Diese werden wiederum in drei thematische Untergruppen segmentiert. Bei Explore gibt es zum Beispiel den reisenden Entdecker, den Ernährungs-Entdecker und den medialen Entdecker. Trennt man nun noch Männlein und Weiblein, so kommt man auf 24 Grundtypen.

Die Daten, die zur Einordnung der Nutzer herangezogen werden, kommen aus unterschiedlichen Quellen. Natürlich bilden demografische Daten eine Basis. Dann wird aber das Verhalten auf den Websites analysiert. Wie häufig teilt zum Beispiel ein User Inhalte? Das sagt etwas über seine kommunikativen Neigungen aus. Und natürlich: Für welche Themen interessiert er sich?

Der „Entdecker-Food“ sucht beständig nach Neuem, auch in der koreanischen Küche (Zum Vergrößern Anklicken)

Personas in der redaktionellen Praxis

Um aus dem theoretischen Konstrukt Personas ein lebendiges System des Targeting zu machen, bedarf es einer tiefen Integration in den redaktionellen Alltag. Die Mindsets und ihre Ausprägungen sind also nicht nur Grundgerüst des Werbesystems von Vice, mit dem sich die Cluster über die unterschiedlichen Websites hinweg gezielt ansprechen lassen. Nein, sie finden auch bei der Redaktion statt, im Wesentlichen bei der Themenwahl, der Pointierung eines Themas, der Wahl der Überschrift und vor allem bei den Teasern. „Wir sind flexibler in der Produktion unseres Content, da wir durch das Mindset-Targeting wissen, dass der Content nicht von allen, sondern nur einer ausgewählten Crowd gezeigt wird“, sagte Deniz Kilic, Senior Manager Media.

Betrachtet man beispielsweise die Untergruppe Explore:Food, dann geht es der vor allem darum, neue kulinarische Erfahrungen zu machen. Genuss ist wichtiger als Low Carb. Inhaltlich stehen also zum Beispiel in der Spargelsaison eher exotische Varianten aus verschiedenen Ländern im Mittelpunkt, statt der „Klassischen Zubereitung wie bei Mutti“. Vice findet 551 000 Menschen dieses Typus in seinem Netzwerk. Zwei Drittel davon sind übrigens männlich. „Viele unserer Redakteure sind selbst Teil der jeweiligen Zielgruppe und verstehen genau, was die anspricht“, erklärte Managing Director Benjamin Ruth im Rahmen des Mobile Advertising Summit in Berlin.

Zielgruppenbeschreibung beim Typ Explore-Food (Zum Vergrößern Anklicken)

Fazit

Persona-Modelle bieten ein recht einfach zu handhabendes Gerüst für die Optimierung des redaktionellen Produkts. Was E-Commerce vor Jahren schon gelernt hat und Marketing gerade lernt wird auch vor den redaktionellen Umfeldern nicht Halt machen. Ein Großteil des Medienkonsums erfolgt spontan, emotionsgeleitet und hier docken emotionale Teaser und Überschriften wesentlich besser an als solche, die sich nur auf Demografie und Umfelder stützen.

Die technologischen Möglichkeiten des Tracking und der dynamischen Automatisierung auch redaktioneller Angebot erlaubt es, solche Konzepte sehr einfach zu testen und im laufenden Betrieb zu verbessern. Man muss das Konzept allerdings bis hin zum einzelnen Redakteur bekannt und populär machen. Er muss Spaß daran haben, fokussierter für Zielgruppen zu schreiben.