Per Franchising ins Electronic Business

Geteiltes Risiko – Beteiligung am Erfolg. Rund 810 Franchisekonzepte funktionieren derzeit in Deutschland nach diesem Muster. Nun hält dieses Geschäftsmodell auch in die elektronische Business-to-Business-Welt Einzug.

Vom Geschirrverleih „Alles klar“ bis zum Reisemanagementservice „Uniglobe“, Franchising zieht sich quer durch alle Branchen. Das Prinzip ist dabei immer dasselbe: Der Franchise-Geber entwickelt eine Idee, konzeptioniert Marketingstrategien und testet sie in Pilotbetrieben bis zur Serienreife. Die Franchise-Nehmer kopieren diese Konzepte – völlig legal – für die eigene Existenzgründung. Dafür zahlen sie neben einer einmaligen Einstiegsgebühr meist eine monatliche Umsatzbeteiligung an den Franchise-Geber.

Franchising erfordert erhebliche Ressourcen
Der relative Verlust an unternehmerischer Freiheit – die Systemzentralen geben ein einheitliches Marketing und bestimmte Systemrichtlinien vor – wird dem Franchise-Nehmer durch einen Zugewinn an Sicherheit versüßt. Von den Existenzgündern, die auf eigene Faust loslegen, geben 20 Prozent in den ersten zwölf Monaten wieder auf. „Bei Franchise-Konzepten überleben dagegen mehr als 90 Prozent der Gründer das erste Jahr“, betont Ulrich Opherk, Geschäftsführer des Deutschen Franchise-Verbandes (DFV) in München.
Im E-Business-Bereich hat dieses erfolgversprechende Konzept – trotz des Gründungsbooms der letzten Jahre – allerdings bisher so gut wie nicht Fuß gefasst. Dass hier erst relativ wenige Franchise-Modelle existieren, führt Opherk vor allem auf die Unerfahrenheit vieler Start-Up-Firmen zurück. Denn um ein schnell wachsendes Franchise-Netzwerk erfolgreich zu steuern, seien erhebliche Personalressourcen und umfassendes Know-how im Prozessmanagement erforderlich.

Franchising als PSP
Bei der Münchner Up2Gate GmbH war das so genannte „E-Franchising“ bereits von Anfang an Teil des Geschäftskonzeptes. Die im vergangenen Jahr als hundertprozentige Tochter von Siemens Business Services (SBS) gegründeten Firma bietet seinen Kunden mit derzeit knapp 25 Mitarbeitern an den Standorten München, Hamburg und Stuttgart eine Komplettlösung für die Einrichtung und den Betrieb von elektronischen Branchenportalen an. Zielgruppe sind dabei vor allem Einkaufsgenossenschaften, Verbundgruppen, Verbände sowie mittelständische Unternehmen, die in ihren jeweiligen Märkten schon fest etabliert sind und nun auch ins E-Business einsteigen wollen.
Als Portal-Service-Provider– ein Begriff, der in den USA bereits geläufig ist – tritt Up2Gate nach eigenen Angaben als Pionier auf den deutschen Markt. Das Konzept, das sich hinter diesem Geschäftsmodell verbirgt, basiert auf einer Komplettlösung für den Aufbau von vertikalen Branchenportalen. „Neben der Implementierung der Software, die aus der Portal-Plattform Up2gate.com und Modulen für Commerce, Content, Community und Communication besteht, umfasst unser Angebot noch zahlreiche weitere Leistungen“, macht Firmenchef Jeroen Eijsink den Unterschied zu reinen Software-Lieferanten für elektronische Marktplätze oder Internet-Portale deutlich. Dazu gehören zum Beispiel eine umfassende Beratung und die Entwicklung einer E-Business-Strategie. Darüber hinaus sorgt der Dienstleister auf Wunsch für den kompletten Rund-um-die-Uhr-Betrieb des Portals und stellt zusätzliche Services wie Call Center oder Help Desks zur Verfügung.

Synergieeffekte durch Franchising
Der Vorteil dieses Modells: Die Portal-Betreiber können die erforderliche Infrastruktur schneller nutzen, das Investitionsrisiko sinkt und für die Entwicklung und den Betrieb wird weniger Personal benötigt. Denn immerhin müssen mittelständische Unternehmen für den Aufbau von elektronischen Marktplätzen in ihrer Branche – so das Ergebnis einer Umfrage – Erstellungs- und Personalkosten in Höhe von mindestens 15 bis 20 Millionen Mark über einen Zeitraum von zwei bis drei Jahren veranschlagen. Jeder Portal-Betreiber bleibt jedoch verantwortlich für den Vertrieb, das Marketing und die Erstellung von Inhalten, die sein Portal mit Leben füllen. Hierin unterscheidet sich das E-Franchising-Modell des Münchner Siemens-Spin-Offs und anderer Anbieter vom „klassischen Franchising„, bei dem zum Beispiel Design und Marketingstrategie zentral vom Franchise-Geber festgelegt werden. Der Franchising-Experte Andreas Voß vom Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik und Interorganisationssysteme der Universität Münster sieht denn auch in der Tatsache, dass beim Eintritt in solch komplexe Softwaresysteme der Markenname der Franchise-Geber nicht weitergegeben wird, einen wesentlichen Unterschied zu bestehenden Franchise-Modellen.

Franchisetypisch hingegen ist das deutlich geringere Investitionsvolumen, da die Honorierung über eine Umsatzbeteiligung an den tatsächlich über das Portal durchgeführten Transaktionen erfolgt. Das Gebührenmodell besteht dabei aus einer Kombination von fixen Gebühren (Aufschalt- und Mitgliedsgebühren) sowie einem variablen Anteil (Transaktionsgebühren), die Up2Gate den Portal-Partnern und deren Mitgliedern (nutzungsabhängige Gebühren) im Portal berechnet. Die Anfangsaufwendungen für den Portal-Partner verringern sich bei diesem E-Franchise-Modell vor allem auch deshalb, weil der Portal Service Provider über die erfolgsabhängige Vergütung einen Teil des unternehmerischen Risikos mit übernimmt.

Franchise-Geber als Berater
Ein anderen Beispiel ist die in München ansässige B-gate AG, einem Tochterunternehmen des Systemintegrators BäurerAG und des Softwarehauses Openshop AG. Hier fallen für die Partner ebenfalls statt hoher Investitionskosten monatliche Franchisegebühren an. Der Dienstleister richtet für kleine und mittlere Unternehmen Kommunikationsplattformen zur elektronischen Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse ein. War das bislang nur über eine Lizensierung und entsprechend hohe Anfangsaufwendungen möglich, können die E-Business-Anwendungen nun auch auf der Basis monatlicher Franchisegebühren genutzt werden. „Die Höhe dieser Gebühren hängt von der Lösung, vom Umfang, vom Datentransfer und natürlich von der Anzahl der Teilnehmer ab“, erläutert Andreas Richter, Produktmanager Branchenportale bei B-gate. Für ihr Business-Process-Networking-Konzept gehen die Münchener von einer Basiskalkulation aus, nach der sie in den ersten Jahren mit einem Prozent am Umsatz beteiligt sind und monatliche Gebühren anfallen. Nach Ablauf des Franchise-Vertrages fallen die gesamten monatlichen Gebühren dann weg. „Für uns ist das eine klassische Mischkalkulation, weil wir einschätzen müssen, ob sich das Konzept des Franchise-Nehmers wirtschaftlich trägt, aber das muss jeder Franchise-Geber“, so Richter. Dabei versteht sich B-gate gerade beim Franchising nicht nur als Technologielieferant, sondern vor allem als Berater und Partner seiner Kunden.

Erste Partner im Netz
Im Juli letzten Jahres startete B-gate sein erstes Branchenportal. An dem Augenoptikmarktplatz OpenOptics können sowohl Hersteller von Fassungen, Gläsern oder Kontaktlinsen, als auch Anbieter von Maschinen, Werkzeugen oder Verbrauchsmaterialien teilnehmen. Als Nachfrager haben alle Optiker Zugang und können über das Portal in direkten Kontakt mit allen Anbietern treten. Durch die Vereinfachung der Geschäftsabwicklungen will der elektronische Marktplatz künftig einen wesentlichen Teil des gesamten Warenumsatzes der Augenoptikerbranche in Deutschland von jährlich rund 1,25 Milliarden Euro abwickeln. „Wir rechnen mit der Teilnahme von über 50 Prozent der Unternehmen in der Augenoptikerindustrie an unserem Portal“, sagt der Geschäftsführer der OpenOptics GmbH, Dominik Finkeldei. Mit den Firmen Zeiss und Essilor habe man bereits zwei wichtige Hersteller von Brillengläsern gewinnen können. Von den angestrebten 1000 Augenoptikerbetrieben auf der Abnehmerseite ist das Portal allerdings derzeit noch ziemlich weit entfernt.
Auch die Siemens-Tochter hat ihr erstes Projekt – ein Internet-Portal für die Baubranche – realisiert. Betreiber ist die Profi-Portal AG in Dortmund, ein Tochterunternehmen des Wuppertaler Einkaufsbüros Deutscher Eisenwarenhändler GmbH (E/D/E) und der Handelsgesellschaft für Baustoffe mbh&Co.KG (hagebau) in Soltau. Rund 10 Prozent ihres jährlichen Umsatzvolumens in Höhe von über 30 Milliarden Mark wollen die beiden Gesellschafter in drei bis fünf Jahren über die elektronische Plattform abwickeln. Wenn diese Pläne aufgehen, klingelt auch bei dem Portal Service Provider kräftig die Kasse.

Empfohlener Link: www.franchise-portal.de
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eingestellt am 28. Mai 2001