Onlinewerbung: Kanadier machen’s bald nur noch programmatisch

Muss man im kühlen Norden mit der Energie haushalten – oder warum buchen ausgerechnet die Kanadier Onlinewerbung bald nur noch ganz bequem programmatisch? Sagt jedenfalls die Mediaagentur Zenith. Deutschland wird dann bei knapp 50 Prozent liegen.

Programmatische Werbung ist weiter auf dem Vormarsch, anscheinend unaufhaltbar. Das geht aus dem „Programmatic Marketing Forecast“ hervor, den die globale Mediaagentur Zenith veröffentlicht hat. Danach werden schon im kommenden Jahr weltweit 65 Prozent der Onlinewerbung programmatisch gehandelt, nicht einbezogen sind dabei Paid Search und Kleinanzeigen. Die gesamte Summe der Spendings beträgt dann rund 84 Milliarden US-Dollar, 19 Prozent als im laufenden Jahr. Damit verlangsamt sich das Wachstum etwas. Für 2020 geht Zenith von einem Programmatic-Anteil von 68 Prozent aus.

Laut Dirk Lux erfreuen sich in Deutschland nach wie vor Private Marketplaces größter Beliebtheit

Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um klassische Banner: „Auch in Deutschland setzt sich der programmatische Einkauf von Mobil-, Video- und Audioformaten immer mehr durch“, so Dirk Lux, CEO Zenith Deutschland. Insgesamt werden hierzulande 1,4 Milliarden Euro in programmatische Display-Werbung investiert, das sind 38,5 Prozent vom gesamten Display-Kuchen. Der Anteil soll bis 2020 auf knapp 47 Prozent steigen.

Allerdings ist im weltweiten Vergleich Programmatic nicht gleich Programmatic: „Aufgrund der besonders hohen Anforderungen der Werbekunden an Datensicherheit und Sichtbarkeit verzeichnen so genannte Private Marketplaces, auf denen Vermarkter ihr Inventar nur ausgewählten Marktteilnehmern zur Verfügung stellen, in Deutschland besonders hohe Umsätze“, sagt Lux. Nur rund 200 Millionen Euro werden hier in offenen Auktionsverfahren gehandelt, die in den USA viel weiter verbreitet sind.

USA und Kanada sind Vorreiter

Weil der Markt in den USA traditionell weniger von Premium-Publishern geprägt ist, die Onlinewerbung über das redaktionelle Umfeld verkaufen, hat sich Programmatic hier deutlich schneller entwickelt als etwa in Deutschland. In den USA liegt der Programmatic-Anteil laut Zenith bereits heute bei 83 Prozent, beim ähnlich aufgestellten Nachbarn Kanada sind es 82 Prozent. Aber die Kanadier sollen den Übergang zum rein programmatischen Handel am schnellsten abschließen: Der Anteil soll schon in zwei Jahren bei 99 Prozent liegen.

Und was ist in Europa mit den neuen Datenschutzvorschriften, die durch die DSGVO der EU greifen? Immerhin fragen nun viele Publisher ihre Nutzer, ob sie Cookies akzeptieren wollen, und falls nein, fehlen die darauf basierenden Profildaten im Programmatic-Ökosystem – was das Targeting fast unmöglich macht. Ja, es habe „einen gewissen Bremseffekt“ gegeben, erklärt Zenith. Dass sich das Wachstum verlangsame, liege aber vor allem an der Tatsache, „dass die Werbungtreibenden selbst noch in Infrastruktur und Daten investieren, um ihre programmatische Aktivität für die Zukunft effektiver zu gestalten“. Zenith geht davon aus, dass auf Dauer alle Werbeformen standardmäßig programmatisch eingekauft werden.

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.