Online wächst unbeirrt weiter

Trotz Kritik der Werbungtreibenden wegen nicht ausreichender Leistungsnachweise marschieren die digitalen Medien vorneweg. Mobile Endgeräte erweisen sich als Schrittmacher im Werbemarkt.

Von Roland Karle

Von zwei auf 28 Prozent – das ist ein gewaltiger Sprung. Um das 14-Fache steigerte die Tourismusregion Südtirol ihre ungestützte Bekanntheit, dank einer Videokampagne mit zwei unterschiedlichen Imagespots, die über mehrere Monate als Pre-, Mid- und Post-Rolls auf publikumsstarken Onlineseiten lief. Auch bei der gestützten Abfrage legte der Bekanntheitsgrad deutlich zu, nämlich von 24 auf 65 Prozent.

Paul Mudter wundert sich über solche Ergebnisse nicht. Der Geschäftsleiter Interactive beim Vermarkter IP Deutschland in Köln weiß um die Stärken, die Bewegtbilder im Internet entfalten: „Sie sind starke Treiber der Onlinenutzung.“ Je komfortabler, ortsunabhängiger und qualitativ hochwertiger Videos verfügbar sind, desto schneller werden sie das Internet erobern.
Laut TNS Convergence Monitor verfügen bislang drei von vier Deutschen im Alter von 14 bis 64 Jahren über einen Breitband-Internetanschluss. Mehr als ein Drittel davon ruft mindestens einmal pro Monat Videoclips ab, zwölf Prozent sehen TV-Formate über die Mediatheken der Fernsehsender.

Internetnutzer mit höherer Programmbindung als TV-Seher

Noch werden Bewegtbilder überwiegend am klassischen TV-Gerät konsumiert, wie ein Beispiel aus der aktuellen IP-Studie „Kartografie von Bewegtbild“ bestätigt. So erzielte die Vox-Sendung „X Factor“ im Fernsehen eine Bruttoreichweite von 132 Millionen Zuschauern ab drei Jahre. Hinzu kamen 15 Millionen Onlineabrufe und fast zwei Millionen Kontakte über mobile Geräte, was die Reichweite insgesamt um 13 Prozent – mit Schwerpunkt bei jungen Leuten bis 29 Jahre – erhöhte. Und: Gegenüber reinen TV-Sehern weisen die Internet- Nutzer, ob nun klassisch online oder mobil unterwegs, eine um 35 Prozent höhere Programmbindung auf.

Digitale Werbeformen, Medien und Plattformen bieten den Marken und Unternehmen inzwischen vielfältige Möglichkeiten der Kommunikation. Nach wie vor ist Online auch der wachstumsstärkste Werbeträger mit Nettoerlösen 2011 von 990 Millionen Euro. Innerhalb von fünf Jahren stieg der Werbeumsatz somit um 44 Prozent. Laut Nielsen-Statistik, die das Mediavolumen auf Bruttobasis ermittelt, hält der Trend an: Während der Gesamtmarkt in den ersten sieben Monaten 2012 nahezu stagnierte, meldet das Internet gegenüber dem Vorjahreszeitraum ein Plus von 16,7 Prozent.

An der Gewichtung wird sich im Vergleich zu 2011 nichts Wesentliches ändern, als klassische Onlinewerbung mit 57 Prozent des Umsatzes den Löwenanteil ausmachte, gefolgt von Suchwortvermarktung (36 Prozent) und Affiliate-Marketing (7 Prozent).
Bei den Werbeformen dominierten die großf lächigen Formate wie Wallpaper und Medium Rectangle.
Die von der Organisation Werbungtreibende im Markenverband (OWM) Ende letzten Jahres laut geäußerte Kritik, es fehle an ausreichenden Leistungsnachweisen für digitale Medien, ist bislang folgenlos geblieben. Immerhin 85 Prozent der Werbungtreibenden hatten das moniert, OWM-Vorsitzender Uwe Becker dringend „eine belastbare konvergente Mediawährung über alle Kanäle“ gefordert.

IP-Manager Mudter, zugleich Vorsitzender im Online-Vermarkterkreis (OVK) des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), berichtet von Fortschritten: „Eine medienübergreifende Bewegtbild-Messung wird vielleicht schon 2013 darstellbar sein.“ Und bei den seit Herbst 2010 verfügbaren „Mobile Facts“ der AGOF hofft man, bald Netto- statt wie bisher Bruttokontakte ausweisen zu können.
Mit der steigenden Bedeutung des Mediums wird auch die dazu passende Kreation der Werbemittel wichtiger. Beck’s zum Beispiel hat eigens einen rotierenden, dreidimensionalen Würfel für Smartphones und Tablets entwickelt. Nutzer sollen die Biermarke auf diese Weise, ergänzt um ein Gewinnspiel, spielerisch entdecken. „Unsere Zielgruppe ist sehr aktiv und viel unterwegs, sie lässt sich nur schwer effizient über einen einzigen Touchpoint wie beispielsweise TV erreichen. Mobile Umfelder sind deshalb zunehmend wichtig für uns“, erläutert Oliver Bartelt, Manager Communications bei Beck’s.

Zuwachs von 70 Prozent bei mobilen Werbeausgaben erwartet

Die mobilen Plattformen gehören zu den Schrittmachern im Werbemarkt. Laut den von BVDW und Nielsen Ende Mai erstmals veröffentlichten Werbespendings wurden 2011 brutto rund 36 Millionen Euro für Displaywerbung auf mobilen Websites und für Apps ausgegeben. Zur Einordnung: Das entspricht in etwa dem Doppelten der Kino-Werbeerlöse und rund elf Prozent des Radio-Bruttowerbevolumens.
Für das laufende Jahr wird mit einem Zuwachs der mobilen Werbeausgaben von 70 Prozent gerechnet. Der Automarkt investiert dieses Jahr bislang am meisten in den mobilen Sektor, rund 50 Prozent mehr als die dahinter folgenden Wirtschaftszweige Dienstleistungen und Telekommunikation.

Inzwischen ist Onlinewerbung für viele Branchen und Marken eine feste Größe im Mediamix. „Dem Internet wird eine immer größere Rolle in ihren Kommunikationskonzepten eingeräumt“, sagt Mudter. Die OVK-Zahlen bestätigen das. In mehreren Branchen ist der Onlineanteil an den Werbeausgaben bereits in deutlich zweistellige Höhen geschnellt, zum Beispiel im Handel/Versand mit 19,1 Prozent, im Finanzmarkt (18,8 Prozent) und im Dienstleistungssektor (15,9 Prozent).
„Im vergangenen Jahr hat sich das Internet als Medium zur Markenpf lege etabliert und seinen Anteil im Mediamix weiter ausgebaut“, erklärt Matthias Pantke, Geschäftsführer des Online-Werbemarktplatzes Adscale in München. Bedingt durch die hohe Nachfrage seien auch die Preise gestiegen, speziell für Sonderwerbemittel und Videowerbeformen.

Außerdem hat Pantke festgestellt, dass „Werbungtreibende und Agenturen das Internet zunehmend als Medium für Marken- und Produktkampagnen einsetzen und immer häufiger verschiedene Targeting-Optionen nutzen, um Onlinewerbung genauer auszusteuern.“ Die erfahrungsgemäß nicht so einfach fassbaren B-to-B-Zielgruppen seien online in spezifischen Business-Umfeldern mit hoher Treffsicherheit zu erreichen, sagt Gerd Bielenberg. „Nur qualitativ schlechte Seiten mit vielen verschiedenen Zielgruppen müssen dann noch User based Targeting einsetzen“, sagt der Marketing Director des Onlinevermarkters Business Advertising in Düsseldorf.
Während mobile Angebote im Businessto- Business-Umfeld vermehrt angefragt werden, spielt Videowerbung dort kaum eine Rolle. Bielenberg ergänzt: „Das ist schwierig, weil wirklich gute unique Videoangebote fehlen, die kritische Reichweiten erzielen.“

Zuerst erschienen in absatzwirtschaft Nr. 09/2012