OMR 2018: Die Grenzen eines Formats

Der zweite Tag des OMR-Festivals stand im Zeichen der Hauptkonferenz. Im Vergleich zu früheren Jahren fehlten die ganz großen Highlights. Scott Galloway forderte erneut die Zerschlagung der GAFA, Google rief das Zeitalter der intelligenten Assistenten aus und eine Reihe erfolgreicher Influencer feierte Content als King.

Ob es an der exzessiven Feier am Vortag lag oder ob die Teilnehmer schon genug spannende Inhalte konsumiert hatten: So echtes Rockstar-Feeling kam auf der Hauptbühne des Festivals nicht auf. Erst als Lars Ulrich von Metallica abends die Bühne betrat und die nächste große Party-Nacht sich anzukündigen begann, stieg die atmosphärische Dichte zumindest in der vorderen Hälfte des Saals. Hinten blieben zahlreiche Stuhlreihen leer. Doch ähnlich wie bei den Fitness-Influencern Tobi Pierce und Kayla Intsness oder bei „Girlboss“ Sophia Amoruso wurde auch hier deutlich: Der Online-Erfolg steht und fällt mit starken, authentischen und/oder talentierten Persönlichkeiten. Keine neue Erkenntnis.

Die Hauptkonferenz der OMRs kocht auch nur mit Wasser

Zwar hat sich das OMR-Team alle Mühe gegeben, neue und in Deutschland wenig bekannte Stars der Online-Szene auf die Bühne zu holen, aber die Mechanismen des Erfolgs ähneln sich in vielen Fällen und die Relevanz und Übertragbarkeit der Cases hält sich in Grenzen.

Dabei hatte der Tag durchaus spannend begonnen. Scott Galloway, der streitbare Professor, wurde per Videoschaltung auf die Bühne geholt. Er wiederholte einen Teil seiner Analyse der großen vier Amazon, Apple, Google und Facebook und forderte erneut eine politische Deregulierung dieser Machtverhältnisse. Den aktuellen Facebook-Datenskandal nutzte er, um die Mißbrauchsgefahr zu illustrieren. Der Vortrag unterschied sich im Kerninhalt wenig von dem von vor zwei Jahren. Veranstalter und Moderator Philipp Westermeyer hielt diesmal gut dagegen und verbannte Galloways Untergangsszenario in die Ecke einer „persönlichen Meinung“ mit der sich die Marke Galloway eben auch virtuos zu positionieren weiß. Doch der engagierte Aufruf bildete einen schönen Kontrast zur stoischen Haltung von EU-Kommissar Ansip am Vortag.

Keine wirklich umwerfende Erkenntnis

Ein kleines inhaltliches Highlight lieferte Naomi Makofski von Google kurz vor Mittag. Sie präsentierte die Transactions für die Actions des Google Assistant. Können Unternehmen bereits seit Oktober 2017 Daten über die KI-Maschine von Google zur Verfügung stellen, so sollen jetzt Bestellungen, Buchungen, Reservierungen und Einkäufe dazu kommen. Hierzu gibt es ein standardisiertes Daten-Framework und Makofski wünscht sich, das möglichst bald, möglichst viele Unternehmen ihre Daten darauf hin optimieren. Mittelfristig wird hier eine neue SEO-ähnliche Disziplin entstehen und natürlich könnte man aus der Vergangenheit extrapolieren, dass es auch bezahltes Sponsoring geben wird.

Die ganze Ankündigung nahm aber nur drei Minuten des Vortrags in Anspruch, der sich ansonsten ziemlich generisch damit beschäftigte, dass wir man im Zeitalter der cleveren Assistenzsysteme angelangt ist. Angesichts der Tatsache, dass es zwei Dutzend verfügbarer SmartSpeaker am Markt, gibt keine wirklich umwerfende Erkenntnis. Für ein IFA-Publikum war die Fachtiefe richtig, für Online Marketing Professionals sicher nicht.

Sophia Amorusos Karriere wurde zur Netflix-Serie

Vielleicht ist die große Erkenntnis aus dem Konferenztag, dass man mit zielgruppengerecht aufbereiteten guten Inhalten sehr erfolgreich sein kann. Die Vermarktungsmöglichkeiten sind da, die viralen Mechanismen des Social Web erzeugen Reichweite (vor allem wenn man in englischer Sprache publiziert) und man kann deutlich erkennen, dass die authentische gute Geschichte viel wichtiger ist, als das richtige Format. Sophia Amorusos Karriere wurde zur Netflix-Serie. David Fischer startete in Berlin das inzwischen überaus erfolgreiche Magazin Highsnobiety und Tim Urban ist halt ein Blogger, aber eben einer, dessen teilweise verrückte Geschichten auf „Wait but why“ von vielen Menschen und darunter eben auch von vielen einflussreichen Menschen gelesen werden.

 

Tim war es auch, der die Aufmerksamkeit des Publikums stärker auf sich ziehen konnte, als die meisten anderen. Ganz einfach, weil er auf der Bühne das Gleiche tun kann, war er auch real tut: Geschichten erzählen. Und natürlich glüht er dabei mehr, als australische Fitness-Trainer, die über ihr Geschäftsmodell befragt werden. „Die Leser sind zu klug, um sie verarschen zu können“, lautet Tims Kernbotschaft. Inspiration, Daten sammeln, strukturieren, illustrieren und Cliffhanger einbauen. Klassischer Journalismus als Online-Erfolgskonzept für 2018.

Ganz im Gegensatz zu Google gelang es Howard Lerman von Yext das Zeitalter der Assistants tatsächlich spürbar zu machen. Zwei menschliche Assistenten benutzten den Google Assistant und Siri live auf der Bühne und Howard erläuterte die Unterschiede der Ergebnisse und vor allem die Tatsache, dass die Assistenten nicht mit Suchergebnissen reagieren sondern immer häufiger mit Daten-basierten Antworten. Yext beschäftigt sich mit der zentralen Verwaltung von Daten und inzwischen auch Media-Assets, damit solche Assistenten – und natürlich die Google-Suche – möglichst das richtige und aktuelle Ergebnis zur Verfügung haben. Auch die richtigen beschreibenden Firmen- und Produktmerkmale wie zum Beispiel „gutenfrei“ oder „haustierfreundlich“ gehören dazu. Denkt man fünfzehn Jahre zurück, dann etablierten sich damals die Eintragsservices für Suchmaschinen. Yext ist der gleiche Ansatz für das Zeitalter von KI und Voice.

Die Veranstalter vermelden 40 000 Besucher und damit ein Wachstum von 50 Prozent

Das war nur am Donnerstag abend kurzzeitig spürbar, am Freitag war es überraschend ruhig. Die Hallen waren gut gefüllt, fühlten sich dank breiter Gänge aber wesentlich angenehmer an, als im Herbst in Köln. Das düstere Ambiente in den Ausstellungsbereichen ist deutlich schicker, als in Deutz. Über den Tag hinweg allerdings auch etwas ermüdend. Organisatorisch machte das Team einen tollen Job. Die Abläufe stimmten größtenteils und selbst die Security blioeb die meiste Zeit locker. Inhaltlich ist das Portfolio der Rockstars gigantisch. Es fiel sehr angenehm auf, dass die Leiter der (bezahlten) Masterclasses keine Produktshows machten sondern sich in der Tiefe einem Thema widmeten. Und auch auf den beiden offenen Bühnen waren jede Menge kleiner und großer Perlen zu finden, zum Beispiel die Musically-Kampagne von Beiersdorf oder das Londoner Nagelstudio mit Virtual Reality, AI-Chatbot und Nageldrucker. Nur die Hauptkonferenz bedarf der Überarbeitung. Die Zeiten, in denen Michael Trautmann auf der Bühne die Hälfte seiner Redezeit nutzte, um zu singen oder in denen Julia Engelmann die Massen mit Poesie verzauberte, sind den Diskussionen im KPIs gewichen. Rockstars: Traut euch wieder was … und schafft die langweilige Bar endlich ab.