Oliver Bierhoff, der erfolgreiche Selbstvermarkter

Kein anderer Fußballer kann, abgesehen vom Kaiser Franz, eine derartige Vermarktungsbilanz vorweisen. Mit dem Golden Goal begann eine Erfolgsgeschichte, die kein Zufall ist. Seine Vermarktung hat er systematisch vorangetrieben und sich damit weitgehend von seinem fußballerischern Erfolg emanzipiert. Oliver Bierhoff ist bereits heute eine Gallionsfigur für den Sport und den Fußball im Besonderen und hat damit seinen Namen zu einer Marke gemacht, die er auch nach seiner Fußballer-Karriere nutzen kann. absatzwirtschaft-Online sprach mit dem Selbstvermarkter über die Marke Oliver Bierhoff.

Ihr Manager sagt, Sie wollten kein Trainer werden, sondern etwas mit Marketing im Sport machen. Sind Sie auf den Geschmack gekommen?

Bierhoff: Das ist auf jeden Fall ein Bereich, der mich interessiert. Ich bin durch meine eigene Vermarktung in das Thema reingekommen und werde jetzt auch für Nike nach meiner aktiven Fußballer-Karriere bis 2006 weiterarbeiten und zwar genau im Vermarktungsbereich in beratender Tätigkeit. Ein großes Ereignis in diesem Zusammenhang ist die WM 2006 in Deutschland. Ich denke, dass das ein Bereich ist, der mich später interessieren könnte, wo es derzeit auch noch nicht so viele kompetente Ansprechpartner gibt, die insbesondere aus dem Fußball kommen und hier große Erfahrungen haben. Ich kenne sehr viele Leute und habe gleichzeitig über mein Studium die betriebswirtschaftliche Denke.

Wie wurde Ihre Vermarktung angegangen?

Bierhoff: Ich habe mich zunächst gewundert, dass im Fußball bisher noch wenig Vermarktung von Einzelsportlern stattgefunden hat. Und dann kam dieses Golden Goal und in Folge habe ich mit Freunden überlegt, dass man allein mit dem Wort einiges machen könnte, wie Golden Card oder sonstiges. Und dann habe ich mich umgehört, wer da interessant sein könnte und darunter war dann eben mein heutiger Manager Peter Olsson, der das überzeugendste Konzept vorweisen konnte.

Wie hat er konkret Ihre Person durchleuchtet, um zu schauen, welche Unternehmen oder Produkte passen?

Bierhoff: Erst haben wir uns abgestimmt, was ich überhaupt will, welches Zeitbudget ich zur Verfügung habe und mit welchen Branchen, Unternehmen oder Produkten ich mich identifizieren könnte. Danach wurde eine Profilanalyse zu meiner Person erstellt, das heißt es wurde marktforscherisch ermittelt, für welche Werte Oliver Bierhoff stehen könnte. Dazu wurden etwa 2000 Personen befragt. Daraus wurde dann eine regelrechte Unternehmenspräsentation, also eine kleine Broschüre zu meiner Person mitsamt Videofilm, in dem ich mich präsentiere.

Was kam für Sie nicht in Frage?

Bierhoff: Das war sogar eines der ersten Angebote: zum Beispiel Bier. Man könnte zwar für alkoholfreies Bier werben, die Nationalelf wirbt ja auch für Bitburger Drive, aber wir wollten direkt gut starten und eine Kampagne für eine Brauerei schien uns nicht geeignet. Waschmittel zum Beispiel auch, nicht weil ich die Produkte nicht gut finde, sondern weil wir da einfach keinen Zusammenhang zu meiner Person herstellen können.

Welche Positiv-Liste kam bei der Marktforschung heraus?

Bierhoff: Sportartikel standen natürlich an erster Stelle und dann Versicherungen, Banken, Computer, so in dieser Richtung.

Was haben Sie aktuell an Werbeverträgen?

Bierhoff: 1998 war der Höhepunkt mit acht Werbeengagements unter anderem eben dem DWS-Fond, L´Oréal und Danone und das haben wir ein wenig reduziert und jetzt im Januar ist DWS ausgelaufen und jetzt habe ich eigentlich nur noch Nike, abgesehen von ganz kleinen Sachen wie einem Videospiel und Sammel-Karten, die zur WM herauskommen. Es ist auch unsere Vermarktungsstrategie, jetzt wegzugehen von dem Testimonial Oliver Bierhoff, wo man einfach nur meinen Kopf nutzt, hin zum Botschafter oder Berater Oliver Bierhoff. Mit RTL habe ich beispielsweise noch die Champions League, was sehr interessant ist, und es laufen auch noch andere Gespräche.

Haben Sie als Testimonial übertrieben? Einige Medien schrieben, Oliver Bierhoff gehe den Menschen auf die Nerven oder er denke mehr an die Werbung als ans Fußball spielen….

Bierhoff: Das ist vollkommener Schwachsinn. In dem Jahr, wo ich die meiste Werbung gemacht habe, bin ich Torschützenkönig in Italien geworden, habe eine sehr gute WM gespielt, bin zu AC Mailand gewechselt und Meister geworden. Wir haben mit dem Vermarktungskonzept sogar ein oder zwei Preise gewonnen. Wir waren sicherlich am Limit und ich hatte natürlich schon ein bisschen Bedenken, weil der Schuss auch nach hinten los gehen kann, sobald man sportlich gesehen eine Schwächephase hat. Aber ich denke es ist gut gegangen. Denn genau in dieser Zeit konnte ich die Kritiker immer wieder durch meine Top-Leistungen mundtot machen.
Vielleicht hätte man ein oder zwei Sponsoren weniger haben sollen, aber ich bin eigentlich damit sehr zufrieden gewesen. Außerdem hat sich das zur WM 1998 gesteigert und wir wussten, dass es danach auch wieder weniger wird. Das mit Danone und L´Oréal waren ein- oder zweijährige Verträge. Rückschauend betrachtet würde ich es wieder machen.

Peter Olsson hat mal gesagt, Testimonials geben Marken ein Gesicht. Im Jahre 1998 haben Sie demnach acht Marken ein Gesicht gegeben. Wie haben die Werbetreibenden darauf reagiert?Haben die das alle klaglos geschluckt, weil sie den Oliver Bierhoff haben wollten?

Bierhoff: Wenn es so gut läuft, möchte natürlich jeder Sponsor der wichtigste oder alleinige sein, wobei die starke Präsenz für die Werbepartner auch wieder Vorteile hatte. Durch einen Danone- oder L`Oréal-Spot wuchs meine Bekanntheit und Popularität ja noch und davon haben auch die anderen Werbepartner profitiert. Aber es war ein gewisses Risiko da, dass der Konsument nicht mehr unbedingt unterscheiden konnte, für was steht er jetzt überhaupt noch.
Aber gerade die Sponsoren, die am meisten gemacht haben, waren am wenigsten unzufrieden. Weil beispielsweise ein Lóreral, der einen weltweit geschalteten Spot mit mir gemacht hat oder die mich in München auf ein Dreißig-Quadratmeter-Poster gestellt haben, die wussten, dass die Leute mich mit dem Produkt zusammenbringen, während kleinere Sponsoren mit kleinerem Schaltvolumen natürlich nicht die Präsenz haben und es demzufolge schwerer hatten, mit ihrem Produkt ins Bewusstsein der Menschen zu gelangen. Ich wurde zwar erinnert, aber das Produkt möglicherweise schon nicht mehr. Aber beispielsweise auch Nike kam meine anderen Engagements sogar gelegen.

Der Herr Strohband, Manager von Jan Ullrich, hat mal gesagt, Oliver Bierhoff verzettele sich, in der Weise, dass er zu viele kleine Werbepartner hätte…

Bierhoff: Ich hatte Deutsche Telekom, L´Oréal , Danone, Nike das sind jeweils die Marktführer. Ich wüsste nicht, welche größeren Partner man haben könnte. Und für kleinere Partner wie beispielsweise Quelle habe ich gar nicht so viel Werbung gemacht. Da war ich nur im Katalog präsent. Auch insofern haben sich die Werbeengagements auf verschiedene mediale Ebenen verteilt und sich eigentlich nicht behindert.

Warum haben Sie letztendlich Ihre Werbeengagements eingedämmt?

Bierhoff: Das ist vielleicht das Problem bei der Vermarktung von Fußballern: Dass sie über wenig freie Zeit verfügen, vom Trainer abhängen und wenn sie im Ausland sind, ist es vielleicht sogar noch schwieriger. Insofern war es zwangsweise, denn das was ich den Sponsoren zusichere, sollen sie am Ende auch bekommen.

Gibt es Zahlen zum Erfolg der Kampagnen, die Sie begleitet haben?

Bierhoff: Wir haben das immer mal versucht herauszufinden. Gerade Marketingabteilungen sind immer ein wenig zurückhaltend im Weitergeben von Zahlen. Zudem weiß man meistens nicht, welcher Bereich in der Werbung letztlich ausschlaggebend war. Es ist immer schwer messbar. Aber ich weiß beispielsweise, dass Danone sehr, sehr zufrieden war. Bei Nike fällt es vielleicht weniger auf. Da war ich nicht das einzige Testimonial, sondern war Teil eines Gesamtkonzeptes. Aber wie gesagt, Danone und auch L´Oréal waren sehr zufrieden und haben seinerzeit das Angebot angenommen, den Vertrag zu verlängern, weil sie noch weiter schalten wollten. RTL ist zum Beispiel auch sehr zufrieden. Die wollen jetzt mit mir weiter machen, weil sie unter anderem festgestellt haben, dass viel mehr Frauen zuschauen, wenn ich da stehe…

Was sagt Ihre Frau dazu…

Bierhoff: Muss sie mit leben (lacht)…ich bin ja bei ihr.

Haben Sie die Verwertungsrechte an Ihrer Person voll inne oder sind Sie hier auch vereinsmäßig gebunden.

Bierhoff: Teils, teils, die Werbung sollte auf jeden Fall nicht im Konflikt mit dem Vereinssponsor sein.

Aber Sie können, ohne den Verein zu fragen, weitere Werbeverträge abschließen?

Bierhoff: In meinem Falle schon. In Deutschland geht das nicht immer ohne weiteres. Bei mir im Vertrag hatte ich das so vereinbart. Zudem war es von Vorteil, in Italien zu sein. Was in Deutschland passierte war meinem Verein daher relativ egal.

Gibt es eine Korrelation, dass mit zunehmenden Erfolg auch mehr Werbeangebote kommen?

Bierhoff: Man merkt schon, dass die Sponsoren sehr sensibel auf die Erfolgsgeschichten reagieren. Das ist auch generell immer das Problem bei der Vermarktung von Personen. Auch wenn ein Sportler besoffen vor den Baum fährt, kann das sofort einen negativen Imagetransfer für das werbetreibende Unternehmen bedeuten. Deswegen haben einige Werbetreibende, die Stars als Werbeträger nutzen, Angst. Und ich glaube, dass das auch die Stärke meiner Vermarktung war, dass die Unternehmen einfach wussten, dass ich eben nicht skandalumwittert bin, was von anderer Seite auch mal etwas negativ dargestellt wurde. Ich bin seriös, die müssen keine großen Bedenken haben, dass ich verrückte Dinge mache. Darüber muss sich der Vermarktete auch bewusst sein, dass er eine gewisse Verantwortung gegenüber den Sponsoren hat.

Wo sehen Sie die Erfolgsfaktoren von Prominentenwerbung?

Bierhoff: Man fragt sich natürlich immer wieder, was war bei meiner Vermarktung so gut. Wie die Vermarktung angegangen wird, ist schon mal ein ganz entscheidender Punkt. Da kann ich nur sagen, da habe ich mit Peter Olsson den besten angetroffen, den ich hätte treffen können. Wir verschicken nicht 50 Briefe, nach dem Motto „Wollt Ihr?“, sondern man zeigt den Unternehmen, wo Oliver Bierhoff heute steht und wo man ihn mit Hilfe der Firma und anderen Partnern hinbringen kann von der Profilierung her. Also es ist eben nicht nur ein plumpes sich anbieten, sondern es wird den Firmen ein Konzept, eine Idee vorgestellt. Aber letztendlich ist das entscheidende natürlich die Persönlichkeit und da zählt auch der Sympathiewert, der bei mir immer wahnsinnig hoch war. Selbst in sportlich schlechten Zeiten, war ich nach den Umfragen eigentlich bis vor einem Jahr der sympathischste und beliebteste Fußballer. Kurz der Erfolg, Sympathie und Persönlichkeit spielt eine Rolle. Deswegen denke ich auch, haben viele meiner Sponsoren – mit DWS sind es sechs Jahre, mit Quelle waren es vier Jahre und mit Nike hätte ich bis 2006 einen Zehnjahres-Vertrag erfüllt – die Treue gehalten. Ich bin der erste Sportler, den sie in einer solchen Funktion übernehmen und das ist irgendwo schon eine Auszeichnung.

Achten Sie auch auf Sportlerkollegen?

Bierhoff: Ich bin begeistert dabei und verfolge natürlich auch, was andere Sportlerkollegen machen, weil das eben ein Metier ist, dass mich interessiert, egal ob es ein Hannawald, Schmidt, Jan Ullrich oder Michael Schumacher ist.

Was sagen die Fußballer-Kollegen über Ihr Werbeengagement?

Bierhoff: Einige finden das positiv. Es gab gerade am Anfang viel Kritik, meistens von den Jungs, die dann heimlich Briefe an die Firmen geschrieben haben, um vielleicht selber Vermarktung zu machen. Es gibt keinen, der einen interessanten Werbepartner wie Michael Ballack bei Pepsi Cola ablehnen würde. Allerdings wird man in Deutschland gerade auch von der Presse immer kritisch beäugt, sobald ein finanzieller Aspekt dahinter steht. Aber wenn ich mich immer danach richten würde, was andere denken, dann wäre ich nicht hier.

Was ist wichtiger: Erfolg oder Glaubwürdigkeit?

Bierhoff: Erfolg ist eine notwendige Bedingung, aber er reicht sicherlich nicht aus, denn es gibt genug andere erfolgreiche Sportler im Fußball wie in anderen Sportarten. Wenn man eine gewisse Persönlichkeit hat, kann man aber gewisse Schwächphasen durchstehen. Ich denke, dass mein Image und meine Persönlichkeit soweit gefestigt sind, dass auch ein halbes schlechtes Jahr an meiner Persönlichkeit nichts rüttelt.

Achtet und justiert man immer bewusst auf seinen eigenen Marktwert? Thema WM-Kader: Sieht man zu, dass man im Interesse des eigenen Marktwertes in die WM-Formation kommt, um für Werbepartner interessant zu bleiben ?

Bierhoff: Nicht unbedingt. Ich bin ziemlicher Realist. Sicherlich wird mein Image und meine Popularität noch gewinnen, wenn ich eine gute WM spiele, aber ich denke auf der anderen Seite, dass die Menschen ein gewisses Bild von mir haben und ein gewisser Bekanntheitsgrad da ist. Der wird sich jetzt nicht mehr durch fünf Spiele verändern. Insofern mach ich mir nicht mehr so riesig Gedanken. Aber es ist natürlich schon so, dass man weiß, dass solche Großereignisse wichtig sind für die eigene Vermarktung oder Verträge mit Vereinen.

Ihr Image hängt auch davon ab, was Sie innerhalb der Werbung machen. Wie stark greifen Sie bei der Gestaltung von Werbekampagnen ein?

Bierhoff: Man gibt schon eine gewisse Richtung vor, aber gerade in der heißen Phase, wo ich dann mehrere Verpflichtungen hatte, hätte es den Rahmen gesprengt, wenn ich überall mitgearbeitet hätte. Bei L´Oréal zum Beispiel haben wir vorgegeben, wir wollen keine Kampagne, wo ich mit nacktem Oberkörper unter der Dusche stehe.

Wie stark befassen Sie sich mit Ihren Sponsoren?

Bierhoff: Wenn ich Zeitung lese und sehe irgend etwas über Nike, Puma oder Adidas, dann lese ich das. Ebenso im Umfeld zu DWS oder den anderen Branchen, in denen ich Sponsoren habe. Die Sponsoren waren dann immer etwas erschrocken, wenn ich sehr spezifisch nachgefragt habe, was mit diesem oder jenem los sei. Mit einer solchen Identifikation haben die Werbepartner meistens nicht gerechnet. Aber ich interessiere mich wirklich für die Unternehmen und Produkte, für die ich werbe. Das ist nicht nur aufgesetzt.

Gesetzt den Fall, einer Ihrer Werbepartner würde negativ in der Presse auffallen. Wie würden Sie reagieren?

Bierhoff: Es kommt ja teilweise vor. Nike war ja mal mit der Kinderarbeit in der Presse, aber die arbeiten dran. Es ist allerdings wahnsinnig schwer, in diesen Ländern dagegen anzugehen. Ansonsten bin ich glücklicherweise noch nicht in diese Situation gekommen. Vielleicht wenn es einen Umweltskandal geben würde, dann würde man sicherlich von einer weiteren Zusammenarbeit Abstand nehmen. Das wäre dann auch imageschädigend für mich.

Das Gespräch führte Christian Thunig.


eingestellt am 6. Juni 2002

Literaturempfehlung: Zu diesem Thema gibt es eine Neuerscheinung aus dem Business Village Verlag Der Mensch als Marke.

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