No cash, no problem: Verabschieden sich die Deutschen vom Bargeld?

Die Corona-Pandemie hat den Trend zum bargeldlosen Bezahlen beschleunigt – lieber keine physische Berührung im Supermarkt. Die Payment-Dienstleister trommeln aber weiter für Karte und Smartphone, weil das Potenzial im deutschen Markt noch lange nicht erschöpft ist.
Bargeldlos bedeutet inzwischen meist kontaktlos. (© Unsplash)

Die Bäckerei-Kette Der Beck hat in Nürnberg für viel Aufsehen gesorgt: Seit Ende März ist es in der Filiale am Vogelsgarten nicht mehr möglich, mit Bargeld zu bezahlen. Auch Kleinstbeträge für Brötchen und Kuchen müssen mit Karte, Handy oder Smartwatch beglichen werden – wer darüber nicht verfügt, kann eine Kundenkarte der Bäckerei nutzen. Auf diese Weise sollen die Bezahlprozesse einfacher und die Wartezeiten kürzer werden. Ob die Bargeldlos-Pflicht auch an weiteren der insgesamt 150 Standorte in der Nürnberger Region eingeführt wird, hängt von den Erfahrungen in der Test-Filiale ab. Das bisherige Feedback der Kundschaft sei sehr positiv, lässt das Unternehmen verlauten.  

Der Großbäcker liegt damit im Trend: Die Deutschen gewöhnen sich langsam, aber sicher, an das Bezahlen mit Karte oder Smartphone. Möglich ist es schon lange nicht mehr nur im Handel, sondern immer häufiger auch beim Friseur, bei Konzerten oder im Fußballstadion. Laut einer Erhebung der Bundesbank wurden 2021 nur noch 58 Prozent der Bezahlvorgänge im stationären Handel mit Scheinen und Münzen getätigt, vier Jahre zuvor waren es noch 74 Prozent. 32 Prozent der Transaktionen entfallen mittlerweile auf Debitkarten, vor allem die Girocard, 6 Prozent auf Kreditkarten. Auch das Handy wird wichtiger: Laut Studie nutzen 17 Prozent der Smartphone-Besitzer ihr Gerät auch, um an der Kasse zu bezahlen. Wesentlicher Treiber der Entwicklung ist die Corona-Pandemie, weil das kontaktlose Bezahlen aus hygienischen Gründen beliebter wurde. 

Bargeldlos heißt mittlerweile meist kontaktlos – man hält die mit einem NFC-Chip ausgestattete Karte oder das Handy nur noch vor ein Bezahlterminal oder ein anderes Handy. Zwei von drei Bezahlvorgängen mit der Girocard liefen im vergangenen Jahr auf diese Weise. 2020 lag der Anteil erst bei der Hälfte.      

Nachholbedarf gibt es noch in der Zielgruppe 50+ 

Aber wird sich das alles wieder ändern, wenn die Pandemie überwunden ist? Es sieht nicht danach aus. „Corona hat dem kontaktlosen Bezahlen einen Schub gegeben – und dieser Schub wirkt nach“, sagt Kevin Hackl, Referent Digital Banking & Financial Services beim IT-Verband Bitkom. Er stützt sich auf eine Bitkom-Befragung von 1003 Personen im vergangenen April. Danach haben von Januar bis März dieses Jahres 93 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger mindestens einmal mit Karte, Smartphone oder Smartwatch kontaktlos bezahlt. Vor einem Jahr lag der Anteil noch bei 85 Prozent, Ende 2020 waren es erst 79 Prozent. 64 Prozent der Befragten geben zudem an, dass sie künftig seltener Bargeld verwenden werden – der Trend ist offenbar stabil.  

Davon geht man auch bei S-Payment aus, dem Zahlungsdienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe: „Der Trend wird sich wahrscheinlich nach einer baldigen Normalisierung der Corona-Lage wieder leicht abschwächen, aber das bisher erreichte Niveau wird insgesamt stabil bleiben“, sagt Stephan Arounopoulos, Pressesprecher S-Payment. „Signifikante Einbrüche sind nicht zu erwarten.“ 

Dennoch sieht man bei S-Payment auch, dass das Potenzial für bargeldloses Bezahlen noch lange nicht ausgeschöpft ist – zumal Deutschland im internationalen Vergleich immer noch sehr cash-affin ist. „Vor allem die Kundinnen und Kunden der Generation 50+ müssen wir noch stärker an das bargeldlose Bezahlen mit kontaktlosen Karten oder ihren Smartphones heranführen“, so Arounopoulos. „Die Vertreter dieser Altersgruppe sind überwiegend noch das Bezahlen mit Bargeld gewohnt.“ 

Die Sparkassen werben fürs Bezahlen mit Apple Pay 

Auf Akzeptanz-Seite gebe es insbesondere bei kleinen und mittelständischen Gewerbekunden noch „weiße Flecken“ für bargeldloses Bezahlen, da häufig die notwendige Infrastruktur fehle. Abhilfe soll die Sparkassen-App „S-POS“ schaffen, die es kleinen Gewerbetreibenden ermöglicht, Kartenzahlungen ihrer Kunden mit dem eigenen Android-Smartphone zu akzeptieren. Dieses wird zum mobilen Kartenlesegerät. 

Auch die Sparkassen treiben das bargeldlose Bezahlen voran. ©S-Payment/Apple Pay

Um neuartige Payment-Möglichkeiten bekannter zu machen, fährt S-Payment im August unter anderem eine Werbekampagne für das Bezahlen mit Apple Pay. Die Printmotive zeigen unter anderem einen kontaktlosen Bezahlvorgang mit der Apple Watch an einem mobilen Bezahlterminal („Mit nur einem Move durchstarten“). 

Auch die internationalen Zahlungsdienstleister ruhen sich nicht auf dem Corona-Effekt aus, sondern pushen weiterhin digitale Bezahlmethoden: „Wir sind von der Kontaktlostechnologie voll überzeugt und glauben, dass es die Zukunft des Bezahlens im Alltag sein wird – gerade dort, wo viel mit Handschuhen hantiert werden muss oder wo sich allein aus Hygienegründen eine kontaktlose Zahlung empfiehlt, wie beispielsweise im Lebensmitteleinzelhandel oder auf öffentlichen Toiletten“, sagt Juliane Schmitz-Engels, Head of Communications, Germany and Switzerland, Mastercard. „Kontaktlose Bezahlung ist aber auch für solche Bereiche besonders geeignet, bei denen es auf Geschwindigkeit beim Bezahlvorgang ankommt, also dem ÖPNV, Parkautomaten oder auch Großevents mit mehreren Tausend Gästen.“  

Visa macht KMUs den Cash-Abschied schmackhaft 

Mit kommunikativen Maßnahmen ist zurzeit vor allem Konkurrent Visa präsent. Das Unternehmen hat im Mai gemeinsam mit der Onlinemarketingplattform OMR ein edukatives Online-Programm für kleine und mittlere Unternehmen gestartet. Diese können auf der Plattform unter dem Titel „Mein Geschäft. Meine Zukunft“ Inhalte zu den Themen Digitalisierung, Finanzen und Kommunikation abrufen – dabei kommt natürlich auch das bargeldlose Bezahlen nicht zu kurz. Zum Angebot gehören kostenlose Info-Beiträge, Podcasts, Webinare und Whitepaper.  

Visa-Kampagne für KMUs: Der Imbissbetreiber Tommi Tombrink berichtet über die Segnungen des bargeldlosen Bezahlens ©Visa

Man wolle in diesem Jahr „noch mehr unabhängige kleine und mittlere Unternehmen auf ihrem Weg in die digitale Welt unterstützen, indem wir sie mit den Ressourcen und Partnern in Verbindung bringen, die sie benötigen, um in den Bereichen Technologie, Finanzwissen und Kommunikation zu wachsen und erfolgreich zu sein“, sagt Merle Meier-Holsten, Head of Marketing Central Europe bei Visa. Bekannt gemacht wird die Plattform unter anderem durch drei 90-sekündige Videoclips im Internet, in denen drei Kleinunternehmer – ein Imbissinhaber, eine Seifenherstellerin und zwei Barbershop-Betreiber – über ihre Erfahrungen mit digitalen Tools berichten.  

An die Kartennutzerinnen und -nutzer richtet sich Visa seit Anfang des Jahres mit einer internationalen 360-Grad-Kampagne für die Debit Card. Unter dem Motto „Mehr als eine Karte“ soll gezeigt werden, dass man mit der Debit Card jederzeit und überall bargeldlos bezahlen kann – ob im Internet, in Apps oder mobil am PoS. „Visa ist ein Begleiter im Leben und bietet mit Visa Debit eine Bezahllösung, die die wichtigsten Vorteile in einem Produkt vereint“, erläutert Meier-Holsten. Auf dem Mediaplan stehen TV, Online Videos, Special Placements, eine digitale Display-Kampagne, eine Landingpage als Content-Hub und integriert die Social-Media-Kanäle Instagram, Facebook und TikTok.  

Die Debit Card als Begleiter in allen Lebenslagen: Szene aus den Spots der „Mehr als eine Karte“-Kampagne von Visa. ©Visa 

(kj, Jahrgang 1964), ewiger Soul- und Paul-Weller-Fan, hat schon für Tageszeitungen und Stadtmagazine gearbeitet, Bücher über Jugendkultur und das Frankfurter Bahnhofsviertel geschrieben und eine eigene PR-Agentur betrieben. 1999 zog es ihn aus dem Ruhrgebiet nach Frankfurt, wo er seitdem über Marketing-, Medien- und Internetthemen schreibt, zunächst als Ressortleiter bei „Horizont“, seit 2008 als freier Journalist und Autor. In der Woche meist online, am Wochenende im Schrebergarten.