Neues EU-Recht zur Linksetzung: Dieses Hamburger Gerichtsurteil kann für Medien teuer werden

Der Europäische Gerichtshof fällte im Sommer ein umstrittenes Urteil, das Kritiker als Gefährdung der Freiheit im Internet interpretieren. Das Gericht urteilte, dass Seitenbetreiber beim Setzen eines Links auch für die Inhalte der verlinkten Seite haftbar gemacht werden können. Die europäische Rechtsprechung fand nun erstmals am Landgericht Hamburg Anwendung und deutet an, was auf Medien zukommt.
Kommerzielle Seitenbetreiber haften für illegale Inhalte, wenn sie darauf verlinken

Am Landgericht Hamburg ging ein Fotograf gegen den Betreiber eines Online-Shops vor, der auf seiner Seite eine Verlinkung zur Seite eines Dritten gesetzt hatte. Dort wurde eine Arbeit des Fotografen ohne dessen Zustimmung verwendet. Grundlage des Antrags auf einstweilige Verfügung war die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes aus dem September dieses Jahres (Az. C-60/15), die klarstellte, dass auch das Setzen eines Links auf eine Seite mit Urheberrechtsverletzung möglicherweise rechtswidrig ist. Der Linksetzende macht sich nämlich dann strafbar, wenn er eine „Gewinnerzielungsabsicht“ hat. In diesem Fall ging es um das niederländische Internetangebot GeenStijl. Das Blog hatte auf verschiedene Seiten verlinkt, auf der die Fotos einer niederländischen Prominenten aus dem Playboy zu sehen waren. Eine Erlaubnis für die Veröffentlichung der Fotos gab es allerdings nicht. GeenStijl hatte als publizistisches Angebot auch mit der Verlinkung Geld verdient, so die Ansicht der Richter. Wie eine „Gewinnerzielungsabsicht“ aber genau zu definieren ist, ließ der Europäische Gerichtshof offen.

Entscheidung der Urheberrechts-Kammer

Eine Definition dessen gab nun das Landgericht Hamburg in seinem Beschluss, nach dem der einstweiligen Verfügung – ohne mündliche Verhandlung – stattgegeben wurde (Az. 310 O 402/16). Demnach besteht eine Gewinnerzielungsabsicht nicht nur durch den konkreten Link (beispielsweise durch einen Affiliate-Link), sondern auch wenn der Linksetzende generell ein kommerzielles Angebot betreibt. In der Entscheidung der Urheberrechts-Kammer des Landgerichts heißt es dazu:

Zwar definiert der EuGH nicht, welche Handlungen genau von einer Gewinnerzielungsabsicht getragen sein müssen (…) Die Kammer versteht die EuGH-Rechtsprechung jedoch nicht in einem engeren Sinne dahin, dass die einzelne Linksetzung unmittelbar darauf abzielen müsste, (höhere) Gewinne zu erzielen (etwa durch Klick-Honorierung). Denn der EuGH benutzt das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht lediglich zur Abgrenzung, ob dem Linksetzer Nachforschungen über die Rechtesituation bzgl. der verlinkten Seite zumutbar sind.

Die  Zumutbarkeit hinsichtlich der Recherche über die Arbeit des Dritten sei auch dann gegeben, wenn es sich generell um ein kommerzielles Angebot handelt, so die Ansicht der Hamburger Richter. Das bedeutet: Egal ob E-Commerce-Anbieter, Blogger oder publizistisches Verlagsangebot: Urteil und Beschluss zufolge müssen sich die Seitenbetreiber bei Setzung eines Links versichern, dass auf der Seite Dritter keine Urheberrechtsverletzungen stattgefunden haben. Offen aber bleibt, wie weit diese Prüfungspflicht reicht, erklärt Rechtsanwalt Jonas Kahl. „Es bleibt insofern noch unklar, ob man sich um eine solche Klärung der Rechte auf der verlinkten Website lediglich bemühen muss oder ob man sich abschließend davon überzeugen muss, dass die verlinkte Seite ihrerseits alle Rechte eingeholt hat.“

„Linkhaftung erschüttert das Internet“

Jonas Kahl, Rechtsanwalt bei der Leipziger Sozietät Spirit Legal LLP, hat die Hamburger Entscheidung erstritten und sieht die Folgen selbst durchaus kritisch. „Diese Entwicklung der Rechtsprechung zur Linkhaftung erschüttert das Internet in seinen Grundfesten“, so der Jurist. „Es ist anzunehmen, dass der Einzelne künftig im Zweifel darauf verzichten wird, einen Link zu setzen, anstatt die Zielseite eingehend zu überprüfen oder sich einem Haftungsrisiko auszusetzen.“ Kahl, dessen Motiv der Mandatierung das Schaffen von Rechtssicherheit gewesen sei, erwartet deshalb mittelfristig negative Auswirkung auf die Informations- und Kommunikationsfreiheit im Web.

Ebenfalls unklar bleibt, ob sich die Entscheidungen bislang nur auf das Betreiben von eigenen Plattformen beschränkt oder auch Anwendung im Social Web findet. Derzeit sei kein Grund ersichtlich, weshalb dies nicht der Fall sein sollte. „Dies gilt insbesondere für Accounts und Fanpages von Unternehmen und Organisationen. Selbst Auswirkungen auf den Bereich der politischen Meinungsbildung sind nicht auszuschließen.“

Spekuliert werden könne derzeit noch, was passiert, wenn sich überprüfte Inhalte im Laufe der Zeit ändern, so Kahl weiter. „Vieles spricht dafür, dass diese und ähnliche Detailfragen von den Gerichten künftig im Rahmen des Verschuldungsmaßstabes zu klären sind.“