„Nein“ zu Acta ein „Ja“ zum Ideenklau?

Klarer hätte die Ablehnung des „Anti-counterfeiting Trade Agreements“ (Acta) durch das Europäische Parlament kaum ausfallen können: 478 Europaabgeordnete stimmten gestern gegen den von der Europäischen Kommission eingebrachten Entwurf, nur 39 sprachen sich dafür aus und 165 enthielten sich. Während es Acta-Kritker begrüßen, dass das Urheberrecht nun mit dem Internetzeitalter kompatibel gemacht werden könne, übt der Art Directors Club für Deutschland (ADC) harsche Kritik: „Selten ist es der Politik so nachhaltig gelungen, ein so wichtiges Thema wie den Schutz von Kunst, Kultur, Patenten und Marken so stümperhaft zu behandeln.“

Von Astrid Schäckermann

Dass Acta ad acta gelegt wurde, sei „ein katastrophales Armutszeugnis für die europäischen Medienpolitiker“, sagt ADC-Präsidiumssprecher Jochen Rädeker. „Dabei wäre es bitter nötig gewesen, durchdacht zu handeln“, betont er weiter. Das gescheiterte Agreement sei ein hirnloses Einknicken der Politik vor ein paar wenigen, radikalen Vertretern einer inakzeptablen Gratiskultur. In zahlreichen europäischen Städten hatte es in den vergangenen Monaten Demonstrationen gegen das Anti-Piraterie-Abkommen gegeben. Medienberichten zufolge lässt die Europäische Kommission seit Mai vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) prüfen, ob Acta gegen Grundrechte verstößt. Sie hätte die Abstimmung im EU-Parlament daher gern verschoben.

Das Handelsabkommen Acta war auf Bestreben der USA und Japan entwickelt worden. Die Europäische Union hatte es mit Australien, Kanada, Japan, Korea, Mexico, Marokko, Neuseeland, Singapur, der Schweiz und den Vereinigten Staaten abgeschlossen. Vor der Ratifizierung musste jedoch das EU-Parlament zustimmen. Nach dem Scheitern von Acta wartet die Kommission nun die Entscheidung des EuGH ab und wird dann prüfen, ob es neue Gespräche mit den Vertragspartnern geben soll. Bislang ist Acta noch in keinem Land ratifiziert worden.

Urheberrechtsschutz ist notwendig

Nachbesserungen am internationalen Anti-counterfeiting Trade Agreement hatten im Vorfeld der Entscheidung im EU-Parlament sowohl die deutsche Justizministerin als auch Vertreter der Digitalen Wirtschaft in Deutschland gefordert. Verbraucher dürften nicht durch Acta kriminalisiert werden, heißt es in einer Stellungnahme des BVDW vom Frühjahr. Der Branchenverband der Digitalen Wirtschaft betonte gleichermaßen die Notwendigkeit des Urheberrechtsschutzes zugunsten der Rechteinhaber. Dieser dürfe aber nicht einseitig auf Kosten der Verbraucher, der Unternehmen der digitalen Wirtschaft oder der Vielfalt und Freiheit im Netz erfolgen.

BVDW-Vizepräsident Matthias Ehrlich hatte in seinem Statement einen konstruktiven und gemeinsamen Dialog von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gefordert, um ein besseres Verständnis bei den Verbrauchern für die Notwendigkeit des Urheberrechts zu schaffen. „Das Vorgehen, Acta hinter nahezu vollständig verschlossenen Türen zu verhandeln, schürte bei den Verbrauchern Unsicherheit und Ängste“, betonte er. Zudem ließen die oft sehr weit gefassten und nicht eindeutigen Formulierungen von Acta zu viel Interpretationsraum. „Was wir stattdessen brauchen, ist ein für die Nutzer verständliches Urheberrecht“, so Ehrlich. Dem ADC zufolge bedeutet das Scheitern von Acta das Ende von künstlerischem Schaffen, kulturellem Angebot, wissenschaftlicher und unternehmerischer Arbeit. „Wer schreibt, komponiert oder gestaltet, forscht oder produziert noch, wenn die Ergebnisse im zentralen Medienkanal unserer Zeit nicht mehr geschützt und folgerichtig von niemandem mehr bezahlt werden?“, fragt Rädeker.

Unsägliche Geheimniskrämerei

Das „Nein“ zu Acta komme einem „Ja“ zu Produktpiraterie, Ideenklau und illegaler Weiterverbreitung von Inhalten gleich. Bei seiner Ursachenforschung kommt der ADC zu folgendem Ergebnis: „Viel zu lange hat die EU-Kommission die Proteste von Netzaktivisten, Verbänden und die Interessen der Schwellen- und Entwicklungsländer nicht ernst genommen und unsägliche Geheimniskrämerei betrieben.“ Bei derart sensiblen und weichenstellenden Beschlüssen seien Transparenz und das Einbeziehen der Gesellschaft unbedingt erforderlich. Rädeker betont: „In Deutschland wurde die Diskussion um Acta vor allem auf der Ebene von illegalen Downloads und Gratis-Kultur im Internet geführt. Doch das sind Nebenkriegsschauplätze. Es geht um Marken und Patente, also um das Wertvollste, was Unternehmen besitzen.“ Jetzt müsse auf dem internationalen Parkett bei Verhandlungen zum Schutz vor Urheberrechtsverletzung und Produktpiraterie wieder bei Null angefangen werden – und es sei allerhöchste Zeit dafür.

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