Nachrichtenlage prüfen fürs Suchmaschinen-Marketing

So genannte generische Keywords, also Suchbegriffe, die direkt den Bedarf des Nutzers andeuten („Hotel + Hamburg“), sind hart umkämpft und teuer. Wie wäre es mit einer Strategie, die um die Ecke denkt?

Von Frank Puscher

Die Hotelbranche jammert: Kaum ein Privathotel kann es sich erlauben, bei wichtigen Schlüsselbegriffen auf Google in werbliche Konkurrenz zu den großen Portalen wie Booking.com oder HRS zu treten. Wer es dennoch probiert, wird möglicherweise mehr Buchungen einsammeln, aber die Marge ist freilich dahin.

Auch bei dedizierten Suchen nach Hotels tauchen die Portale immer wieder in den gesponserten Ergebnissen, also in Google Adwords, auf. Das kann daran liegen, dass Google selbst die Anzeigen diesen Suchen zuordnet. Das kann aber auch passieren, wenn die Mitbewerber gezielt auf Hotelnamen als Suchbegriffe buchen. Die Rechtsprechung schützt Hotels – und andere Markeninhaber – nur dann, wenn tatsächlich Verwechslungsgefahr besteht. Mitunter werden Kampagnen so trickreich eingebucht (nachts, an anderen Standorten), dass das betroffene Unternehmen das gar nicht direkt mitbekommt.

Erstaunliche Phantasielosigkeit der Onlinewerber

Jammern hilft also nicht, es bedarf einer Alternativstrategie. Und da sind viele Onlinewerber erstaunlich phantasielos. Hotels aus Hamburg könnten auch Suchen nach „Musicals + Hamburg“ oder gar „König der Löwen + Hamburg“ buchen und somit vom Suchverkehr auf diese Themen profitieren. Das machen aber nur die Ticketverkäufer Eventim und Co.

Onlinewerber in hart-umkämpften Branchen, die mit entsprechend viel Personal sehr schnell reagieren können, haben für sich eine noch kleinteiligere Variante entdeckt, das News-Hijacking, also die „Entführung“ von Nachrichten. Das Prinzip ist auch hierzulande bekannt, weil Autovermieter Sixt und seine Agentur Jung von Matt immer wieder aktuelles Zeitgeschehen in dreiste Anzeigenmotive umarbeitet. Letzen Herbst zum Beispiel den gereckten Finger von Peer Steinbrück als Statement gegen die Pkw-Maut.

Kampagnen zu U-Bahn-Ausfällen in London

Dass Gleiches auch schneller, einfacher, aber kaum weniger effektiv im Netz funktioniert, zeigt ein Blick zu den Briten. Als in London am fünften Februar die U-Bahn bestreikt wurde, überboten sich die Agenturen, Händler und Restaurants mit pfiffigen Kampagnen, die pünktlich am Vorabend des Streiks erschienen und dadurch jede Menge virale Reichweite erzielten. Sie wurden Teil des Twitter– und Facebookstroms zu den entsprechenden Schlüsselbegriffen und Hashtags (#tubestrike).

Pizza Express wählte ein nettes Motiv mit paddelnden Londonern auf der Themse. Claim: „Wie auch immer Sie heute zur Arbeit gelangt sind“. Das Café Rouge reagierte mit passendem Angebot: Vergiss das Pendeln, arbeite bei uns mit kostenlosem WLan. Adidas implementierte einen eigenen Hashtag mit #boostlondon und rief seine Zielgruppe dazu auf, die Schuhe zu schnüren und zur Arbeit zu laufen, statt sich dem Streik zu beugen. Der recht allgemeine Hashtag eignet sich natürlich wunderbar, um später weitere Aktionen auf diesem Weg zu fahren. Hashtracking.com ermittelte eine Reichweite von 2,6 Millionen Kontakten. Adidas UK selbst hat 380.000 Follower.

Wer wirbt eigentlich mit Sotchi?

Was mit Twitter möglich ist, geht in Grenzen auch mit Google-Adwords. Welcher Händler/Hersteller von Wintersportartikeln wirbt eigentlich zum Suchbegriff Sotchi (oder Sotschi)? Zum Zeitpunkt der Artikelrecherche keiner. Aber Vorsicht: Der werbliche Umgang mit Nachrichten ist heikel und kann gewaltig nach hinten los gehen, wenn man sich im Ton vergreift. Auch das bewiesen Sixt/JvM mit der geschmacklosen Kampagne zu Gustl Molath im Sommer vergangenen Jahres.

Hier noch einige Beispiele aus London:
http://econsultancy.com/blog

Und ein Beispiel über Audi-Werbung zum Olympia-Ereignis, kreiert von einem Markenfan:
http://mashable.com/2014/02/10/sochi-audi-ad