Nachhaltige Spielwaren: Der letzte Weg von Teddy & Co.

Spielwarenhersteller arbeiten an der Kreislauffähigkeit ihrer Produkte. Sie treffen dabei auf ein wachsendes Interesse an Nachhaltigkeit im Handel und bei der Zielgruppe Eltern.
Teddybär im Müllcontainer
Spielsachen können heute vieles sein: langlebige, nachhaltige oder recycelte Produkte, aber auch Wegwerfartikel und Plastikmüll. (© iStockphoto)

Wer das langlebigste und in diesem Sinne nachhaltigste Produkt in einem Haushalt finden will, sollte seine Suche im Keller oder auf dem Dachboden beginnen. Wenn die Kinder groß werden und ihren Lieblingsspielsachen entwachsen, landen der abgekuschelte Teddybär, die Holzeisenbahn oder das Lieblingsbuch nicht etwa im Müll oder auf dem Kinderflohmarkt. Sie werden sorgsam von den Eltern eingelagert, um erst eine Generation später vor den gespannten Blicken der Enkel wieder ans Licht geholt zu werden. Auch eine Form der Kreislaufwirtschaft, möglicherweise sogar die allerbeste.

Das Thema Spielware eignet sich gut für eine emotionale Debatte über das Kreislaufprinzip: Die meisten Eltern – auch wenn sie dabei weniger die Nachhaltigkeit im Blick haben – dürften auf die Weitergabe von Spielsachen setzen, sei es an Geschwister, im Freundes- und Bekanntenkreis oder an die nachkommende Generation. Diese Art der „Spielzeugkreisel“ sorgt für die Mehrfachverwertung von Produkten, das schont nebenbei den Geldbeutel und beruhigt das Gewissen. Doch die andere Seite der Medaille ist eine Wegwerfkultur, die auch in dieser Warenkategorie vorherrscht: Man hat sofort Berge aus billigen Plastikspielsachen asiatischer Produktion vor Augen.

Einer, der den deutschen und internationalen Spielwarenmarkt aus dem Effeff kennt, springt den hiesigen Herstellern bei: „Deutschland ist das ‚Mutterland‘ von Holzspielwaren. Sie stehen wie kaum eine andere Warengruppe für Nachhaltigkeit. Daher denke ich, dass dieses Thema hier immer schon eine Rolle gespielt hat“, sagt Ulrich Brobeil, Geschäftsführer beim Deutschen Verband der Spielwarenindustrie (DVSI) im Interview mit der absatzwirtschaft. Es gebe hierzulande kaum noch einen Hersteller, der sich nicht mit den Themen Nachhaltigkeit, Recycling oder Kreislaufwirtschaft beschäftigt, sei es mit Materialien für Produkte, Transportwegen oder Verpackungen, so der Verbandschef.

Aus Spielsachen werden Parkbänke und Gießkannen

Viele Spielzeuge könnten nicht über die regulären Recycling-Kreisläufe aufbereitet werden, sagte sich Ende des vergangenen Jahrzehnts der US-Hersteller Hasbro (Monopoly, MB Spiele, Transformers). Das Unternehmen, neben Lego und Mattel einer der drei größten Spielwarenhersteller der Welt, hat darum
2018 ein eigenes Recycling-Programm gestartet. Dabei werden Spiel­sachen zu Parkbänken, Gießkannen, Mülleimern und Dosen wiederaufbereitet. Nach eigenen Angaben war Hasbro weltweiter Vorreiter mit seinem Programm. Ab 2019 wurde es auf dem deutschen Markt und in weiteren Ländern ausgerollt.

Monopoly-Hersteller Hasbro hat 2018 ein Recycling-Programm gestartet und im Jahr darauf auch in Deutschland eingeführt. ©Unsplash

„Unser Ziel ist es, Spielzeug und Spiele vor der Müllverbrennung zu retten und die hochwertigen Materialien zum Schutz der Umwelt zu recyceln“, sagt Rafaela Hartenstein, European Director Corporate Affairs bei Hasbro, heute. Im vergangenen Jahr gewann der US-Hersteller in Deutschland die Drogeriekette Müller als Partner für das Recycling-Programm und die Kommunikation in Richtung Konsument*innen. „Familien sollen zu Recht beim Kauf von unseren Produkten ein gutes Gefühl haben können“, so Hartenstein. Hasbro setze zudem verstärkt auf plastikfreie Verpackungen. Bis Ende 2022 seien durch alle Maßnahmen weltweit circa 862.000 Tonnen Kunststoff eingespart worden.

Der weltgrößte Spielwarenhändler, Lego, profitiert vielleicht noch mehr als alle anderen davon, dass seine Bausteine über Generationen hinweg wiederverwendet werden können. Alt und Neu sind vollständig kompatibel. Dennoch hat auch der dänische Konzern ein Pilotprojekt ins Leben gerufen, bisher nur in den USA und Kanada: Das Programm nimmt nicht mehr genutzte, gebrauchte Lego-Steine an, bereitet diese auf und spendet sie an gemeinnützige Organisationen.

Buchdruck bei Kosmos nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip

Ihrer Verantwortung für Klima und Umwelt wollen auch deutsche Spielwarenhersteller mit Kreislauf-Initiativen nachkommen – und zwar nicht erst seit gestern. Der Stuttgarter Buch- und Spieleverlag Kosmos („Die drei ???“, „Die Siedler von Catan“) war im Jahr 2016 nach eigenen Angaben einer der ersten Verlage, der Bücher nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip hergestellt hat. „Das Konzept, bei dem alle Prozessschritte und verwendeten Materialien auf Wiederverwendbarkeit und minimale Umweltbelastung optimiert sind, hat uns von Anfang an überzeugt“, sagt Matthias Kienzle, als Managing Director verantwortlich für Vertrieb und Marketing der Spielwaren bei Kosmos.

Die Figuren für die „Siedler von Catan“ lässt Kosmos bei seinem Partner, dem Globenhersteller Columbus, aus biobasiertem Kunststoff herstellen. ©Kosmos

Das Familienunternehmen, das 2022 sein 200-jähriges Bestehen gefeiert hat, verwende das C2C-Verfahren heute für zahlreiche Bücher im Erwachsenen- und Kinderbuchbereich. Die Figuren für das Catan-Spiel und weitere Produkte lässt Kosmos bei seinem Partner, dem Globenhersteller Columbus auf der Schwäbischen Alb, aus biobasiertem Kunststoff herstellen. Darüber hinaus bieten die Schwaben ihren Kund*innen einen umfassenden Kunden- und Ersatzteilservice an, etwa für die Experimentierkästen, den Kosmos-Klassiker schlechthin.

Ein Wettbewerber, der ebenfalls aus Baden-Württemberg kommt, will künftig ausschließlich nachhaltige Materialien verwenden: der Tierfigurenhersteller Schleich. „In einem ersten Schritt werden bis Ende 2027 alle unsere Figuren ‚recycelbar‘ sein“, sagt Philipp Hummel, Head of Sustainability. Außerdem arbeite der Hersteller intensiv daran, recyceltes oder biobasiertes Material für die zukünftige Produktion seiner Spielzeuge zu finden. Um die Wiederverwendung von Ressourcen zu gewährleisten, optimiere und zertifiziere Schleich seine Spielzeuge und Verpackungen ab spätestens Ende 2027 nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip. „Für diesen holistischen Ansatz, der in der Spielwarenindustrie außergewöhnlich ist, bekommen wir durchweg positive Rückmeldungen, sowohl vom Handel als auch von Konsument*innen“, so Hummel.

Pilotprojekt für branchenweites Recycling

Auch andere bekannte Spielwarenmarken verfolgen eigene Ansätze: Playmobil hat im vergangenen Jahr eine Tierfiguren-Reihe auf den Markt gebracht, die nach eigenen Angaben im Schnitt aus über 80 Prozent nachhaltigen Materialien, bereits recycelten sowie biobasierten Kunststoffen besteht. Ravensburger hat in das Circular-Economy-Start-up Tribu Box investiert, das entwicklungsfördernde Spielzeugboxen für Babys und Kleinkinder im Abo-Modell anbietet (s. Seite 48). Bei Mattels PlayBack-Initiative können Kund*innen ihr defektes Plastikspielzeug vor der Müllverbrennung bewahren und zum Recyceln einsenden. Das Porto übernimmt der Hersteller, der verspricht, aus den recycelten Bestandteilen Spielplätze für gemeinnützige Kindereinrichtungen zu bauen.

Die Figuren von Schleich sind ab spätestens Ende 2027 komplett „recycelbar“, verspricht der Hersteller. ©Schleich

Einzelinitiativen gibt es viele. Eine nächste Herausforderung besteht aus Sicht des DVSI-Geschäftsführers darin, ein branchenübergreifendes Recycling- und Re-Use-Programm zu etablieren. „Ein Pilotprojekt führen wir gerade in Neustadt bei Coburg unter dem Motto ‚Auf Wiedersehen‘ durch, um Spielwaren entweder zu recyceln oder wiederzubeleben“, sagt Ulrich Brobeil. Gerade bei älteren Produkten mit unbekannten Inhaltsstoffen komme beim Recycling zu neuen Spielwaren der Sicherheitsaspekt ins Spiel. „Für Hersteller von Kunststoffspielzeug dürfte die sortenreine Trennung von Rezyklaten das größte Problem sein“, so Brobeil. Eine Spielwarenwelt gänzlich ohne Kunststoff bleibt für den Verbandsgeschäftsführer daher „kaum denkbar“.

Nachhaltigkeit ist manchen Eltern wichtig, anderen nicht

Die meisten Hersteller setzen ihr „grünes“ Engagement zunehmend in der Marketingkommunikation ein. Schleich kommuniziert nach eigenen Angaben „seit einigen Monaten intensiver zum Thema Nachhaltigkeit“. Bisher habe der Fokus dabei eher auf den Handelspartnern sowie der Fach- und Wirtschaftspresse gelegen. „In den kommenden Jahren werden wir verstärkt an Erwachsene (Eltern) sowie an Kinder kommunizieren. Unser Ziel ist es, auf einfache und spielerische Weise zu erklären, was Nachhaltigkeit für uns bedeutet“, so der Nachhaltigkeitsbeauftragte Hummel. Kosmos fährt nach eigenen Angaben zwar „keine große Nachhaltigkeitskampagne“, Marketingchef Kienzle sagt: „Was wir allerdings durchaus tun: Wir informieren den Handel und den Endkonsumenten über nachhaltige Produktkriterien, wie den umfassenden Kundenservice, die regionale Produktion oder die verwendeten Materialien.“

Quelle: Yougov

Manchen Eltern ist das Thema Nachhaltigkeit wichtiger, anderen weniger wichtig. Doch achten die Kund*innen in der Breite auf Nachhaltigkeit – oder bleibt das ein nachgelagerter Aspekt verglichen mit „harten“ Kaufkriterien wie Qualität oder Preis? Verbandschef Brobeil antwortet diplomatisch: „Der Trend ist zweifellos bei der jungen Elterngeneration vorhanden, allerdings ist auch richtig, dass im preissensiblen Deutschland der Aspekt Nachhaltigkeit im Konzert aller Kaufkriterien eine Rolle unter vielen spielt.“ Leider gelte gerade in diesen Zeiten: „Nachhaltigkeit muss man sich auch leisten können.“

Einen wissenschaftlichen Blick auf diese Frage wirft die Yougov-Studie „Toys, in the eyes of the responsible shopper“ vom Dezember 2022: Sie untersucht die Einstellungen und Sorgen der Konsument*innen in Bezug auf die Spielwarenindustrie in den vier größten internationalen Märkten. Demnach achten 46 Prozent der Deutschen, die mindestens alle sechs Monate Kinderspielzeug kaufen, auf bestimmte Nachhaltigkeitssymbole, -siegel und/oder -nachrichten auf Verpackungen. Kosmos-Marketingchef Kienzle bringt es auf den Punkt: „Nachhaltigkeit wird zunehmend wettbewerbsentscheidend. Viele Konsumenten erwarten von uns, dass wir unsere Produkte möglichst nachhaltig produzieren. Gleichzeitig erwartet auch der Handel von uns, dass wir bestimmte Nachhaltigkeitskriterien einhalten.“

(tht, Jahrgang 1980) ist seit 2019 Redakteur bei der absatzwirtschaft. Davor war er zehn Jahre lang Politik- bzw. Wirtschaftsredakteur bei der Stuttgarter Zeitung. Er hat eine Leidenschaft für Krimis aller Art, vom Tatort über den True-Crime-Podcast bis zum Pokalfinale.