Coronavirus und Marketing: nichts für „Schönwetter-Kapitäne“

DMV-Präsident Dr. Ralf Strauß spricht im Interview mit absatzwirtschaft über Marketing in Zeiten der Coronavirus-Pandemie.
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DMV-Präsident Strauß: "Zunächst einmal ist Besonnenheit das Gebot der Stunde." (© DMV)

Die Verbreitung des Corona-Virus verursacht voraussichtlich schwere wirtschaftliche Schäden. Was bedeutet das für die Marketingbranche?

RALF STRAUSS: Viele Unternehmen untersuchen jetzt verstärkt die Frage, welche Aktivitäten und Maßnahmen in Marketing und Vertrieb welchen Return-on-Investment erbringen. Wir müssen als Marketing und damit als Speerspitze der marktorientierten Unternehmensführung gerade jetzt zeigen, dass wir auch in schwierigen Märkten und Konstellationen das Beste für Kunden und Unternehmen im Markt bewerkstelligen können – wie einige sagen: nicht nur Schönwetter-Kapitän sein, sondern auch mal in rauen Gewässern steuern.

Was empfehlen Sie den Marketingverantwortlichen?

Zunächst einmal ist Besonnenheit das Gebot der Stunde. Aus Sicht des DMV lassen sich exakte Vorhersagen für die weitere Entwicklung des Marktes kaum valide erstellen. Alle Vergleiche mit früheren Wirtschaftsflauten und -krisen sind nicht sachgerecht oder auch überzogen. Die Herausforderung: Die Aussagen professioneller Akteure – neudeutsch: Mediziner und Virologen – werden überlagert durch die Vielzahl an wahrer oder auch tendenziöser Berichterstattung in den Medien. Was auch immer Ursache und Wirkung ist, Fakt bleibt: Die Virusepidemie wird erheblichen Einfluss auf die deutsche Wirtschaft nehmen und damit auch auf alle, die in Marketing und Vertrieb tätig sind.

Um der Misere etwas Positives abzugewinnen: Marketing- und Vertriebsverantwortliche in ganz Europa haben uns immer wieder gemeldet, dass sie einen extremen Rückstand an Themen und Projekten haben, weil sie keine Zeit finden, sie anzupacken, wie etwa die Entwicklung einer neuen Marketing-Organisation, das Überdenken des Kompetenzrasters im Marketing oder auch aller Konzepte rund um das Customer Experience Management … vielleicht ist das Drücken der „virusbedingten Stopp-Taste“ ein guter Anlass, diese Themen einmal aufzugreifen und ihnen Zeit zu widmen.

Welche persönlichen Konsequenzen ziehen Sie aus der Corona-Krise?

Persönlich versuche ich derzeit eher gesünder zu leben und freue mich – neben allen Problemen und Schicksalen der Corona-Krise – daran, dass meine Frau und ich uns öfter sehen, da sie als internationale Marketingleiterin in einem Pharma-Konzern derzeit auch Reiserestriktionen unterworfen ist.

DMV-Umfrage zu Auswirkungen durch Corona-Krise

Der Deutsche Marketing Verband (DMV) hatte bereits in der vergangenen Woche (Stand: 12. März) eine Umfrage unter seinen deutschlandweit rund 60 angeschlossenen Marketing-Clubs durchgeführt. Dabei ging es um die Frage, ob und wie die Marketing-Club-Mitglieder die ersten Auswirkungen der Corona-Krise zu spüren bekommen.

Die auffälligsten Ergebnisse:

  • Fast die Hälfte der Marketing-Club-Mitglieder (43,4 Prozent) rechnet damit, dass die Corona-Krise negative oder stark negative Auswirkungen auf die Auftragslage hat.
  • Drei Viertel der Befragten (75,5 Prozent) gehen nicht davon aus, dass die Krise negative personelle Auswirkungen zum Beispiel durch krankheitsbedingte Ausfälle oder Homeoffice mit sich bringt.
  • Kein Marketing-Club-Mitglied glaubt, dass die Krise negative oder stark negative Auswirkungen auf das Vertrauen in das jeweilige Unternehmen hat.
  • Mehr als die Hälfte der Mitglieder (53,9 Prozent) rechnet damit, dass Projekte und Kampagnen zeitlich verschoben werden müssen.
  • Zwei Drittel der Mitglieder (65,5 Prozent) sind der Meinung, dass die Corona-Krise keine, kaum oder nur mäßige Auswirkungen auf Lieferketten haben wird.

(vh, Jahrgang 1968) schreibt seit 1995 über Marketing. Was das Wunderbare an ihrem Beruf ist? „Freie Journalistin mit Fokus auf Marketing zu sein bedeutet: Es wird niemals langweilig. Es macht enorm viel Spaß. Und ich lerne zig kluge Menschen kennen.“