Marketing-Strafen sind Peanuts für Pharmafirmen

In den letzten Jahren haben Gerichte und Behörden pharmazeutische Hersteller zur Zahlung horrender Geldstrafen verurteilt – meist wegen illegaler Marketingmethoden. Der nachhaltige Effekt solcher Maßnahmen hält sich jedoch in Grenzen.

Von Michael van den Heuvel

Strafen ohne Ende: Kürzlich hat ein Gericht im amerikanischen Bundesstaat Louisiana die Konzerne Eli Lilly und Takeda zur Zahlung von insgesamt neun Milliarden US-Dollar verurteilt. In der Sache ging es um Pioglitazon (Actos), einen Insulin-Sensitizer. Dieses Glitazon löst möglicherweise Blasenkarzinome aus. Entsprechende Risiken seien firmenseitig verschwiegen worden, urteilte eine Jury. Beide Firmen erklärten, das Urteil anzufechten.

Behörden bitten zur Kasse

Dies ist kein Einzelfall. Pfizer musste im Jahr 2009 die Rekordsumme von 2,3 Milliarden US-Dollar berappen – wegen möglicher Verstöße beim Arzneimittelmarketing. Das US-Justizministerium warf dem Hersteller vor, seinen Cyclooxygenase-2-Hemmer Valdecoxib (Bextra) jenseits aller Zulassungen vermarktet zu haben. AstraZeneca erwischte es im Jahr 2010. Wegen des Vorwurfs, ein Medikament irreführend bei psychotischen Erkrankungen vermarktet zu haben, musste der Konzern 520 Millionen US-Dollar berappen. Richtern zufolge bot der Hersteller sein Präparat bei Indikationen an, die nicht ausdrücklich von der U.S. Food and Drug Administration zugelassen worden seien. Dazu gehören Alzheimer, Aggressionen, Angstzustände, Demenz, Depressionen und posttraumatische Belastungszustände. Besonders brisant: AstraZeneca habe sein Präparat vor allem Hausärzten und Pädiatern angeboten, also Kollegen, die sich nicht auf neurologisch-psychiatrische Erkrankungen spezialisiert hätten, so der Vorwurf.

Ein Teil der zu zahlenden Strafe ging auch an Medicaid. Dem Versicherer sei immenser Schaden entstanden, hieß es im Urteil. GlaxoSmithKline wiederum wurde Rosiglitazon (Avandia) zum Verhängnis. Wegen umstrittener Marketingmethoden musste der Hersteller rund drei Milliarden Euro bezahlen. Ende 2013 nahm die EU-Kommission weitere Konzerne unter die Lupe. Ihr Vorwurf lautete, Novartis habe auf Wunsch von Johnson & Johnson darauf verzichtet, generisches Fentanyl einzuführen und dafür einen Obolus erhalten. Bei Abbott waren 5,5 Millionen US-Dollar fällig, weil dem US-Justizministerium zufolge Verordnungen hauseigener Produkte auf illegalem Weg angekurbelt wurden: Ärzte erwähnten Präparate wohlwollend auf Kongressen und erhielten dafür monetäre Vergütungen.

Viel Geld, kaum Wirkung

Ein Fazit: Hohe Geldstrafen sind keine Seltenheit. Sidney M. Wolfe von der Health Research Group Public Citizen, Washington DC, wollte wissen, ob finanzielle Sanktionen überhaupt etwas bringen. Er untersuchte Zahlungen zwischen 2009 und 2012. Die Rede ist von sage und schreibe 5,1 Milliarden US-Dollar – fünf Mal mehr als im Vergleichszeitraum drei Jahre zuvor. Wolfe kommt trotzdem zu einem ernüchternden Resümee. Er spekuliert, Konzerne würden entsprechende Strafen mittlerweile in ihr Geschäftsmodell integrieren.

Derzeit fallen Strafzahlungen – gemessen an Unternehmensbilanzen – kaum ins Gewicht. Laut Wolfe wogen die Gewinne aus 2012 rein rechnerisch Strafen aus mehr als zwei Jahrzehnten wieder auf. Der Forscher konstatiert einen „pathologischen Mangel an Unternehmensintegrität“ und fordert deutlich höhere Summen. Vertragliche Verpflichtungen zur Niederlegung illegaler Machenschaften, sogenannte „Corporate Integrity Agreements“, brächten wenig.

Alternativen gesucht

Doch was tun? Die USA hat nach längerer Vorbereitung einen „Physician Payments Sunshine Act“ verabschiedet. Das Regelwerk sieht vor, alle Gelder zu dokumentieren, die Ärzte von Pharmakonzernen sowie von Firmen, die medizintechnische Produkte herstellen, erhalten. Dazu gehören direkte Zahlungen, aber auch Spesenerstattungen, Honorare oder Geschenke. Konzerne müssen sich auf einer Website des Center for Medicare & Medicaid Services (CMS) registrieren. Anschließend erfolgen die Datenübertragung, Auswertung und Veröffentlichung auf einem frei zugänglichen Internetportal.

Zurück nach Deutschland: Beim Ärztetag im Mai 2013 wurde dafür plädiert, hierzulande ähnliche Kriterien umzusetzen. Ende 2013 folgte ein Transparenz-Kodex des Verbandes forschender Pharma-Unternehmen (vfa). Darin verpflichten sich Firmen, ab 2016 alle Zuwendungen an Ärzte zu veröffentlichen. Im Bereich Forschung und Entwicklung sind laut vfa „zusammengefasste Publikationen“ vorgesehen, also Summen, ohne einzelne Ärzte zu nennen. Bei Spenden, Honoraren und Geldern für Fortbildungsveranstaltungen sollen Zuwendungsempfänger mit Namen und Adresse genannt werden – falls diese explizit zustimmen. Ansonsten bleibt es bei anonymisierten Veröffentlichungen.