Marketing profitiert von Netzwerkeffekten des Internets

Das Zusammenkommen mit potenziellen Geschäftspartnern in der realen Welt – neudeutsch Networking - ist für das Geschäft wichtiger als das Online-Marketing über das Web 2.0. Diese Schlussfolgerung lässt sich aus einer gemeinsamen Studie des Münchner Unternehmerkreises Informationstechnologie und der PR- und Social Media-Agentur European Marketing Communications (Euromarcom) ziehen. Grundlage bildet die Befragung von mehr als 150 vornehmlich inhabergeführten Software- und Servicehäusern sowie IT-Beratungsfirmen aus Deutschland.

von Gunnar Sohn

Laut der Umfrage sind mehr als drei Viertel der IT-Führungskräfte in erster Linie daran interessiert, ihr persönliches Netzwerk zu verbessern, um damit das Geschäft in Schwung zu halten. Hingegen wollen „nur“ knapp die Hälfte (49 Prozent) das Web 2.0 für ihr Marketing einsetzen. „In der Praxis kommt es auf den richtigen Mix an. Beim persönlichen Networking steht vor allem die Qualität der Kontakte im Vordergrund, beim Web 2.0 häufig eher die Quantität“, sagt Euromarcom-Agenturchef Andreas Dripke.

In der Wirtschaft stößt die Studie auf Skepsis: „Ich kenne zwar nicht den Fragebogen – die Analyse der Ergebnisse sind allerdings fragwürdig. Das persönliche Netzwerk ist für das Berufs- und Privatleben wichtig und unverzichtbar. Genauso wichtig ist es, über den eigenen Tellerrand der persönlichen Beziehungen hinwegzukommen. Das belegt eine umfassende Untersuchung des Pew Research Centers in den USA mit einer Stichprobe von mehr als 2 300 Befragten. Demnach erweitert das Web 2.0 die soziale Reichweite. So gibt fast jeder Zweite zu Protokoll, dass das Internet soziale Aktivitäten und die Kommunikation fördert“, bekräftigt der ITK-Fachmann Peter B. Záboji, Chairman des After Sales-Dienstleisters Bitronic, im Gespräch mit dem Düsseldorfer Fachdienst MarketingIT.

Weil es so einfach sei, die schwachen Verbindungen aufrecht zu erhalten, steigt die Zahl unserer Beziehungen insgesamt massiv an, wie Thomas Knüwer in seinem Blog Indiskretion Ehrensache aufzeigt. „Diese Kontakte nehmen wir sogar ein Leben lang mit, wenn wir wollen. Junge Menschen, die heute über Instant Messenger oder Social Network miteinander in Verbindung bleiben, verlieren – so sie und der andere es will – niemand mehr aus den Augen“, betont Knüwer. Die neuen Verbindungen würden etwas verändern. „Wir sind bereit, uns aktivieren zu lassen. Wir setzen uns ein für Menschen, denen wir uns aus welchen Gründen auch immer nahe fühlen. Nehmen wir nur jenes Düsseldorfer Ehepaar, beide Blogger, die durch ein Feuer ihre Wohnung verloren. Wie ein Sturm verbreitete sich die Suche nach einer Ersatzwohnung via Twitter. Eine Spendenaktion brachte ein unfassbares Ergebnis: über 20 000 Euro. Allein die gemeinsame Nutzung einer Technik, der Blog-Software und der Plattform Twitter sorgte hier schon für eine gewisse Nähe, die Geschichte der beiden berührte emotional“, führt Knüwer weiter aus.

Mit Social Media könnten Verbindungen graduell aufrecht erhalten werden. Schwache Kontakte zu halten, werde überhaupt erst möglich. Schwache Verbindungen seien keine Blase – sondern eine reale Veränderung in der Gesellschaft, meint Knüwer.

„Und auch in der Wirtschaft. Besonders im Marketing kann man höchst interessante Netzwerkeffekte auslösen. Das sollten vor allen Dingen die Spezialisten für Informationstechnologie und Telekommunikation wissen. Der Soziologe Mark Granovetter hat das schon in den 1970er-Jahren eindrucksvoll nachgewiesen. Besonders die schwachen Beziehungen dienen als Brücken zwischen Netzwerken und helfen, Probleme zu lösen, Informationen zu sammeln und neue Ideen aufzugreifen. Sie helfen, die Arbeit schneller und besser zu verrichten. Das ideale Netzwerk besteht daher aus einem Kern von starken Beziehungen und einer umfangreichen Peripherie von schwachen Beziehungen. Wie Knüwer richtig bemerkt, kann man ohne großen Aufwand die schwachen Beziehungen aufbauen, ohne die starken Beziehungen zu vernachlässigen“, resümiert Záboji.

Gunnar Sohn ist Chefredakteur des Online-Nachrichtendienstes „Neue Nachricht“.

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