Marketing for Future – Aus Kraft erwächst Verantwortung

Im Marketing haben wir Zauberkräfte. Wir können Menschen Dinge sehen lassen, die sie vorher nicht gesehen haben. Wir können sie dazu bringen, sich mit Themen und Produkten zu beschäftigen, die sie bisher nicht interessiert haben. Wir können sie so lenken, dass sie ihr Konsumverhalten verändern.
Auch das Marketing kann seinen Teil zur Rettung des Planeten dazu tun – wenn es richtig gemacht ist. (© Markus Spiske / Unsplash)

In der Vergangenheit haben wir Menschen ernsthaft Glauben gemacht, Zigaretten seien der Inbegriff von Coolness, SUVs ließen unser Leben abenteuerlicher werden und Mineralwasser schmeckt nur, wenn es aus Flaschen kommt.

Marketing ist eine mächtige Kraft. Es ist an der Zeit, sie für die Zukunft einzusetzen.

Die Zukunft hat keine Marketing-Abteilung

Die Fridays for Future-Bewegung hat beängstigende Fakten vor der Brust und massive mediale Aufmerksamkeit im Rücken. Was sie nicht hat, ist eine effektive Marketing-Abteilung. Dabei könnte Marketing substanziell dazu beitragen, den Forderungen der jungen Menschen auch Taten in der breiten Masse folgen zu lassen.

Wenn die Zukunft uns briefen könnte, würde sie uns auffordern, zuallererst festgefahrene Verhaltensmuster in den Bereichen Ernährung, Mobilität und Konsum zu beeinflussen. Sie würde uns bitten, Vernunft sexy und Verzicht cool zu machen.

Das Thema Verzicht neu claimen

In der Debatte um klima-positives Verhalten brauchen wir ein neues Verständnis von Verzicht. Es darf nicht weiter darum gehen, aktuelle Verhaltensmuster zu verteufeln. Man sollte den Menschen nicht verbieten, Fleisch zu essen. Wir dürfen nicht predigen, wie schlecht fliegen für die Umwelt ist. Das wissen ja im Grunde alle.

Statt Verbote einzuführen und mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Konsumenten loszugehen, sollten wir uns dafür einsetzen, die Vernunft zu einer attraktiven Alternative zu machen. Statt „Fleisch essen ist scheiße“, müsste es heißen „Fleisch – ein besonderer Genuss“. Statt „Kauf auf keinen Fall bei Primark“, „Gönne dir nachhaltige Qualität“.

Diese Denkweise ist natürlich innerhalb der jungen, informierten, urbanen Zielgruppen schon weit verbreitet. Um die geht es aber nicht. Es geht nicht darum, die Leute zu erreichen, die eh schon freitags auf die Straße gehen und auch nicht primär um die ‚Brothers & Sisters in Mind‘, die ihre Zustimmung einfach noch nicht in Handlungen übersetzt haben.

Es geht vor allem um den großen Rest. Die Menschen, die die Botschaften der Fridays for Future gar nicht hören wollen. Denen man die Wurst vom Brot und den Jahresurlaub in der Türkei wegnimmt. Wie kann man diese Menschen mitnehmen?

Vorbilder schaffen, Orientierung geben – das kann Marketing leisten

Langfristige Verhaltensänderung hin zum Klima-Positivismus ist ein dickes Brett. So dick, dass wir es im Marketing vielleicht nicht allein bohren können. Und, anders als damals bei den Zigaretten, springt uns nach dem initialen Anfixen auch kein Suchtmittel zur Hilfe, das die Menschen bei der Stange hält. Aber das mit dem Anfixen können wir. Wir können die Einstellung der Menschen verändern.

Wer auf dem Land lebt, der weiß: Mit Tofu-Würstchen macht man sich bei der Grillparty nicht nur Freunde. Klima-positives Verhalten ist nicht überall sozial erwünscht. Das müssen wir ändern. Für viele Menschen sind Greta oder Rezo vielleicht nicht das richtige Vorbild – vielleicht bräuchte es da eher einen Florian Silbereisen oder Jürgen Klopp, die mit gutem Vorbild voran gehen. Wir können die richtigen Vorbilder identifizieren, sie munitionieren und ins richtige Licht rücken.

Vielleicht brauchen wir neue Belohnungssysteme. Treuepunkte für den Planeten. Und wer es schafft, ein Jahr lang bei jedem Einkauf ein klimafeindliches Lebensmittel wegzulassen, bekommt von Florian Silbereisen eine Einladung zum Konzert. Das wär doch mal was.

Bei den Menschen, die die Dringlichkeit des Themas erkannt haben, hat Marketing einen anderen Auftrag. Bei ihnen geht es darum, das richtige Denken in die richtigen Taten zu überführen. Wir müssen diesen Leuten klar machen, dass ihr individuelles Verhalten sehr wohl einen Unterschied macht.

Diesen Menschen müssen wir helfen, das Thema in handhabbare Bröckchen aufzuteilen, ihnen Orientierungshilfen geben, wie sie ohne großen Schmerz starten könnten. Ja, Plastiktüten sind wirklich Mist. Warum nicht die drei Äpfel mal lose mitnehmen? Oder: Ja, man kann auch mit dem iPhone von vor einem Jahr noch telefonieren. Warum nicht mal eine Gerätegeneration auslassen?

80 ist das neue 100

Wir sind im Stande, Menschen mit Witz, Emotion und klugem Storytelling im Sinne eines klima-positiven Verhaltens zu beeinflussen. Und das kann man tun, ohne alles andere, was wir bisher mit unserem Talent erreicht haben, unterlassen zu müssen.

Wenn jeder nur ein bisschen in diese Richtung steuert, ist schon viel erreicht. Ist das die perfekte Lösung? Nein. Aber wer auf einen 100-prozentigen Ansatz wartet, der wird alt und grau. Deshalb habe ich die Initiative Marketing for Future ins Leben gerufen. 80 ist das neue 100. Lasst uns einfach und endlich anfangen.