Marken entscheiden beim Autokauf zunehmend

Über 300 Experten und hochrangige Manager treffen sich heute am 24. Januar 2002 am CAR-Center of Automotive Research zum 2. Internationalen CAR-Symposium in Recklinghausen. Dabei steht im Mittelpunkt der Tagung der Strukturwandel in der Auto- und Zulieferindustrie.

Welche Rollen und Aufgaben haben Automobilhersteller und Zulieferer im Jahr 2010? Wie müssen sie sich auf ihre neuen Rollen ausrichten und damit positionieren? Zu den Hauptrednern der Tagung zählen der Vorstandsvorsitzende der BMW AG Joachim Milberg, der Präsident des Verbands der deutschen Automobilindustrie (VDA) Bernd Gottschalk und Magna Steyr Vorstand Jürgen Stockmar.

Autoindustrie im Innovations-Schub

In den nächsten zehn Jahren steht die Automobil- und Zulieferindustrie vor großen Veränderungen. Noch nie wurden in der Autogeschichte in so kurzer Zeit so viele neue Modelle und Varianten entwickelt und im Markt vorgestellt wie heute. Neue Fahrzeugkonzepte wie Vans, Off-Roader, SUV´s und Cross-Overs, neue Antriebskonzepte wie Brennstoffzellen und Hybride, neue Elektronikanwendungen im Sicherheits- und Komfortbereich, Internet und Multi-Media-Car sind Beispiele für den großen Innovationsschub, den es derzeit in der Automobil- und Zulieferindustrie gibt.

Gleichzeitig beobachten wir in der Marktforschung, dass das Markenbewusstsein beim Autokauf weiter steigt. Der Kunde kauft heute zuerst BMW oder Mercedes und dann erst den 3er oder die C-Klasse. Die Marke dominiert die Kaufentscheidung immer stärker und wird ausschlaggebend für des Erfolg des Autoherstellers. Automarken mit wenig Emotion sind die Verlierer in den nächsten zehn Jahren. Eine wichtige Substanz von Automarken liegt dabei in ihrer Innovation.

Automobilhersteller und Zulieferer: Neue Prozesse und Positionierungen
Der hohe Markt- und Innovationsdruck der Branche führt dazu, dass ein neues Modell in der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern erkennbar wird. „Die einzelnen Fahrzeugsysteme haben einen derartigen Komplexitätsgrad erreicht, dass es ökonomisch und technisch sinnvoll ist, die Aufgaben des Autoherstellers und der Zulieferer neu zu definieren. Dies ist das Ergebnis zahlreicher Studien, die wir am CAR durchgeführt haben“, so CAR-Direktor Ferdinand Dudenhöffer.
Gleichzeitig gilt: Die Konzentration bei den Autoherstellern schreitet weiter voran. Von den 13 unabhängigen Automobilhersteller-Gruppen werden nach dem Jahr 2010 weniger als zehn Gruppen weltweit vorhanden sein. Markenstärke und Größe leiten dabei die Konzentration – beides ist notwendig, um zu den Gewinnern in den nächsten zehn Jahren zu gehören. Dies erklärt die enormen Wachstumsanstrengungen von BMW, Mercedes oder den Ford-PAG-Marken Volvo, Jaguar, Landrover.

Die Autohersteller verlagern ihr Interesse immer stärker in Richtung Endkunde und bauen ihre Konzerne mit neuen Marketing-Leistungen aus. Die neuen Vertriebswelten wie die VW-Stadt in Wolfsburg, das zukünftige BMW-Erlebniscenter in München oder die geplanten Brand Center von Mercedes sind Beispiele für moderne Markenwelten. Die lukrativste Sparte ist dabei die Finanzdienstleistung. Allein im Jahr 2000 haben die Finanzdienstleistungen von GM und Ford zu über 30 Prozent zu den Konzerngewinnen beigetragen. Der VW-Konzern plant, den heutigen Konzerngewinnbeitrag von 8 Prozent bei den Financial Services mittelfristig auf über 30 Prozent zu steigern. Das 2001 vorgestellte VW-Bank Girokonto ist dazu ein wichtiges Instrument.

Während der Autohersteller den Kontakt zum Autofahrer ausbaut, wird in der Fahrzeug-Entwicklung und Fahrzeug-Produktion die Zulieferindustrie immer stärker eingebunden. Die Fahrzeugteil-Systeme, die Module und Komponenten werden heute zu großen Teilen in der Zulieferindustrie entwickelt, produziert und aus dem Fabrikpark direkt ans Montageband des Herstellers geliefert. Die Kompetenz des Autoherstellers verschiebt sich immer stärker auf die Abstimmung, auf das optimale Zusammenspiel der einzelnen Fahrzeug-Module. Die Zulieferer werden damit die heimlichen Helden der Fahrzeug-Innovation. Gleichgültig, ob elektrohydraulische Bremse, ESP, Pre-Crash-Airbags, Common-Rail-Dieselsysteme, elektronische Abstandskontrolle, Navigation, usw. – die Innovation kommt von Bosch, Conti, Magna & Co.

Wie sehen die Zulieferer in zehn Jahren aus?

Es spricht sehr viel dafür, dass es in zehn Jahren nicht den universellen „Megalieferanten“ geben wird. Wir werden vielmehr Zulieferunternehmen sehen, die sich als Fahrwerk-Spezialisten, als Innenraum-Experten, als Produzenten von Nischen-Fahrzeugen, als Licht-Experten und vielem mehr sehen. Die Bremsen- und Dieselexperten von Bosch, die Navigations-Experten von Blaupunkt, die Getriebespezialisten von ZF, die Lichttechniker von Hella, die Dachmodul-Ingenieure von Webasto, die Fahrwerks-Spezialisten von Conti, die Karosserie-Experten von EDAG sind nur ein paar Beispiele dafür, wie die neuen Zuliefer-Experten das Auto von morgen schaffen. Der für 2003 geplante BMW X3 wird von Magna Steyr in Österreich gebaut. Karmann hat 2002 den Auftrag für den Chrysler Crossfire erhalten. Valmet in Finnland baut über 80 Prozent der Porsche Boxster. Die Beispiele sind beliebig fortsetzbar.


Wachstumsbranche und Job-Maschine Zulieferindustrie

Die neue Rollenaufteilung zwischen Hersteller und Zulieferer macht die Zulieferindustrie zur neuen Wachstumsbranche. Nach Modellrechnungen des CAR wird das weltweite Wachstum in den nächsten zehn Jahren in der Zulieferindustrie über 40 Prozent betragen, während im reinen Fahrzeuggeschäft der Hersteller das Wachstum zukünftig unter 20 Prozent liegen wird. Die Zulieferindustrie wird zur Job-Maschine, während die Autohersteller in Summe weniger Beschäftigte zählen werden. „Nach unseren Schätzungen betrug 2000 der Produktionswert in der Auto- und Zulieferindustrie weltweit etwa 1.000 Mrd. US-$. Davon entfielen etwa 420 Mrd. US-$ auf die Zulieferer. Bis 2010 erwarten wir hier fast 600 Mrd. US-$ Umsatz und damit 42 Prozent Wachstum“, fasst Dudenhöffer die Studienergebnisse zusammen. Das Chart illustriert die Entwicklung.

Herausforderung für Zulieferer: Wachstum und Positionierung
Die neuen Systeme der Autohersteller sind noch stärker auf den Endkunden ausgerichtet. Dabei spielt das Medium Internet eine immer wichtigere Rolle. In der neuen Automobil- und Zulieferwelt werden neben den physischen Warenströmen die Informationsströme immer wichtiger. Die Zulieferkette ist damit nicht nur Just-In-Time-geprägt, sondern Informations-geprägt. Das Global-Ordering System bei Mercedes-Benz, der Kundenorientierte Vertriebs- und Produktionsprozess (KOVP) bei BMW zeichnen sich dadurch aus, dass Lieferzuverlässigkeit für den Autokäufer erstmals durch das Internet garantiert wird. Die Internet-Plattformen der Autohersteller und Zulieferer geben die Infrastruktur für das neue Wachstum ab. Dabei sind die neuen Zulieferer oft schon Umsatz-Riesen, wie die nachstehenden Tabellen zeigen.
Fazit: Wir gehen in eine neue Welt der Auto- und Zulieferindustrie. Hersteller und Zulieferer werden andere Rollen einnehmen. Markenstärke und Innovationskraft sind wichtige Argumente für die Positionen – und damit Positionierungen – der Automobilhersteller und Zulieferer von morgen.